Treitschke, Heinrich von: Deutsche Geschichte im Neunzehnten Jahrhundert. Bd. 5: Bis zur März-Revolution. Leipzig, 1894.V. 4. Die Parteiung in der Kirche. er wollte, wie er seinem Cultusminister von vornherein erklärte, umbeiden Kirchen Selbständigkeit zu gewähren, einerseits ein evangelisches Oberconsistorium bilden, andererseits die katholischen Bischöfe zu regel- mäßigen Conferenzen in Berlin versammeln; daneben sollten die kleinen laufenden Geschäfte der Kirchenpolitik durch die neue katholische Ministerial- abtheilung besorgt werden. Jenes Oberconsistorium kam aber, Dank den Parteikämpfen der evangelischen Kirche, in den nächsten Jahren noch nicht zu Stande; mithin konnte auch die Bischofsconferenz noch nicht berufen werden, das hätte die Protestanten zu tief beleidigt. So ergab sich denn fast von selbst, daß die anfangs der Bischofsconferenz zugedachten Be- fugnisse thatsächlich auf die katholische Abtheilung übergingen. Die Bischöfe behandelten diese Abtheilung als eine kirchliche Behörde, sie traten mit den katholischen Geheimen Räthen in vertraulichen Verkehr, sendeten ihnen Gutachten, Rathschläge, Weisungen, suchten die Pläne der Kirche unmittelbar im Ministerium selbst durchzusetzen. Dies geheime Treiben begann sofort, mit großer Dreistigkeit; denn schon während der ersten römischen Verhandlungen hatte Friedrich Wilhelm durch Graf Brühl die unglaubliche Zusicherung ertheilen lassen: er würde, wenn das Verhältniß zur Curie sich freundlich gestaltete, in die katholische Abtheilung nur solche Männer berufen, die sich des Vertrauens des Papstes erfreuten.*) Die Behörde also, welche die Hoheitsrechte der Krone Preußen gegenüber der Kirche zu wahren hatte, sollte aus Vertrauensmännern der römischen Curie bestehen! Harmloser hatte noch nie ein Staat seine Souveränität dem römischen Stuhle preisgegeben. Den Vorsitz erhielt Unterstaatssecretär v. Düesberg, ein Jugendfreund *) Brühl's Bericht, Rom 1. Sept. 1840. **) s. o. V. 38.
V. 4. Die Parteiung in der Kirche. er wollte, wie er ſeinem Cultusminiſter von vornherein erklärte, umbeiden Kirchen Selbſtändigkeit zu gewähren, einerſeits ein evangeliſches Oberconſiſtorium bilden, andererſeits die katholiſchen Biſchöfe zu regel- mäßigen Conferenzen in Berlin verſammeln; daneben ſollten die kleinen laufenden Geſchäfte der Kirchenpolitik durch die neue katholiſche Miniſterial- abtheilung beſorgt werden. Jenes Oberconſiſtorium kam aber, Dank den Parteikämpfen der evangeliſchen Kirche, in den nächſten Jahren noch nicht zu Stande; mithin konnte auch die Biſchofsconferenz noch nicht berufen werden, das hätte die Proteſtanten zu tief beleidigt. So ergab ſich denn faſt von ſelbſt, daß die anfangs der Biſchofsconferenz zugedachten Be- fugniſſe thatſächlich auf die katholiſche Abtheilung übergingen. Die Biſchöfe behandelten dieſe Abtheilung als eine kirchliche Behörde, ſie traten mit den katholiſchen Geheimen Räthen in vertraulichen Verkehr, ſendeten ihnen Gutachten, Rathſchläge, Weiſungen, ſuchten die Pläne der Kirche unmittelbar im Miniſterium ſelbſt durchzuſetzen. Dies geheime Treiben begann ſofort, mit großer Dreiſtigkeit; denn ſchon während der erſten römiſchen Verhandlungen hatte Friedrich Wilhelm durch Graf Brühl die unglaubliche Zuſicherung ertheilen laſſen: er würde, wenn das Verhältniß zur Curie ſich freundlich geſtaltete, in die katholiſche Abtheilung nur ſolche Männer berufen, die ſich des Vertrauens des Papſtes erfreuten.*) Die Behörde alſo, welche die Hoheitsrechte der Krone Preußen gegenüber der Kirche zu wahren hatte, ſollte aus Vertrauensmännern der römiſchen Curie beſtehen! Harmloſer hatte noch nie ein Staat ſeine Souveränität dem römiſchen Stuhle preisgegeben. Den Vorſitz erhielt Unterſtaatsſecretär v. Düesberg, ein Jugendfreund *) Brühl’s Bericht, Rom 1. Sept. 1840. **) ſ. o. V. 38.
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V. 4. Die Parteiung in der Kirche.
er wollte, wie er ſeinem Cultusminiſter von vornherein erklärte, um
beiden Kirchen Selbſtändigkeit zu gewähren, einerſeits ein evangeliſches
Oberconſiſtorium bilden, andererſeits die katholiſchen Biſchöfe zu regel-
mäßigen Conferenzen in Berlin verſammeln; daneben ſollten die kleinen
laufenden Geſchäfte der Kirchenpolitik durch die neue katholiſche Miniſterial-
abtheilung beſorgt werden. Jenes Oberconſiſtorium kam aber, Dank den
Parteikämpfen der evangeliſchen Kirche, in den nächſten Jahren noch nicht
zu Stande; mithin konnte auch die Biſchofsconferenz noch nicht berufen
werden, das hätte die Proteſtanten zu tief beleidigt. So ergab ſich denn
faſt von ſelbſt, daß die anfangs der Biſchofsconferenz zugedachten Be-
fugniſſe thatſächlich auf die katholiſche Abtheilung übergingen. Die Biſchöfe
behandelten dieſe Abtheilung als eine kirchliche Behörde, ſie traten mit
den katholiſchen Geheimen Räthen in vertraulichen Verkehr, ſendeten
ihnen Gutachten, Rathſchläge, Weiſungen, ſuchten die Pläne der Kirche
unmittelbar im Miniſterium ſelbſt durchzuſetzen. Dies geheime Treiben
begann ſofort, mit großer Dreiſtigkeit; denn ſchon während der erſten
römiſchen Verhandlungen hatte Friedrich Wilhelm durch Graf Brühl die
unglaubliche Zuſicherung ertheilen laſſen: er würde, wenn das Verhältniß
zur Curie ſich freundlich geſtaltete, in die katholiſche Abtheilung nur ſolche
Männer berufen, die ſich des Vertrauens des Papſtes erfreuten. *) Die
Behörde alſo, welche die Hoheitsrechte der Krone Preußen gegenüber der
Kirche zu wahren hatte, ſollte aus Vertrauensmännern der römiſchen Curie
beſtehen! Harmloſer hatte noch nie ein Staat ſeine Souveränität dem
römiſchen Stuhle preisgegeben.
Den Vorſitz erhielt Unterſtaatsſecretär v. Düesberg, ein Jugendfreund
und Waffengefährte des frommen Diepenbrock, alſo gut katholiſch, aber
nicht clerical geſinnt; er behielt ſein Amt jedoch nur kurze Zeit. Der
alte Schmedding, der ſich bei hochkirchlicher Geſinnung doch auch manche
gute Traditionen des altpreußiſchen Beamtenthums bewahrte, beſaß keinen
Einfluß. Die Seele der neuen Behörde war jener Weſtphale Aulicke, der
ſchon die Verhandlungen wegen Dunin’s Rückkehr geführt hatte, **) ein
erklärter Ultramontaner. Der fühlte ſich ſtolz als der berufene Ver-
treter der römiſchen Kirche und ſagte klagenden Geiſtlichen oft geradezu:
der Herr Biſchof erlaubt das nicht. Das katholiſche Schulweſen leitete
Cornelius’ Schwager, Geh. Rath Th. Brüggemann aus Weſtphalen, ein
ausgezeichneter Schulmann und treuer Patriot, beredt, geſchäftsgewandt,
hochgebildet. Er hatte ſich einſt zu den Hermeſianern gehalten und von
den rheiniſchen Ultramontanen manche Anfeindungen erfahren. Mit den
Jahren wendete er ſich gleich ſeinem großen Schwager ſtreng römiſchen
Anſchauungen zu; es genügte ihm bald nicht mehr, daß die katholiſchen
*) Brühl’s Bericht, Rom 1. Sept. 1840.
**) ſ. o. V. 38.
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