schnoberte. Auch in England bekundete sich eine gereizte, mißtrauische Stimmung, seit Palmerston (1846) wieder in das Auswärtige Amt ein- getreten war. Der Lord konnte seine Streitigkeiten mit Talleyrand nie vergessen, überall in der Welt witterte er Pariser Ränke, sogar das lang- same Anwachsen der französischen Seemacht schien ihm bedrohlich. Wie zornig klagte Bunsen, als die Mittelmeermacht Frankreich sich in ihrem Hafen Toulon einige neue Kriegsschiffe erbaute; er meinte, "es wäre eine Wohlthat für Europa, wenn England die Anmaßung der Bourbonen im Mittelmeere demüthigte!" An der mediterranischen Fremdherrschaft der Briten fand dieser Deutsch-Engländer nichts auszusetzen.*)
Das Bündniß der Westmächte wankte; um so lebhafter bewarb sich Guizot daher um das Wohlwollen des Wiener Hofes. Eifrig, und nicht immer würdevoll betheuerte er der Hofburg seine conservative Gesinnung: er wollte mit allen Mächten gemeinsam die Anarchie bekämpfen, in Italien die Revolution niederhalten, in Spanien die Monarchie wiederaufrichten; er bat dringend, man möge in Wien die Bedeutung der entente cordiale der Westmächte nicht mißverstehen, nicht die "reinen Monarchien" den constitutionellen feindlich gegenüberstellen. Nicht ohne Schadenfreude em- pfing Metternich solche beflissene Versicherungen, unter Freunden spottete er wohl: diese Westmächte nennen sich also selber unreine Monarchien!**) Gleichwohl fühlte er sich durch eine geheime Wahlverwandtschaft zu dem bekehrten französischen Doctrinär hingezogen, das alternde Julikönigthum wurde dem österreichischen Regierungssysteme immer ähnlicher. Ganz so tugendstolz wie Metternich nannte Guizot seine Politik des Widerstandes une politique un peu grande seulement, und ganz so starr wie dieser behauptete er seine pensee immuable. Erhaltung des Bestehenden -- so lautete der Wahlspruch in den Tuilerien wie in der Hofburg, und bald wußte Jedermann in der diplomatischen Welt, daß Metternich das einst verabscheute Bürgerkönigthum jetzt als eine Stütze der europäischen Ord- nung behutsam zu schonen suchte.
Derweil Oesterreich und Frankreich also einander näher traten, be- mühte sich Czar Nikolaus die neue Freundschaft mit England zu befestigen. Wohl war er entschlossen, das sogenannte legitime Recht auch in Oester- reich zu vertheidigen; und niemals beirrte ihn die naheliegende Frage, ob er nicht die nationalen Gegensätze des Nachbarreichs für panslavistische Zwecke ausbeuten solle. Als ihm Metternich (1837) die Möglichkeit einer un- garischen Revolution vertraulich vorstellen ließ, da befahl er seinem Kanzler: "Danken Sie dem Grafen Ficquelmont für diese wichtige Mittheilung. Ich bitte Gott, daß er Oesterreich die Prüfung, die sich vorbereitet, ersparen möge. Ich hoffe, die Maßregeln sind gut getroffen, aber in jedem Falle
*) Bunsen's Bericht, 18. Febr. 1847.
**) Guizot an Flahault, April 1844. Canitz's Bericht, 20. April 1844.
V. 7. Polen und Schleswigholſtein.
ſchnoberte. Auch in England bekundete ſich eine gereizte, mißtrauiſche Stimmung, ſeit Palmerſton (1846) wieder in das Auswärtige Amt ein- getreten war. Der Lord konnte ſeine Streitigkeiten mit Talleyrand nie vergeſſen, überall in der Welt witterte er Pariſer Ränke, ſogar das lang- ſame Anwachſen der franzöſiſchen Seemacht ſchien ihm bedrohlich. Wie zornig klagte Bunſen, als die Mittelmeermacht Frankreich ſich in ihrem Hafen Toulon einige neue Kriegsſchiffe erbaute; er meinte, „es wäre eine Wohlthat für Europa, wenn England die Anmaßung der Bourbonen im Mittelmeere demüthigte!“ An der mediterraniſchen Fremdherrſchaft der Briten fand dieſer Deutſch-Engländer nichts auszuſetzen.*)
Das Bündniß der Weſtmächte wankte; um ſo lebhafter bewarb ſich Guizot daher um das Wohlwollen des Wiener Hofes. Eifrig, und nicht immer würdevoll betheuerte er der Hofburg ſeine conſervative Geſinnung: er wollte mit allen Mächten gemeinſam die Anarchie bekämpfen, in Italien die Revolution niederhalten, in Spanien die Monarchie wiederaufrichten; er bat dringend, man möge in Wien die Bedeutung der entente cordiale der Weſtmächte nicht mißverſtehen, nicht die „reinen Monarchien“ den conſtitutionellen feindlich gegenüberſtellen. Nicht ohne Schadenfreude em- pfing Metternich ſolche befliſſene Verſicherungen, unter Freunden ſpottete er wohl: dieſe Weſtmächte nennen ſich alſo ſelber unreine Monarchien!**) Gleichwohl fühlte er ſich durch eine geheime Wahlverwandtſchaft zu dem bekehrten franzöſiſchen Doctrinär hingezogen, das alternde Julikönigthum wurde dem öſterreichiſchen Regierungsſyſteme immer ähnlicher. Ganz ſo tugendſtolz wie Metternich nannte Guizot ſeine Politik des Widerſtandes une politique un peu grande seulement, und ganz ſo ſtarr wie dieſer behauptete er ſeine pensée immuable. Erhaltung des Beſtehenden — ſo lautete der Wahlſpruch in den Tuilerien wie in der Hofburg, und bald wußte Jedermann in der diplomatiſchen Welt, daß Metternich das einſt verabſcheute Bürgerkönigthum jetzt als eine Stütze der europäiſchen Ord- nung behutſam zu ſchonen ſuchte.
Derweil Oeſterreich und Frankreich alſo einander näher traten, be- mühte ſich Czar Nikolaus die neue Freundſchaft mit England zu befeſtigen. Wohl war er entſchloſſen, das ſogenannte legitime Recht auch in Oeſter- reich zu vertheidigen; und niemals beirrte ihn die naheliegende Frage, ob er nicht die nationalen Gegenſätze des Nachbarreichs für panſlaviſtiſche Zwecke ausbeuten ſolle. Als ihm Metternich (1837) die Möglichkeit einer un- gariſchen Revolution vertraulich vorſtellen ließ, da befahl er ſeinem Kanzler: „Danken Sie dem Grafen Ficquelmont für dieſe wichtige Mittheilung. Ich bitte Gott, daß er Oeſterreich die Prüfung, die ſich vorbereitet, erſparen möge. Ich hoffe, die Maßregeln ſind gut getroffen, aber in jedem Falle
*) Bunſen’s Bericht, 18. Febr. 1847.
**) Guizot an Flahault, April 1844. Canitz’s Bericht, 20. April 1844.
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Stimmung, ſeit Palmerſton (1846) wieder in das Auswärtige Amt ein-
getreten war. Der Lord konnte ſeine Streitigkeiten mit Talleyrand nie
vergeſſen, überall in der Welt witterte er Pariſer Ränke, ſogar das lang-
ſame Anwachſen der franzöſiſchen Seemacht ſchien ihm bedrohlich. Wie
zornig klagte Bunſen, als die Mittelmeermacht Frankreich ſich in ihrem
Hafen Toulon einige neue Kriegsſchiffe erbaute; er meinte, „es wäre eine
Wohlthat für Europa, wenn England die Anmaßung der Bourbonen im
Mittelmeere demüthigte!“ An der mediterraniſchen Fremdherrſchaft der
Briten fand dieſer Deutſch-Engländer nichts auszuſetzen. *)
Das Bündniß der Weſtmächte wankte; um ſo lebhafter bewarb ſich
Guizot daher um das Wohlwollen des Wiener Hofes. Eifrig, und nicht
immer würdevoll betheuerte er der Hofburg ſeine conſervative Geſinnung:
er wollte mit allen Mächten gemeinſam die Anarchie bekämpfen, in Italien
die Revolution niederhalten, in Spanien die Monarchie wiederaufrichten;
er bat dringend, man möge in Wien die Bedeutung der entente cordiale
der Weſtmächte nicht mißverſtehen, nicht die „reinen Monarchien“ den
conſtitutionellen feindlich gegenüberſtellen. Nicht ohne Schadenfreude em-
pfing Metternich ſolche befliſſene Verſicherungen, unter Freunden ſpottete
er wohl: dieſe Weſtmächte nennen ſich alſo ſelber unreine Monarchien! **)
Gleichwohl fühlte er ſich durch eine geheime Wahlverwandtſchaft zu dem
bekehrten franzöſiſchen Doctrinär hingezogen, das alternde Julikönigthum
wurde dem öſterreichiſchen Regierungsſyſteme immer ähnlicher. Ganz ſo
tugendſtolz wie Metternich nannte Guizot ſeine Politik des Widerſtandes
une politique un peu grande seulement, und ganz ſo ſtarr wie dieſer
behauptete er ſeine pensée immuable. Erhaltung des Beſtehenden —
ſo lautete der Wahlſpruch in den Tuilerien wie in der Hofburg, und bald
wußte Jedermann in der diplomatiſchen Welt, daß Metternich das einſt
verabſcheute Bürgerkönigthum jetzt als eine Stütze der europäiſchen Ord-
nung behutſam zu ſchonen ſuchte.
Derweil Oeſterreich und Frankreich alſo einander näher traten, be-
mühte ſich Czar Nikolaus die neue Freundſchaft mit England zu befeſtigen.
Wohl war er entſchloſſen, das ſogenannte legitime Recht auch in Oeſter-
reich zu vertheidigen; und niemals beirrte ihn die naheliegende Frage, ob er
nicht die nationalen Gegenſätze des Nachbarreichs für panſlaviſtiſche Zwecke
ausbeuten ſolle. Als ihm Metternich (1837) die Möglichkeit einer un-
gariſchen Revolution vertraulich vorſtellen ließ, da befahl er ſeinem Kanzler:
„Danken Sie dem Grafen Ficquelmont für dieſe wichtige Mittheilung. Ich
bitte Gott, daß er Oeſterreich die Prüfung, die ſich vorbereitet, erſparen
möge. Ich hoffe, die Maßregeln ſind gut getroffen, aber in jedem Falle
*) Bunſen’s Bericht, 18. Febr. 1847.
**) Guizot an Flahault, April 1844. Canitz’s Bericht, 20. April 1844.
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Treitschke, Heinrich von: Deutsche Geschichte im Neunzehnten Jahrhundert. Bd. 5: Bis zur März-Revolution. Leipzig, 1894, S. 526. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/treitschke_geschichte05_1894/540>, abgerufen am 25.11.2024.
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