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Treitschke, Heinrich von: Deutsche Geschichte im Neunzehnten Jahrhundert. Bd. 5: Bis zur März-Revolution. Leipzig, 1894.

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Abschluß der Kölnischen Händel.
Nun ging die Verhandlung, die wieder dritthalb Monate gewährt hatte,
rasch zu Ende, und am 23. Sept. wurde die Ernennung Geissel's förmlich
verabredet, durch ein geheimes Uebereinkommen, das zugleich die früheren
Zusagen der preußischen Krone nochmals aufzählte. In Perugia ver-
abschiedete sich Brühl von dem Papste. Gregor weilte dort in den hei-
ligen Stätten Umbriens um ein Gelübde einzulösen; er dankte dem Könige
wie dem Unterhändler auf's Wärmste und pries sich glücklich, nun in
Frieden sterben können. *)

Der Münchener Hof, der von dem Arnoldi'schen Zwischenspiele erst
spät erfuhr, hatte sich mittlerweile eifrig bemüht den Bischof von Speier
zur Annahme des Coadjutor-Amtes zu bewegen. Geissel war mithin nicht
unvorbereitet, als er jetzt die Anfrage des heiligen Stuhls und gleich
darauf die Ernennung erhielt. Dann galt es noch das staatstreue Kölner
Domcapitel zu gewinnen, und dieser peinlichen Aufgabe mußte sich Bodel-
schwingh, damals noch Oberpräsident, unterziehen. Er fand die Mehr-
zahl der Domherren aufgebracht über die Umgehung ihres Wahlrechts,
und zugleich für die Zukunft schwer besorgt; denn sie fürchteten, nun-
mehr von einem jungen kräftigen Manne in Droste's Geiste beherrscht zu
werden. Nur mühsam konnte er sie beschwichtigen, indem er ihnen bewies,
daß die Circumscriptionsbulle zwar ein Staatsgesetz, aber zwischen der
Krone und dem römischen Stuhle vereinbart sei, also auch durch gegen-
seitiges Einverständniß suspendirt werden könne. Zuletzt beschloß das
Capitel sich aus Gehorsam zu unterwerfen, jedoch ohne förmliche Beistim-
mung. **) Auch dem Könige blieb eine That persönlicher Selbstüberwindung
nicht erspart. Dem römischen Abkommen gemäß gab er dem alten Erzbischof
eine öffentliche Ehrenerklärung, worin bezeugt wurde, der einst gegen
Droste erhobene Vorwurf "politisch-revolutionärer Umtriebe" hätte sich
als völlig grundlos erwiesen. Als Thile diesen von Eichhorn entworfenen,
nachher noch durch den Monarchen eigenhändig stark umgestalteten Brief
am Geburtstage des Königs zur Unterzeichnung übersendete, schrieb er
weihevoll: "Nehmen Ew. Majestät das Geburtagsgeschenk, das der Herr
Ihnen heute durch den Friedensschluß mit dem Erzbischof machte, wie
eine schöne Ankündigung der Friedensgedanken, die er mit Ihnen hat!" ***)

Gewiß, der Friede war geschlossen. Aber um welchen Preis! In
der Kölnischen Sache erlangte die Staatsgewalt einen halben Erfolg, in
allen den anderen noch schwebenden kirchenpolitischen Händeln gab sie
vollständig nach, sogar in dem Trierschen Bischofsstreite, wo sie das klare
Recht für sich hatte. Der Domcapitular Arnoldi war ein frommer, mild-
thätiger Geistlicher, als Kanzelredner sehr beliebt, gut römisch gesinnt, aber

*) Brühl's Berichte, 21. Juli bis 25. Sept. 1841.
**) Bodelschwingh's Bericht an Thile, 4. Mai 1841.
***) Thile an König Friedrich Wilhelm, 15. Oct. 1841.
v. Treitschke, Deutsche Geschichte. V. 19

Abſchluß der Kölniſchen Händel.
Nun ging die Verhandlung, die wieder dritthalb Monate gewährt hatte,
raſch zu Ende, und am 23. Sept. wurde die Ernennung Geiſſel’s förmlich
verabredet, durch ein geheimes Uebereinkommen, das zugleich die früheren
Zuſagen der preußiſchen Krone nochmals aufzählte. In Perugia ver-
abſchiedete ſich Brühl von dem Papſte. Gregor weilte dort in den hei-
ligen Stätten Umbriens um ein Gelübde einzulöſen; er dankte dem Könige
wie dem Unterhändler auf’s Wärmſte und pries ſich glücklich, nun in
Frieden ſterben können. *)

Der Münchener Hof, der von dem Arnoldi’ſchen Zwiſchenſpiele erſt
ſpät erfuhr, hatte ſich mittlerweile eifrig bemüht den Biſchof von Speier
zur Annahme des Coadjutor-Amtes zu bewegen. Geiſſel war mithin nicht
unvorbereitet, als er jetzt die Anfrage des heiligen Stuhls und gleich
darauf die Ernennung erhielt. Dann galt es noch das ſtaatstreue Kölner
Domcapitel zu gewinnen, und dieſer peinlichen Aufgabe mußte ſich Bodel-
ſchwingh, damals noch Oberpräſident, unterziehen. Er fand die Mehr-
zahl der Domherren aufgebracht über die Umgehung ihres Wahlrechts,
und zugleich für die Zukunft ſchwer beſorgt; denn ſie fürchteten, nun-
mehr von einem jungen kräftigen Manne in Droſte’s Geiſte beherrſcht zu
werden. Nur mühſam konnte er ſie beſchwichtigen, indem er ihnen bewies,
daß die Circumſcriptionsbulle zwar ein Staatsgeſetz, aber zwiſchen der
Krone und dem römiſchen Stuhle vereinbart ſei, alſo auch durch gegen-
ſeitiges Einverſtändniß ſuspendirt werden könne. Zuletzt beſchloß das
Capitel ſich aus Gehorſam zu unterwerfen, jedoch ohne förmliche Beiſtim-
mung. **) Auch dem Könige blieb eine That perſönlicher Selbſtüberwindung
nicht erſpart. Dem römiſchen Abkommen gemäß gab er dem alten Erzbiſchof
eine öffentliche Ehrenerklärung, worin bezeugt wurde, der einſt gegen
Droſte erhobene Vorwurf „politiſch-revolutionärer Umtriebe“ hätte ſich
als völlig grundlos erwieſen. Als Thile dieſen von Eichhorn entworfenen,
nachher noch durch den Monarchen eigenhändig ſtark umgeſtalteten Brief
am Geburtstage des Königs zur Unterzeichnung überſendete, ſchrieb er
weihevoll: „Nehmen Ew. Majeſtät das Geburtagsgeſchenk, das der Herr
Ihnen heute durch den Friedensſchluß mit dem Erzbiſchof machte, wie
eine ſchöne Ankündigung der Friedensgedanken, die er mit Ihnen hat!“ ***)

Gewiß, der Friede war geſchloſſen. Aber um welchen Preis! In
der Kölniſchen Sache erlangte die Staatsgewalt einen halben Erfolg, in
allen den anderen noch ſchwebenden kirchenpolitiſchen Händeln gab ſie
vollſtändig nach, ſogar in dem Trierſchen Biſchofsſtreite, wo ſie das klare
Recht für ſich hatte. Der Domcapitular Arnoldi war ein frommer, mild-
thätiger Geiſtlicher, als Kanzelredner ſehr beliebt, gut römiſch geſinnt, aber

*) Brühl’s Berichte, 21. Juli bis 25. Sept. 1841.
**) Bodelſchwingh’s Bericht an Thile, 4. Mai 1841.
***) Thile an König Friedrich Wilhelm, 15. Oct. 1841.
v. Treitſchke, Deutſche Geſchichte. V. 19
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[289/0303] Abſchluß der Kölniſchen Händel. Nun ging die Verhandlung, die wieder dritthalb Monate gewährt hatte, raſch zu Ende, und am 23. Sept. wurde die Ernennung Geiſſel’s förmlich verabredet, durch ein geheimes Uebereinkommen, das zugleich die früheren Zuſagen der preußiſchen Krone nochmals aufzählte. In Perugia ver- abſchiedete ſich Brühl von dem Papſte. Gregor weilte dort in den hei- ligen Stätten Umbriens um ein Gelübde einzulöſen; er dankte dem Könige wie dem Unterhändler auf’s Wärmſte und pries ſich glücklich, nun in Frieden ſterben können. *) Der Münchener Hof, der von dem Arnoldi’ſchen Zwiſchenſpiele erſt ſpät erfuhr, hatte ſich mittlerweile eifrig bemüht den Biſchof von Speier zur Annahme des Coadjutor-Amtes zu bewegen. Geiſſel war mithin nicht unvorbereitet, als er jetzt die Anfrage des heiligen Stuhls und gleich darauf die Ernennung erhielt. Dann galt es noch das ſtaatstreue Kölner Domcapitel zu gewinnen, und dieſer peinlichen Aufgabe mußte ſich Bodel- ſchwingh, damals noch Oberpräſident, unterziehen. Er fand die Mehr- zahl der Domherren aufgebracht über die Umgehung ihres Wahlrechts, und zugleich für die Zukunft ſchwer beſorgt; denn ſie fürchteten, nun- mehr von einem jungen kräftigen Manne in Droſte’s Geiſte beherrſcht zu werden. Nur mühſam konnte er ſie beſchwichtigen, indem er ihnen bewies, daß die Circumſcriptionsbulle zwar ein Staatsgeſetz, aber zwiſchen der Krone und dem römiſchen Stuhle vereinbart ſei, alſo auch durch gegen- ſeitiges Einverſtändniß ſuspendirt werden könne. Zuletzt beſchloß das Capitel ſich aus Gehorſam zu unterwerfen, jedoch ohne förmliche Beiſtim- mung. **) Auch dem Könige blieb eine That perſönlicher Selbſtüberwindung nicht erſpart. Dem römiſchen Abkommen gemäß gab er dem alten Erzbiſchof eine öffentliche Ehrenerklärung, worin bezeugt wurde, der einſt gegen Droſte erhobene Vorwurf „politiſch-revolutionärer Umtriebe“ hätte ſich als völlig grundlos erwieſen. Als Thile dieſen von Eichhorn entworfenen, nachher noch durch den Monarchen eigenhändig ſtark umgeſtalteten Brief am Geburtstage des Königs zur Unterzeichnung überſendete, ſchrieb er weihevoll: „Nehmen Ew. Majeſtät das Geburtagsgeſchenk, das der Herr Ihnen heute durch den Friedensſchluß mit dem Erzbiſchof machte, wie eine ſchöne Ankündigung der Friedensgedanken, die er mit Ihnen hat!“ ***) Gewiß, der Friede war geſchloſſen. Aber um welchen Preis! In der Kölniſchen Sache erlangte die Staatsgewalt einen halben Erfolg, in allen den anderen noch ſchwebenden kirchenpolitiſchen Händeln gab ſie vollſtändig nach, ſogar in dem Trierſchen Biſchofsſtreite, wo ſie das klare Recht für ſich hatte. Der Domcapitular Arnoldi war ein frommer, mild- thätiger Geiſtlicher, als Kanzelredner ſehr beliebt, gut römiſch geſinnt, aber *) Brühl’s Berichte, 21. Juli bis 25. Sept. 1841. **) Bodelſchwingh’s Bericht an Thile, 4. Mai 1841. ***) Thile an König Friedrich Wilhelm, 15. Oct. 1841. v. Treitſchke, Deutſche Geſchichte. V. 19

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Zitationshilfe: Treitschke, Heinrich von: Deutsche Geschichte im Neunzehnten Jahrhundert. Bd. 5: Bis zur März-Revolution. Leipzig, 1894, S. 289. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/treitschke_geschichte05_1894/303>, abgerufen am 22.11.2024.