tischen Aufsätze zu dem sprudelnden Witze, der gewinnenden Munterkeit des liebenswürdigen Gesellschafters. Einige Spuren von diesem Dualismus altromantischer Ironie zeigten sich auch in dem Charakter des jüngsten Bruders, des Predigers Otto. Der waltete seines schweren Seelsorger- amtes unter den Berliner Armen mit apostolischer Hingebung, glaubens- froh, bibelfest, ein unermüdlicher Tröster und Erbarmer.*) Zweimal trotzte er der angedrohten Amtsentsetzung, weil er leichtfertig Geschiedene nicht wieder trauen wollte. Und doch geschah es zuweilen zum Entsetzen der Stillen im Lande, daß er auf der Kanzel schöne Stellen aus Shake- speare vortrug; so seltsam vermischten sich in diesem geistreichen romanti- schen Kreise die religiösen und die ästhetischen Ideale.
Am liebsten unter den drei Brüdern war dem Monarchen der älteste, der General Leopold. Er wurde schon aus seiner Provinzial-Garnison öfters an das Hoflager gerufen, dann nach Berlin zurückversetzt und dort bei allen wichtigen Entschließungen zu Rathe gezogen; doch täuschte er sich nicht über seinen Einfluß und gestand offen, keiner der persönlichen Günstlinge des Königs besitze wirkliche Macht. Seine schönsten Erinne- rungen hafteten an dem schlesischen Hauptquartiere, dem er mit großer Auszeichnung angehört hatte;**) nachher war er lange Adjutant des jün- geren Prinzen Wilhelm, der ihm auch späterhin, als ihre politischen Wege sich trennten, stets aufrichtige Hochachtung bewahrte. Ganz und gar kein Höfling, gab er selbst dem gefürchteten Czaren zur rechten Zeit eine derbe preußische Antwort; das knechtische Wesen und der schablonenhafte Ord- nungssinn der Moskowiter blieb ihm tief widerwärtig, obgleich er sie für Preußens natürliche Verbündete hielt. Das eigenthümliche Selbstgefühl des Romantikers erging sich gern in kühnen Paradoxen, Napoleon nannte er einen gutmüthigen, übrigens etwas dummen Kerl. In seinen politischen Ansichten ging der grundgescheidte, vielseitig gebildete Offizier fast noch weiter als sein Bruder Ludwig; unauslöschlichen Haß widmete er dem Despotismus der Miethlings-Officianten, zu denen er doch eigentlich selbst gehörte. An Gottes unmittelbare Einwirkung auf die gekrönten Häupter glaubte er fest und sagte streng: Prätendenten die der Allmächtige selbst aus ihrem hohen Amte gestrichen hat, gehören ins Feldlager oder ins Kloster, nicht in den Strudel höfischer Genüsse. Indeß war auch er in der Kritik stärker als in eigenen politischen Gedanken.
Eine mächtige Stütze fanden die Brüder an Ludwig's Schwager, dem Freiherrn Senfft v. Pilsach auf Gramenz, der im Hausministerium angestellt, auf den Domänen, mit erheblichen Kosten aber nur selten mit Erfolg, großartige Entwässerungspläne ausführte. Ueber seine politische Wirksamkeit enthalten die amtlichen Papiere fast gar nichts. Gleichwohl
*) S. o. IV. 495.
**) S. o. I. 477.
V. 1. Die frohen Tage der Erwartung.
tiſchen Aufſätze zu dem ſprudelnden Witze, der gewinnenden Munterkeit des liebenswürdigen Geſellſchafters. Einige Spuren von dieſem Dualismus altromantiſcher Ironie zeigten ſich auch in dem Charakter des jüngſten Bruders, des Predigers Otto. Der waltete ſeines ſchweren Seelſorger- amtes unter den Berliner Armen mit apoſtoliſcher Hingebung, glaubens- froh, bibelfeſt, ein unermüdlicher Tröſter und Erbarmer.*) Zweimal trotzte er der angedrohten Amtsentſetzung, weil er leichtfertig Geſchiedene nicht wieder trauen wollte. Und doch geſchah es zuweilen zum Entſetzen der Stillen im Lande, daß er auf der Kanzel ſchöne Stellen aus Shake- ſpeare vortrug; ſo ſeltſam vermiſchten ſich in dieſem geiſtreichen romanti- ſchen Kreiſe die religiöſen und die äſthetiſchen Ideale.
Am liebſten unter den drei Brüdern war dem Monarchen der älteſte, der General Leopold. Er wurde ſchon aus ſeiner Provinzial-Garniſon öfters an das Hoflager gerufen, dann nach Berlin zurückverſetzt und dort bei allen wichtigen Entſchließungen zu Rathe gezogen; doch täuſchte er ſich nicht über ſeinen Einfluß und geſtand offen, keiner der perſönlichen Günſtlinge des Königs beſitze wirkliche Macht. Seine ſchönſten Erinne- rungen hafteten an dem ſchleſiſchen Hauptquartiere, dem er mit großer Auszeichnung angehört hatte;**) nachher war er lange Adjutant des jün- geren Prinzen Wilhelm, der ihm auch ſpäterhin, als ihre politiſchen Wege ſich trennten, ſtets aufrichtige Hochachtung bewahrte. Ganz und gar kein Höfling, gab er ſelbſt dem gefürchteten Czaren zur rechten Zeit eine derbe preußiſche Antwort; das knechtiſche Weſen und der ſchablonenhafte Ord- nungsſinn der Moskowiter blieb ihm tief widerwärtig, obgleich er ſie für Preußens natürliche Verbündete hielt. Das eigenthümliche Selbſtgefühl des Romantikers erging ſich gern in kühnen Paradoxen, Napoleon nannte er einen gutmüthigen, übrigens etwas dummen Kerl. In ſeinen politiſchen Anſichten ging der grundgeſcheidte, vielſeitig gebildete Offizier faſt noch weiter als ſein Bruder Ludwig; unauslöſchlichen Haß widmete er dem Despotismus der Miethlings-Officianten, zu denen er doch eigentlich ſelbſt gehörte. An Gottes unmittelbare Einwirkung auf die gekrönten Häupter glaubte er feſt und ſagte ſtreng: Prätendenten die der Allmächtige ſelbſt aus ihrem hohen Amte geſtrichen hat, gehören ins Feldlager oder ins Kloſter, nicht in den Strudel höfiſcher Genüſſe. Indeß war auch er in der Kritik ſtärker als in eigenen politiſchen Gedanken.
Eine mächtige Stütze fanden die Brüder an Ludwig’s Schwager, dem Freiherrn Senfft v. Pilſach auf Gramenz, der im Hausminiſterium angeſtellt, auf den Domänen, mit erheblichen Koſten aber nur ſelten mit Erfolg, großartige Entwäſſerungspläne ausführte. Ueber ſeine politiſche Wirkſamkeit enthalten die amtlichen Papiere faſt gar nichts. Gleichwohl
*) S. o. IV. 495.
**) S. o. I. 477.
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V. 1. Die frohen Tage der Erwartung.
tiſchen Aufſätze zu dem ſprudelnden Witze, der gewinnenden Munterkeit des
liebenswürdigen Geſellſchafters. Einige Spuren von dieſem Dualismus
altromantiſcher Ironie zeigten ſich auch in dem Charakter des jüngſten
Bruders, des Predigers Otto. Der waltete ſeines ſchweren Seelſorger-
amtes unter den Berliner Armen mit apoſtoliſcher Hingebung, glaubens-
froh, bibelfeſt, ein unermüdlicher Tröſter und Erbarmer. *) Zweimal
trotzte er der angedrohten Amtsentſetzung, weil er leichtfertig Geſchiedene
nicht wieder trauen wollte. Und doch geſchah es zuweilen zum Entſetzen
der Stillen im Lande, daß er auf der Kanzel ſchöne Stellen aus Shake-
ſpeare vortrug; ſo ſeltſam vermiſchten ſich in dieſem geiſtreichen romanti-
ſchen Kreiſe die religiöſen und die äſthetiſchen Ideale.
Am liebſten unter den drei Brüdern war dem Monarchen der älteſte,
der General Leopold. Er wurde ſchon aus ſeiner Provinzial-Garniſon
öfters an das Hoflager gerufen, dann nach Berlin zurückverſetzt und dort
bei allen wichtigen Entſchließungen zu Rathe gezogen; doch täuſchte er
ſich nicht über ſeinen Einfluß und geſtand offen, keiner der perſönlichen
Günſtlinge des Königs beſitze wirkliche Macht. Seine ſchönſten Erinne-
rungen hafteten an dem ſchleſiſchen Hauptquartiere, dem er mit großer
Auszeichnung angehört hatte; **) nachher war er lange Adjutant des jün-
geren Prinzen Wilhelm, der ihm auch ſpäterhin, als ihre politiſchen Wege
ſich trennten, ſtets aufrichtige Hochachtung bewahrte. Ganz und gar kein
Höfling, gab er ſelbſt dem gefürchteten Czaren zur rechten Zeit eine derbe
preußiſche Antwort; das knechtiſche Weſen und der ſchablonenhafte Ord-
nungsſinn der Moskowiter blieb ihm tief widerwärtig, obgleich er ſie für
Preußens natürliche Verbündete hielt. Das eigenthümliche Selbſtgefühl des
Romantikers erging ſich gern in kühnen Paradoxen, Napoleon nannte er
einen gutmüthigen, übrigens etwas dummen Kerl. In ſeinen politiſchen
Anſichten ging der grundgeſcheidte, vielſeitig gebildete Offizier faſt noch
weiter als ſein Bruder Ludwig; unauslöſchlichen Haß widmete er dem
Despotismus der Miethlings-Officianten, zu denen er doch eigentlich ſelbſt
gehörte. An Gottes unmittelbare Einwirkung auf die gekrönten Häupter
glaubte er feſt und ſagte ſtreng: Prätendenten die der Allmächtige ſelbſt
aus ihrem hohen Amte geſtrichen hat, gehören ins Feldlager oder ins
Kloſter, nicht in den Strudel höfiſcher Genüſſe. Indeß war auch er in
der Kritik ſtärker als in eigenen politiſchen Gedanken.
Eine mächtige Stütze fanden die Brüder an Ludwig’s Schwager,
dem Freiherrn Senfft v. Pilſach auf Gramenz, der im Hausminiſterium
angeſtellt, auf den Domänen, mit erheblichen Koſten aber nur ſelten mit
Erfolg, großartige Entwäſſerungspläne ausführte. Ueber ſeine politiſche
Wirkſamkeit enthalten die amtlichen Papiere faſt gar nichts. Gleichwohl
*) S. o. IV. 495.
**) S. o. I. 477.
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Treitschke, Heinrich von: Deutsche Geschichte im Neunzehnten Jahrhundert. Bd. 5: Bis zur März-Revolution. Leipzig, 1894, S. 26. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/treitschke_geschichte05_1894/40>, abgerufen am 24.11.2024.
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