Monaten sollte Preußen abermals erfahren, wie die Polen der deutschen Großmuth dankten. --
Ueber die polnischen Händel hatte sich Deutschlands öffentliche Mei- nung noch kein sicheres Urtheil gebildet; nationaler Stolz und fremdbrüder- licher Schwachsinn hielten einander noch die Wage. Als aber jetzt auch unsere Nordmark durch die Gewaltstreiche des Auslandes bedroht wurde, da regte sich das jugendliche Selbstgefühl der Nation in schönem Ein- muth. Im December 1839, kurz vor dem König von Preußen, war der greise Friedrich VI. von Dänemark gestorben, und hier wie dort begann mit dem Thronwechsel eine neue Zeit. Der Verstorbene war der erste rein dänisch gesinnte König des Inselreichs gewesen, aber ein ruheseliger Herr, dem die Parteien den Frieden seiner alten Tage nicht gern stören mochten. Unter seinem Nachfolger Christian VIII. brausten die mühsam verhaltenen nationalen Wünsche sofort kräftig auf.
Auch König Christian, der Zögling Hoegh-Guldberg's, fühlte sich ganz als Däne, obgleich er den Werth deutscher Bildung wohl zu schätzen wußte. Ein schöner Welt- und Lebemann, Freund des Prunkes, der Tafel, des witzigen Gesprächs, bezauberte er Alles durch seine einschmei- chelnde Liebenswürdigkeit, wenn ihn nicht einmal das hitzige Blut über- mannte. Als langjähriger Präsident der Akademie hatte er sich große Ver- dienste um die Pflege der Künste erworben, die Naturforscher schätzten seine mineralogischen Schriften über den Vesuv; mit vielen Gelehrten wechselte er Briefe, Freiherr v. Rumohr, der Gastronom und Kunstkenner, behagte ihm am besten. Manche Züge dieses beweglichen, vielseitig empfänglichen Geistes erinnerten an Friedrich Wilhelm IV., der ihm auch persönlich theuer und durch den gemeinsamen Freund Rumohr nahe verbunden war. In den ersten Tagen der Hoffnung sagte Humboldt froh, zwei solche Könige seien würdig sich gegenseitig zu schätzen. Aber an die um- fassende Bildung und die Gedankenfülle Friedrich Wilhelm's reichte der geistreiche Däne doch nicht heran; Dilettant in Allem, besaß er auch die Herzensgüte des Deutschen nicht, und während dieser nur zuweilen durch die phantastische Ueberschwänglichkeit seiner Reden den Eindruck der Schau- spielerei erweckte, suchte König Christian wirklich durch berechnete Bühnen- künste zu blenden und zu berücken. Wenn er alljährlich in rothsammtener Phantasie-Uniform, bedeckt mit glitzernden Ordenssternen, zur Eröffnung der Sitzungen des obersten Gerichtshofs fuhr, dann erschien er ganz wie ein Theaterkönig. Die wohlfeilsten Effecte verschmähte er nicht: zu dem Stu- denten Rudolf Schleiden, der in Nyborg wegen eines harmlosen, unpo- litischen Duells auf der Festung saß, trat er plötzlich in's Zimmer, wie der Gott aus der Maschine, um feierlich die Begnadigung zu verkünden.
V. 7. Polen und Schleswigholſtein.
Monaten ſollte Preußen abermals erfahren, wie die Polen der deutſchen Großmuth dankten. —
Ueber die polniſchen Händel hatte ſich Deutſchlands öffentliche Mei- nung noch kein ſicheres Urtheil gebildet; nationaler Stolz und fremdbrüder- licher Schwachſinn hielten einander noch die Wage. Als aber jetzt auch unſere Nordmark durch die Gewaltſtreiche des Auslandes bedroht wurde, da regte ſich das jugendliche Selbſtgefühl der Nation in ſchönem Ein- muth. Im December 1839, kurz vor dem König von Preußen, war der greiſe Friedrich VI. von Dänemark geſtorben, und hier wie dort begann mit dem Thronwechſel eine neue Zeit. Der Verſtorbene war der erſte rein däniſch geſinnte König des Inſelreichs geweſen, aber ein ruheſeliger Herr, dem die Parteien den Frieden ſeiner alten Tage nicht gern ſtören mochten. Unter ſeinem Nachfolger Chriſtian VIII. brauſten die mühſam verhaltenen nationalen Wünſche ſofort kräftig auf.
Auch König Chriſtian, der Zögling Hoegh-Guldberg’s, fühlte ſich ganz als Däne, obgleich er den Werth deutſcher Bildung wohl zu ſchätzen wußte. Ein ſchöner Welt- und Lebemann, Freund des Prunkes, der Tafel, des witzigen Geſprächs, bezauberte er Alles durch ſeine einſchmei- chelnde Liebenswürdigkeit, wenn ihn nicht einmal das hitzige Blut über- mannte. Als langjähriger Präſident der Akademie hatte er ſich große Ver- dienſte um die Pflege der Künſte erworben, die Naturforſcher ſchätzten ſeine mineralogiſchen Schriften über den Veſuv; mit vielen Gelehrten wechſelte er Briefe, Freiherr v. Rumohr, der Gaſtronom und Kunſtkenner, behagte ihm am beſten. Manche Züge dieſes beweglichen, vielſeitig empfänglichen Geiſtes erinnerten an Friedrich Wilhelm IV., der ihm auch perſönlich theuer und durch den gemeinſamen Freund Rumohr nahe verbunden war. In den erſten Tagen der Hoffnung ſagte Humboldt froh, zwei ſolche Könige ſeien würdig ſich gegenſeitig zu ſchätzen. Aber an die um- faſſende Bildung und die Gedankenfülle Friedrich Wilhelm’s reichte der geiſtreiche Däne doch nicht heran; Dilettant in Allem, beſaß er auch die Herzensgüte des Deutſchen nicht, und während dieſer nur zuweilen durch die phantaſtiſche Ueberſchwänglichkeit ſeiner Reden den Eindruck der Schau- ſpielerei erweckte, ſuchte König Chriſtian wirklich durch berechnete Bühnen- künſte zu blenden und zu berücken. Wenn er alljährlich in rothſammtener Phantaſie-Uniform, bedeckt mit glitzernden Ordensſternen, zur Eröffnung der Sitzungen des oberſten Gerichtshofs fuhr, dann erſchien er ganz wie ein Theaterkönig. Die wohlfeilſten Effecte verſchmähte er nicht: zu dem Stu- denten Rudolf Schleiden, der in Nyborg wegen eines harmloſen, unpo- litiſchen Duells auf der Feſtung ſaß, trat er plötzlich in’s Zimmer, wie der Gott aus der Maſchine, um feierlich die Begnadigung zu verkünden.
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V. 7. Polen und Schleswigholſtein.
Monaten ſollte Preußen abermals erfahren, wie die Polen der deutſchen
Großmuth dankten. —
Ueber die polniſchen Händel hatte ſich Deutſchlands öffentliche Mei-
nung noch kein ſicheres Urtheil gebildet; nationaler Stolz und fremdbrüder-
licher Schwachſinn hielten einander noch die Wage. Als aber jetzt auch
unſere Nordmark durch die Gewaltſtreiche des Auslandes bedroht wurde,
da regte ſich das jugendliche Selbſtgefühl der Nation in ſchönem Ein-
muth. Im December 1839, kurz vor dem König von Preußen, war der
greiſe Friedrich VI. von Dänemark geſtorben, und hier wie dort begann
mit dem Thronwechſel eine neue Zeit. Der Verſtorbene war der erſte
rein däniſch geſinnte König des Inſelreichs geweſen, aber ein ruheſeliger
Herr, dem die Parteien den Frieden ſeiner alten Tage nicht gern ſtören
mochten. Unter ſeinem Nachfolger Chriſtian VIII. brauſten die mühſam
verhaltenen nationalen Wünſche ſofort kräftig auf.
Auch König Chriſtian, der Zögling Hoegh-Guldberg’s, fühlte ſich ganz
als Däne, obgleich er den Werth deutſcher Bildung wohl zu ſchätzen
wußte. Ein ſchöner Welt- und Lebemann, Freund des Prunkes, der
Tafel, des witzigen Geſprächs, bezauberte er Alles durch ſeine einſchmei-
chelnde Liebenswürdigkeit, wenn ihn nicht einmal das hitzige Blut über-
mannte. Als langjähriger Präſident der Akademie hatte er ſich große Ver-
dienſte um die Pflege der Künſte erworben, die Naturforſcher ſchätzten ſeine
mineralogiſchen Schriften über den Veſuv; mit vielen Gelehrten wechſelte
er Briefe, Freiherr v. Rumohr, der Gaſtronom und Kunſtkenner, behagte
ihm am beſten. Manche Züge dieſes beweglichen, vielſeitig empfänglichen
Geiſtes erinnerten an Friedrich Wilhelm IV., der ihm auch perſönlich
theuer und durch den gemeinſamen Freund Rumohr nahe verbunden
war. In den erſten Tagen der Hoffnung ſagte Humboldt froh, zwei
ſolche Könige ſeien würdig ſich gegenſeitig zu ſchätzen. Aber an die um-
faſſende Bildung und die Gedankenfülle Friedrich Wilhelm’s reichte der
geiſtreiche Däne doch nicht heran; Dilettant in Allem, beſaß er auch die
Herzensgüte des Deutſchen nicht, und während dieſer nur zuweilen durch
die phantaſtiſche Ueberſchwänglichkeit ſeiner Reden den Eindruck der Schau-
ſpielerei erweckte, ſuchte König Chriſtian wirklich durch berechnete Bühnen-
künſte zu blenden und zu berücken. Wenn er alljährlich in rothſammtener
Phantaſie-Uniform, bedeckt mit glitzernden Ordensſternen, zur Eröffnung
der Sitzungen des oberſten Gerichtshofs fuhr, dann erſchien er ganz wie ein
Theaterkönig. Die wohlfeilſten Effecte verſchmähte er nicht: zu dem Stu-
denten Rudolf Schleiden, der in Nyborg wegen eines harmloſen, unpo-
litiſchen Duells auf der Feſtung ſaß, trat er plötzlich in’s Zimmer, wie
der Gott aus der Maſchine, um feierlich die Begnadigung zu verkünden.
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Treitschke, Heinrich von: Deutsche Geschichte im Neunzehnten Jahrhundert. Bd. 5: Bis zur März-Revolution. Leipzig, 1894, S. 564. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/treitschke_geschichte05_1894/578>, abgerufen am 25.11.2024.
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