wieder mit der österreichischen Monarchie vereinigt werden sollte.*) Wenige Tage nachher verkündigte Kaiser Ferdinand öffentlich die Besitzergreifung und im Januar wurde das k. k. Mauthsystem im Krakauer Gebiete eingeführt. Die preußische Regierung war plump überlistet und sah sich zudem dem ge- rechten Vorwurfe ausgesetzt, daß sie die Interessen ihres Landes thöricht preisgegeben hätte.
Die einzig mögliche Antwort auf ein so unerhörtes Verfahren war die Abberufung des pflichtvergessenen Gesandten. An Arnim's nichtige Unterschrift brauchte sich die Krone nicht zu binden; freilich hatte sie ihre schärfste Waffe schon selbst aus der Hand gegeben, da ihre Truppen im Sommer aus Krakau abgezogen waren. Der König aber fand es unritter- lich, die Zwietracht im Lager der Ostmächte vor aller Welt zu bekunden, eben jetzt da die gesammte öffentliche Meinung Westeuropas über die neue Theilung Polens zürnte. Graf Arnim blieb, streng getadelt, auf seinem Posten; er bat flehentlich um Verzeihung und suchte sich zu entschuldigen, indem er alle die Märchen über den Krakauer Handel, die ihm die Oester- reicher vortrugen, gedankenlos nachsprach. Man sagt mir nach, so schrieb er gemüthsruhig, daß Metternich mich in der Tasche hätte; das hat man aber auch von allen früheren preußischen Gesandten hier behauptet.**) Er erhielt Befehl, sofort Verwahrung einzulegen und sich weitere Anträge vor- zubehalten. Aber die Unterschrift wurde nicht zurückgezogen, das Wiener Protokoll bestand mithin zu Recht. Das Spiel war verloren; verspätete Beschwerden konnten nur zu neuen Beschämungen führen. Als bewährter Diplomat war Canitz anfangs mit großen Hoffnungen begrüßt worden; jetzt zeigte sich doch, daß der König auch diesmal nicht den rechten Mann gefunden hatte. Der geistreiche Minister begann seine neue Laufbahn mit einer schimpflichen Niederlage, und während seiner gesammten Thätigkeit im Auswärtigen Amte sollte ihn das Unglück unablässig verfolgen.
Der Czar stand in diesem Streite von vornherein auf Seiten Oester- reichs. Ihm lag allein an der Bändigung des Polenthums; was kümmer- ten ihn die Interessen der Volkswirthschaft? Ich weiß es wohl, sagte er zu Rauch, die preußischen wie die russischen Unterthanen müssen unter der Einverleibung leiden, aber Geldrücksichten gelten nichts neben der politischen Nothwendigkeit. "Bei seiner Freundschaft" beschwor er den König, diesen Zank nicht weiter zu treiben, die Eintracht der Ostmächte nicht zu stören. Wie zum Hohne fügte er hinzu, Preußen hätte seine Forderungen früher durchsetzen sollen -- obgleich sein eigener Gesandter auf der Wiener Con- ferenz soeben gerathen hatte, die deutschen Mächte möchten sich über die Handelsfrage nachträglich verständigen!***) Also von beiden Kaisermächten
*) Protokoll der Wiener Conferenz vom 6. Nov. 1846.
**) Graf Arnim, Bericht an den König, 7. Nov. 1846, an Canitz, 10. Jan. 1847.
***) Rauch's Bericht an den König, 8. Jan. 1847. Nesselrode, Weisung an Meyen- dorff, 31. Dec. a. St. 1846.
Wiener Vertrag. Einverleibung Krakaus.
wieder mit der öſterreichiſchen Monarchie vereinigt werden ſollte.*) Wenige Tage nachher verkündigte Kaiſer Ferdinand öffentlich die Beſitzergreifung und im Januar wurde das k. k. Mauthſyſtem im Krakauer Gebiete eingeführt. Die preußiſche Regierung war plump überliſtet und ſah ſich zudem dem ge- rechten Vorwurfe ausgeſetzt, daß ſie die Intereſſen ihres Landes thöricht preisgegeben hätte.
Die einzig mögliche Antwort auf ein ſo unerhörtes Verfahren war die Abberufung des pflichtvergeſſenen Geſandten. An Arnim’s nichtige Unterſchrift brauchte ſich die Krone nicht zu binden; freilich hatte ſie ihre ſchärfſte Waffe ſchon ſelbſt aus der Hand gegeben, da ihre Truppen im Sommer aus Krakau abgezogen waren. Der König aber fand es unritter- lich, die Zwietracht im Lager der Oſtmächte vor aller Welt zu bekunden, eben jetzt da die geſammte öffentliche Meinung Weſteuropas über die neue Theilung Polens zürnte. Graf Arnim blieb, ſtreng getadelt, auf ſeinem Poſten; er bat flehentlich um Verzeihung und ſuchte ſich zu entſchuldigen, indem er alle die Märchen über den Krakauer Handel, die ihm die Oeſter- reicher vortrugen, gedankenlos nachſprach. Man ſagt mir nach, ſo ſchrieb er gemüthsruhig, daß Metternich mich in der Taſche hätte; das hat man aber auch von allen früheren preußiſchen Geſandten hier behauptet.**) Er erhielt Befehl, ſofort Verwahrung einzulegen und ſich weitere Anträge vor- zubehalten. Aber die Unterſchrift wurde nicht zurückgezogen, das Wiener Protokoll beſtand mithin zu Recht. Das Spiel war verloren; verſpätete Beſchwerden konnten nur zu neuen Beſchämungen führen. Als bewährter Diplomat war Canitz anfangs mit großen Hoffnungen begrüßt worden; jetzt zeigte ſich doch, daß der König auch diesmal nicht den rechten Mann gefunden hatte. Der geiſtreiche Miniſter begann ſeine neue Laufbahn mit einer ſchimpflichen Niederlage, und während ſeiner geſammten Thätigkeit im Auswärtigen Amte ſollte ihn das Unglück unabläſſig verfolgen.
Der Czar ſtand in dieſem Streite von vornherein auf Seiten Oeſter- reichs. Ihm lag allein an der Bändigung des Polenthums; was kümmer- ten ihn die Intereſſen der Volkswirthſchaft? Ich weiß es wohl, ſagte er zu Rauch, die preußiſchen wie die ruſſiſchen Unterthanen müſſen unter der Einverleibung leiden, aber Geldrückſichten gelten nichts neben der politiſchen Nothwendigkeit. „Bei ſeiner Freundſchaft“ beſchwor er den König, dieſen Zank nicht weiter zu treiben, die Eintracht der Oſtmächte nicht zu ſtören. Wie zum Hohne fügte er hinzu, Preußen hätte ſeine Forderungen früher durchſetzen ſollen — obgleich ſein eigener Geſandter auf der Wiener Con- ferenz ſoeben gerathen hatte, die deutſchen Mächte möchten ſich über die Handelsfrage nachträglich verſtändigen!***) Alſo von beiden Kaiſermächten
*) Protokoll der Wiener Conferenz vom 6. Nov. 1846.
**) Graf Arnim, Bericht an den König, 7. Nov. 1846, an Canitz, 10. Jan. 1847.
***) Rauch’s Bericht an den König, 8. Jan. 1847. Neſſelrode, Weiſung an Meyen- dorff, 31. Dec. a. St. 1846.
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Wiener Vertrag. Einverleibung Krakaus.
wieder mit der öſterreichiſchen Monarchie vereinigt werden ſollte. *) Wenige
Tage nachher verkündigte Kaiſer Ferdinand öffentlich die Beſitzergreifung und
im Januar wurde das k. k. Mauthſyſtem im Krakauer Gebiete eingeführt.
Die preußiſche Regierung war plump überliſtet und ſah ſich zudem dem ge-
rechten Vorwurfe ausgeſetzt, daß ſie die Intereſſen ihres Landes thöricht
preisgegeben hätte.
Die einzig mögliche Antwort auf ein ſo unerhörtes Verfahren war
die Abberufung des pflichtvergeſſenen Geſandten. An Arnim’s nichtige
Unterſchrift brauchte ſich die Krone nicht zu binden; freilich hatte ſie ihre
ſchärfſte Waffe ſchon ſelbſt aus der Hand gegeben, da ihre Truppen im
Sommer aus Krakau abgezogen waren. Der König aber fand es unritter-
lich, die Zwietracht im Lager der Oſtmächte vor aller Welt zu bekunden,
eben jetzt da die geſammte öffentliche Meinung Weſteuropas über die neue
Theilung Polens zürnte. Graf Arnim blieb, ſtreng getadelt, auf ſeinem
Poſten; er bat flehentlich um Verzeihung und ſuchte ſich zu entſchuldigen,
indem er alle die Märchen über den Krakauer Handel, die ihm die Oeſter-
reicher vortrugen, gedankenlos nachſprach. Man ſagt mir nach, ſo ſchrieb
er gemüthsruhig, daß Metternich mich in der Taſche hätte; das hat man
aber auch von allen früheren preußiſchen Geſandten hier behauptet. **) Er
erhielt Befehl, ſofort Verwahrung einzulegen und ſich weitere Anträge vor-
zubehalten. Aber die Unterſchrift wurde nicht zurückgezogen, das Wiener
Protokoll beſtand mithin zu Recht. Das Spiel war verloren; verſpätete
Beſchwerden konnten nur zu neuen Beſchämungen führen. Als bewährter
Diplomat war Canitz anfangs mit großen Hoffnungen begrüßt worden;
jetzt zeigte ſich doch, daß der König auch diesmal nicht den rechten Mann
gefunden hatte. Der geiſtreiche Miniſter begann ſeine neue Laufbahn mit
einer ſchimpflichen Niederlage, und während ſeiner geſammten Thätigkeit
im Auswärtigen Amte ſollte ihn das Unglück unabläſſig verfolgen.
Der Czar ſtand in dieſem Streite von vornherein auf Seiten Oeſter-
reichs. Ihm lag allein an der Bändigung des Polenthums; was kümmer-
ten ihn die Intereſſen der Volkswirthſchaft? Ich weiß es wohl, ſagte er
zu Rauch, die preußiſchen wie die ruſſiſchen Unterthanen müſſen unter der
Einverleibung leiden, aber Geldrückſichten gelten nichts neben der politiſchen
Nothwendigkeit. „Bei ſeiner Freundſchaft“ beſchwor er den König, dieſen
Zank nicht weiter zu treiben, die Eintracht der Oſtmächte nicht zu ſtören.
Wie zum Hohne fügte er hinzu, Preußen hätte ſeine Forderungen früher
durchſetzen ſollen — obgleich ſein eigener Geſandter auf der Wiener Con-
ferenz ſoeben gerathen hatte, die deutſchen Mächte möchten ſich über die
Handelsfrage nachträglich verſtändigen! ***) Alſo von beiden Kaiſermächten
*) Protokoll der Wiener Conferenz vom 6. Nov. 1846.
**) Graf Arnim, Bericht an den König, 7. Nov. 1846, an Canitz, 10. Jan. 1847.
***) Rauch’s Bericht an den König, 8. Jan. 1847. Neſſelrode, Weiſung an Meyen-
dorff, 31. Dec. a. St. 1846.
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Treitschke, Heinrich von: Deutsche Geschichte im Neunzehnten Jahrhundert. Bd. 5: Bis zur März-Revolution. Leipzig, 1894, S. 551. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/treitschke_geschichte05_1894/565>, abgerufen am 25.11.2024.
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