als Redner auf der Kanzel wie im Ständesaale. Er hatte schon 1839, sehr zur rechten Zeit, den Jesuitenspiegel herausgegeben, eine gemeinver- ständliche Darstellung der moralischen Casuistik der Gesellschaft Jesu, und damit die Ultramontanen schwer gereizt, weil sein Büchlein durchweg aus un- anfechtbaren Quellen geschöpft war. Nun versuchten die beiden protestan- tischen Generalsynoden von Ansbach-Baireuth mehrmals, die Beschwerden ihrer Kirche vor den Thron zu bringen. Abel bestritt ihnen das Recht dazu und ließ, wieder ganz willkürlich, durch die königlichen Commissäre solche Verhandlungen verbieten. Da traten die Synodalen als Einzelne zusammen -- keiner von allen schloß sich aus -- und sendeten ihre Bitt- schriften unmittelbar an den Monarchen.
Unterdessen währte der literarische Streit fort. Harleß, Thiersch und die anderen Vorkämpfer der Protestanten bewahrten, im Bewußtsein ihres guten Rechts, noch einige Mäßigung. Die Clericalen dagegen schlugen bald einen Ton an, wie er in den schwülen Zeiten vor dem dreißigjährigen Kriege üblich gewesen; sie behaupteten -- was aus dem Munde gläubiger Katholiken wie Hohn klang -- die Kniebeugung sei ja nur ein Gruß, eine Körper- bewegung, ohne Sinn so lange der Kniende sich nichts dabei denke. Durch pfäffische Gehässigkeit that sich namentlich J. Döllinger hervor, der erste Ge- lehrte der Münchener theologischen Facultät seit Möhler's Tode, ein scharf- sinniger und doch unfreier Geist, dessen mannichfache Häutungen damals noch Niemand ahnen konnte. Er sagte in seinen Streitschriften gegen Harleß: auch er hätte sich mit den Werken der Wittenberger Reformatoren beschäftigt, "doch niemals ohne jene geistigen Verwahrungs- und Absperrungsmittel vorzukehren, wie wir sie körperlich anzuwenden pflegen, wenn wir unsern Weg durch einen unsauberen Ort oder eine stinkende Pfütze nehmen müssen." Die evangelische Freiheit der Protestanten war ihm eitel Thor- heit; geringschätzig verspottete er ihre "arme Kirche", die sich vor dem Ueber- tritt der Minderjährigen fürchte, die nichts Festes anerkenne als Gottes Wort und, in unzählige Parteien zerspalten, das Ja und das Nein mit gleicher Zuversicht zu behaupten wisse. Nach diesem Federkriege und einigen heftigen Auftritten in der Kammer wurde Harleß plötzlich als Consistorialrath nach Baireuth versetzt, damit er sein Erlangen nicht mehr im Landtage vertreten könnte. Da man seine Vorstellungen nicht be- achtete, so verlangte er den Abschied und folgte einem Rufe nach Leipzig. Wohin sollte diese Parteiregierung noch gerathen, wenn sie Gegner wie Stahl und Harleß nicht mehr zu ertragen vermochte?
Der wachsende Unmuth der Franken zwang schließlich auch den con- servativsten aller bairischen Lutheraner, den Präsidenten des Münchener Oberconsistoriums K. Roth, auf den Kampfplatz hinauszutreten. Dieser geistvolle, tief gelehrte, ganz von der classischen Bildung seines Heimath- landes durchdrungene Schwabe hatte sich um die neue Blüthe der Er- langer Universität große Verdienste erworben und im fränkischen Schul-
V. 4. Die Parteiung in der Kirche.
als Redner auf der Kanzel wie im Ständeſaale. Er hatte ſchon 1839, ſehr zur rechten Zeit, den Jeſuitenſpiegel herausgegeben, eine gemeinver- ſtändliche Darſtellung der moraliſchen Caſuiſtik der Geſellſchaft Jeſu, und damit die Ultramontanen ſchwer gereizt, weil ſein Büchlein durchweg aus un- anfechtbaren Quellen geſchöpft war. Nun verſuchten die beiden proteſtan- tiſchen Generalſynoden von Ansbach-Baireuth mehrmals, die Beſchwerden ihrer Kirche vor den Thron zu bringen. Abel beſtritt ihnen das Recht dazu und ließ, wieder ganz willkürlich, durch die königlichen Commiſſäre ſolche Verhandlungen verbieten. Da traten die Synodalen als Einzelne zuſammen — keiner von allen ſchloß ſich aus — und ſendeten ihre Bitt- ſchriften unmittelbar an den Monarchen.
Unterdeſſen währte der literariſche Streit fort. Harleß, Thierſch und die anderen Vorkämpfer der Proteſtanten bewahrten, im Bewußtſein ihres guten Rechts, noch einige Mäßigung. Die Clericalen dagegen ſchlugen bald einen Ton an, wie er in den ſchwülen Zeiten vor dem dreißigjährigen Kriege üblich geweſen; ſie behaupteten — was aus dem Munde gläubiger Katholiken wie Hohn klang — die Kniebeugung ſei ja nur ein Gruß, eine Körper- bewegung, ohne Sinn ſo lange der Kniende ſich nichts dabei denke. Durch pfäffiſche Gehäſſigkeit that ſich namentlich J. Döllinger hervor, der erſte Ge- lehrte der Münchener theologiſchen Facultät ſeit Möhler’s Tode, ein ſcharf- ſinniger und doch unfreier Geiſt, deſſen mannichfache Häutungen damals noch Niemand ahnen konnte. Er ſagte in ſeinen Streitſchriften gegen Harleß: auch er hätte ſich mit den Werken der Wittenberger Reformatoren beſchäftigt, „doch niemals ohne jene geiſtigen Verwahrungs- und Abſperrungsmittel vorzukehren, wie wir ſie körperlich anzuwenden pflegen, wenn wir unſern Weg durch einen unſauberen Ort oder eine ſtinkende Pfütze nehmen müſſen.“ Die evangeliſche Freiheit der Proteſtanten war ihm eitel Thor- heit; geringſchätzig verſpottete er ihre „arme Kirche“, die ſich vor dem Ueber- tritt der Minderjährigen fürchte, die nichts Feſtes anerkenne als Gottes Wort und, in unzählige Parteien zerſpalten, das Ja und das Nein mit gleicher Zuverſicht zu behaupten wiſſe. Nach dieſem Federkriege und einigen heftigen Auftritten in der Kammer wurde Harleß plötzlich als Conſiſtorialrath nach Baireuth verſetzt, damit er ſein Erlangen nicht mehr im Landtage vertreten könnte. Da man ſeine Vorſtellungen nicht be- achtete, ſo verlangte er den Abſchied und folgte einem Rufe nach Leipzig. Wohin ſollte dieſe Parteiregierung noch gerathen, wenn ſie Gegner wie Stahl und Harleß nicht mehr zu ertragen vermochte?
Der wachſende Unmuth der Franken zwang ſchließlich auch den con- ſervativſten aller bairiſchen Lutheraner, den Präſidenten des Münchener Oberconſiſtoriums K. Roth, auf den Kampfplatz hinauszutreten. Dieſer geiſtvolle, tief gelehrte, ganz von der claſſiſchen Bildung ſeines Heimath- landes durchdrungene Schwabe hatte ſich um die neue Blüthe der Er- langer Univerſität große Verdienſte erworben und im fränkiſchen Schul-
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[320/0334]
V. 4. Die Parteiung in der Kirche.
als Redner auf der Kanzel wie im Ständeſaale. Er hatte ſchon 1839,
ſehr zur rechten Zeit, den Jeſuitenſpiegel herausgegeben, eine gemeinver-
ſtändliche Darſtellung der moraliſchen Caſuiſtik der Geſellſchaft Jeſu, und
damit die Ultramontanen ſchwer gereizt, weil ſein Büchlein durchweg aus un-
anfechtbaren Quellen geſchöpft war. Nun verſuchten die beiden proteſtan-
tiſchen Generalſynoden von Ansbach-Baireuth mehrmals, die Beſchwerden
ihrer Kirche vor den Thron zu bringen. Abel beſtritt ihnen das Recht
dazu und ließ, wieder ganz willkürlich, durch die königlichen Commiſſäre
ſolche Verhandlungen verbieten. Da traten die Synodalen als Einzelne
zuſammen — keiner von allen ſchloß ſich aus — und ſendeten ihre Bitt-
ſchriften unmittelbar an den Monarchen.
Unterdeſſen währte der literariſche Streit fort. Harleß, Thierſch und
die anderen Vorkämpfer der Proteſtanten bewahrten, im Bewußtſein ihres
guten Rechts, noch einige Mäßigung. Die Clericalen dagegen ſchlugen bald
einen Ton an, wie er in den ſchwülen Zeiten vor dem dreißigjährigen Kriege
üblich geweſen; ſie behaupteten — was aus dem Munde gläubiger Katholiken
wie Hohn klang — die Kniebeugung ſei ja nur ein Gruß, eine Körper-
bewegung, ohne Sinn ſo lange der Kniende ſich nichts dabei denke. Durch
pfäffiſche Gehäſſigkeit that ſich namentlich J. Döllinger hervor, der erſte Ge-
lehrte der Münchener theologiſchen Facultät ſeit Möhler’s Tode, ein ſcharf-
ſinniger und doch unfreier Geiſt, deſſen mannichfache Häutungen damals noch
Niemand ahnen konnte. Er ſagte in ſeinen Streitſchriften gegen Harleß:
auch er hätte ſich mit den Werken der Wittenberger Reformatoren beſchäftigt,
„doch niemals ohne jene geiſtigen Verwahrungs- und Abſperrungsmittel
vorzukehren, wie wir ſie körperlich anzuwenden pflegen, wenn wir unſern
Weg durch einen unſauberen Ort oder eine ſtinkende Pfütze nehmen
müſſen.“ Die evangeliſche Freiheit der Proteſtanten war ihm eitel Thor-
heit; geringſchätzig verſpottete er ihre „arme Kirche“, die ſich vor dem Ueber-
tritt der Minderjährigen fürchte, die nichts Feſtes anerkenne als Gottes
Wort und, in unzählige Parteien zerſpalten, das Ja und das Nein mit
gleicher Zuverſicht zu behaupten wiſſe. Nach dieſem Federkriege und
einigen heftigen Auftritten in der Kammer wurde Harleß plötzlich als
Conſiſtorialrath nach Baireuth verſetzt, damit er ſein Erlangen nicht mehr
im Landtage vertreten könnte. Da man ſeine Vorſtellungen nicht be-
achtete, ſo verlangte er den Abſchied und folgte einem Rufe nach Leipzig.
Wohin ſollte dieſe Parteiregierung noch gerathen, wenn ſie Gegner wie
Stahl und Harleß nicht mehr zu ertragen vermochte?
Der wachſende Unmuth der Franken zwang ſchließlich auch den con-
ſervativſten aller bairiſchen Lutheraner, den Präſidenten des Münchener
Oberconſiſtoriums K. Roth, auf den Kampfplatz hinauszutreten. Dieſer
geiſtvolle, tief gelehrte, ganz von der claſſiſchen Bildung ſeines Heimath-
landes durchdrungene Schwabe hatte ſich um die neue Blüthe der Er-
langer Univerſität große Verdienſte erworben und im fränkiſchen Schul-
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Treitschke, Heinrich von: Deutsche Geschichte im Neunzehnten Jahrhundert. Bd. 5: Bis zur März-Revolution. Leipzig, 1894, S. 320. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/treitschke_geschichte05_1894/334>, abgerufen am 22.11.2024.
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