nach natürlicher Kraft, nach lebendigem Können und fühlten sich beleidigt, wenn ihnen die künstlerische Idee formlos entgegentrat.
Zu so ungünstiger Zeit betrat Cornelius den feindlichen Boden Berlins. Sein Abgang war für München ein unersetzlicher Verlust. Mochte auch der grollende Wittelsbacher trotzig sagen: "ich, ich der König bin die Kunst in München" -- es ergab sich doch bald, daß fast allein die herrische Persönlichkeit des großen Malers die Künstlergemeinde zusammengehalten hatte. Bald nach ihm verließen mehrere andere nam- hafte Künstler die Isarstadt; Zersplitterung und Mißmuth zeigten sich überall; und es währte sehr lange, bis die Münchener Künstler das stolze Gefühl einer großen historischen Bestimmung, das Cornelius ihnen er- weckt hatte, einigermaßen wiederfanden. Aber auch der Meister selbst erlebte schmerzliche Enttäuschungen, bald nachdem er beim Scheiden den Gegnern stolz zugerufen hatte:
Ich eile auf dem Hippogryph davon. Melkt nur die Kuh! Ich gönn' Euch das Vergnügen.
Gleich das erste Werk, mit dem er sich in seinem neuen Wohnsitz einführte, das abscheulich gemalte Oelbild: Christus in der Vorhölle be- fremdete die Berliner, die an monumentale Malerei noch nicht gewöhnt waren und sich eben jetzt für die neuen belgischen Coloristen begeisterten. Als sodann jüngere Künstler unter seiner Oberleitung die Schinkel'schen Fresken in der Vorhalle des Museums ausmalten, da konnten auch Unbe- fangene die Schwächen dieser in Ideen und theoretischen Programmen schwel- genden Kunstweise nicht mehr ableugnen. Die hochpoetischen Bilder der aus dem Chaos aufsteigenden Weltkräfte, der dem Himmelslichte zustrebenden hellenischen Cultur, wie entstellt erschienen sie hier durch grobe Verzeichnungen und falsche Farben; wo war hier jener entsagende Künstlerfleiß, den einst der ungestüme Michel Angelo bethätigt hatte, als er die gewaltige Decke der sixtinischen Capelle geduldig mit eigenen Händen malte? Wahre Freude konnte das tiefsinnige Werk nur dann erregen, wenn einmal Abends bei festlicher Beleuchtung der prächtige Farbenteppich zwischen den hohen Säulen phantastisch herausstrahlte und die Mängel der einzelnen Ge- stalten in dem unsicheren Lichte verschwanden. Unterdessen zeichnete Cor- nelius an den Cartons für den nie vollendeten Campo Santo und be- schämte seine Neider, indem er rastlos wie ein Jüngling an sich selber arbeitend, auch die Formen immer sicherer zu beherrschen lernte. So mächtig hatte sich sein Genius noch nie offenbart wie jetzt in der dämo- nischen, zermalmenden Furchtbarkeit der apokalyptischen Reiter oder in der Majestät des strafenden Erzengels auf den Trümmern Babels.
Die alten Getreuen in Rom und München jauchzten ihm zu so oft er ein Bruchstück seines großen Werks vor ihnen ausstellte. In Berlin blieben die Meinungen immer getheilt; und allerdings verstieg sich der Meister, als jede Hoffnung auf die malerische Vollendung seiner Entwürfe
Cornelius’ letzte Werke.
nach natürlicher Kraft, nach lebendigem Können und fühlten ſich beleidigt, wenn ihnen die künſtleriſche Idee formlos entgegentrat.
Zu ſo ungünſtiger Zeit betrat Cornelius den feindlichen Boden Berlins. Sein Abgang war für München ein unerſetzlicher Verluſt. Mochte auch der grollende Wittelsbacher trotzig ſagen: „ich, ich der König bin die Kunſt in München“ — es ergab ſich doch bald, daß faſt allein die herriſche Perſönlichkeit des großen Malers die Künſtlergemeinde zuſammengehalten hatte. Bald nach ihm verließen mehrere andere nam- hafte Künſtler die Iſarſtadt; Zerſplitterung und Mißmuth zeigten ſich überall; und es währte ſehr lange, bis die Münchener Künſtler das ſtolze Gefühl einer großen hiſtoriſchen Beſtimmung, das Cornelius ihnen er- weckt hatte, einigermaßen wiederfanden. Aber auch der Meiſter ſelbſt erlebte ſchmerzliche Enttäuſchungen, bald nachdem er beim Scheiden den Gegnern ſtolz zugerufen hatte:
Ich eile auf dem Hippogryph davon. Melkt nur die Kuh! Ich gönn’ Euch das Vergnügen.
Gleich das erſte Werk, mit dem er ſich in ſeinem neuen Wohnſitz einführte, das abſcheulich gemalte Oelbild: Chriſtus in der Vorhölle be- fremdete die Berliner, die an monumentale Malerei noch nicht gewöhnt waren und ſich eben jetzt für die neuen belgiſchen Coloriſten begeiſterten. Als ſodann jüngere Künſtler unter ſeiner Oberleitung die Schinkel’ſchen Fresken in der Vorhalle des Muſeums ausmalten, da konnten auch Unbe- fangene die Schwächen dieſer in Ideen und theoretiſchen Programmen ſchwel- genden Kunſtweiſe nicht mehr ableugnen. Die hochpoetiſchen Bilder der aus dem Chaos aufſteigenden Weltkräfte, der dem Himmelslichte zuſtrebenden helleniſchen Cultur, wie entſtellt erſchienen ſie hier durch grobe Verzeichnungen und falſche Farben; wo war hier jener entſagende Künſtlerfleiß, den einſt der ungeſtüme Michel Angelo bethätigt hatte, als er die gewaltige Decke der ſixtiniſchen Capelle geduldig mit eigenen Händen malte? Wahre Freude konnte das tiefſinnige Werk nur dann erregen, wenn einmal Abends bei feſtlicher Beleuchtung der prächtige Farbenteppich zwiſchen den hohen Säulen phantaſtiſch herausſtrahlte und die Mängel der einzelnen Ge- ſtalten in dem unſicheren Lichte verſchwanden. Unterdeſſen zeichnete Cor- nelius an den Cartons für den nie vollendeten Campo Santo und be- ſchämte ſeine Neider, indem er raſtlos wie ein Jüngling an ſich ſelber arbeitend, auch die Formen immer ſicherer zu beherrſchen lernte. So mächtig hatte ſich ſein Genius noch nie offenbart wie jetzt in der dämo- niſchen, zermalmenden Furchtbarkeit der apokalyptiſchen Reiter oder in der Majeſtät des ſtrafenden Erzengels auf den Trümmern Babels.
Die alten Getreuen in Rom und München jauchzten ihm zu ſo oft er ein Bruchſtück ſeines großen Werks vor ihnen ausſtellte. In Berlin blieben die Meinungen immer getheilt; und allerdings verſtieg ſich der Meiſter, als jede Hoffnung auf die maleriſche Vollendung ſeiner Entwürfe
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Cornelius’ letzte Werke.
nach natürlicher Kraft, nach lebendigem Können und fühlten ſich beleidigt,
wenn ihnen die künſtleriſche Idee formlos entgegentrat.
Zu ſo ungünſtiger Zeit betrat Cornelius den feindlichen Boden
Berlins. Sein Abgang war für München ein unerſetzlicher Verluſt.
Mochte auch der grollende Wittelsbacher trotzig ſagen: „ich, ich der
König bin die Kunſt in München“ — es ergab ſich doch bald, daß faſt
allein die herriſche Perſönlichkeit des großen Malers die Künſtlergemeinde
zuſammengehalten hatte. Bald nach ihm verließen mehrere andere nam-
hafte Künſtler die Iſarſtadt; Zerſplitterung und Mißmuth zeigten ſich
überall; und es währte ſehr lange, bis die Münchener Künſtler das ſtolze
Gefühl einer großen hiſtoriſchen Beſtimmung, das Cornelius ihnen er-
weckt hatte, einigermaßen wiederfanden. Aber auch der Meiſter ſelbſt
erlebte ſchmerzliche Enttäuſchungen, bald nachdem er beim Scheiden den
Gegnern ſtolz zugerufen hatte:
Ich eile auf dem Hippogryph davon.
Melkt nur die Kuh! Ich gönn’ Euch das Vergnügen.
Gleich das erſte Werk, mit dem er ſich in ſeinem neuen Wohnſitz
einführte, das abſcheulich gemalte Oelbild: Chriſtus in der Vorhölle be-
fremdete die Berliner, die an monumentale Malerei noch nicht gewöhnt
waren und ſich eben jetzt für die neuen belgiſchen Coloriſten begeiſterten.
Als ſodann jüngere Künſtler unter ſeiner Oberleitung die Schinkel’ſchen
Fresken in der Vorhalle des Muſeums ausmalten, da konnten auch Unbe-
fangene die Schwächen dieſer in Ideen und theoretiſchen Programmen ſchwel-
genden Kunſtweiſe nicht mehr ableugnen. Die hochpoetiſchen Bilder der aus
dem Chaos aufſteigenden Weltkräfte, der dem Himmelslichte zuſtrebenden
helleniſchen Cultur, wie entſtellt erſchienen ſie hier durch grobe Verzeichnungen
und falſche Farben; wo war hier jener entſagende Künſtlerfleiß, den einſt
der ungeſtüme Michel Angelo bethätigt hatte, als er die gewaltige Decke
der ſixtiniſchen Capelle geduldig mit eigenen Händen malte? Wahre Freude
konnte das tiefſinnige Werk nur dann erregen, wenn einmal Abends bei
feſtlicher Beleuchtung der prächtige Farbenteppich zwiſchen den hohen
Säulen phantaſtiſch herausſtrahlte und die Mängel der einzelnen Ge-
ſtalten in dem unſicheren Lichte verſchwanden. Unterdeſſen zeichnete Cor-
nelius an den Cartons für den nie vollendeten Campo Santo und be-
ſchämte ſeine Neider, indem er raſtlos wie ein Jüngling an ſich ſelber
arbeitend, auch die Formen immer ſicherer zu beherrſchen lernte. So
mächtig hatte ſich ſein Genius noch nie offenbart wie jetzt in der dämo-
niſchen, zermalmenden Furchtbarkeit der apokalyptiſchen Reiter oder in der
Majeſtät des ſtrafenden Erzengels auf den Trümmern Babels.
Die alten Getreuen in Rom und München jauchzten ihm zu ſo oft
er ein Bruchſtück ſeines großen Werks vor ihnen ausſtellte. In Berlin
blieben die Meinungen immer getheilt; und allerdings verſtieg ſich der
Meiſter, als jede Hoffnung auf die maleriſche Vollendung ſeiner Entwürfe
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Treitschke, Heinrich von: Deutsche Geschichte im Neunzehnten Jahrhundert. Bd. 5: Bis zur März-Revolution. Leipzig, 1894, S. 397. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/treitschke_geschichte05_1894/411>, abgerufen am 22.11.2024.
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