schleunigst eine Nachrede hinzu: "Die Verjagung Itzstein's und Hecker's aus Sandjerusalem und allen Borussenlanden -- gewiß, diese brutale, allerhöchst befohlene Polizeiflegelei ist ein herrliches Präludium zu dem an- gekündigten Puppenspiel: Eine preußische Verfassung." Daheim wurden die Beiden durch gesinnungstüchtige Zweckessen über ihr Mißgeschick ge- tröstet, gewaltige Trinksprüche verkündeten den Zorn der Patrioten über die preußische Tyrannei. Arnim glaubte nur das Nothwendige gethan zu haben; in seiner ritterlichen Hingebung wollte er jedoch die Person des Monarchen gegen den öffentlichen Unwillen decken und bat daher, der König möge die Ausweisung nachträglich mißbilligen, um sich mit den Liberalen zu versöhnen, und hierauf ihn entlassen.*) Dies Anerbieten wurde natürlich abgelehnt; als aber Arnim nunmehr ausschied, da hieß es doch überall, er falle als das Opfer seiner reaktionären Gesinnung. Niemand ahnte, wie liberal dieser Verrufene sich in der Verfassungs- berathung gezeigt hatte.
Der König nahm Arnim's Rücktritt ungnädig auf; eine solche Selb- ständigkeit der Gesinnung wollte er als absoluter Herr auch seinen höchsten Dienern nicht gestatten.**) Das erledigte Amt übernahm Bodelschwingh, der zugleich den Vortrag als Cabinetsminister behielt und also jetzt die mächtigste Stellung unter seinen Amtsgenossen erlangte; er nannte sich jedoch selbst nur bescheiden Sr. Majestät ersten Schreiber. Noch im Juli sollte eine kleine Commission von durchaus ergebenen Männern zusammen- treten um den Verfassungsplan genau nach den Weisungen des Monarchen auszuarbeiten. Der Prinz von Preußen war zur Seite geschoben, der widersprechende Minister entlassen. Nach den verlorenen fünf Jahren hoffte Friedrich Wilhelm nun endlich bald die Tage der Erfüllung zu erleben, durch seine große ständische Monarchie die constitutionellen Miß- bildungen der Zeit zu beschämen. Sein Schiffsvolk schien willig, sein Ziel meinte er deutlich zu erkennen, und er traute sich's zu, daß ihm das Steuer nicht aus der starken Hand glitte.
*) Thile an Bodelschwingh, 11. Juni 1845.
**) Thile's Bericht an den König, 8. Juli 1845.
18*
Arnim’s Entlaſſung.
ſchleunigſt eine Nachrede hinzu: „Die Verjagung Itzſtein’s und Hecker’s aus Sandjeruſalem und allen Boruſſenlanden — gewiß, dieſe brutale, allerhöchſt befohlene Polizeiflegelei iſt ein herrliches Präludium zu dem an- gekündigten Puppenſpiel: Eine preußiſche Verfaſſung.“ Daheim wurden die Beiden durch geſinnungstüchtige Zweckeſſen über ihr Mißgeſchick ge- tröſtet, gewaltige Trinkſprüche verkündeten den Zorn der Patrioten über die preußiſche Tyrannei. Arnim glaubte nur das Nothwendige gethan zu haben; in ſeiner ritterlichen Hingebung wollte er jedoch die Perſon des Monarchen gegen den öffentlichen Unwillen decken und bat daher, der König möge die Ausweiſung nachträglich mißbilligen, um ſich mit den Liberalen zu verſöhnen, und hierauf ihn entlaſſen.*) Dies Anerbieten wurde natürlich abgelehnt; als aber Arnim nunmehr ausſchied, da hieß es doch überall, er falle als das Opfer ſeiner reaktionären Geſinnung. Niemand ahnte, wie liberal dieſer Verrufene ſich in der Verfaſſungs- berathung gezeigt hatte.
Der König nahm Arnim’s Rücktritt ungnädig auf; eine ſolche Selb- ſtändigkeit der Geſinnung wollte er als abſoluter Herr auch ſeinen höchſten Dienern nicht geſtatten.**) Das erledigte Amt übernahm Bodelſchwingh, der zugleich den Vortrag als Cabinetsminiſter behielt und alſo jetzt die mächtigſte Stellung unter ſeinen Amtsgenoſſen erlangte; er nannte ſich jedoch ſelbſt nur beſcheiden Sr. Majeſtät erſten Schreiber. Noch im Juli ſollte eine kleine Commiſſion von durchaus ergebenen Männern zuſammen- treten um den Verfaſſungsplan genau nach den Weiſungen des Monarchen auszuarbeiten. Der Prinz von Preußen war zur Seite geſchoben, der widerſprechende Miniſter entlaſſen. Nach den verlorenen fünf Jahren hoffte Friedrich Wilhelm nun endlich bald die Tage der Erfüllung zu erleben, durch ſeine große ſtändiſche Monarchie die conſtitutionellen Miß- bildungen der Zeit zu beſchämen. Sein Schiffsvolk ſchien willig, ſein Ziel meinte er deutlich zu erkennen, und er traute ſich’s zu, daß ihm das Steuer nicht aus der ſtarken Hand glitte.
*) Thile an Bodelſchwingh, 11. Juni 1845.
**) Thile’s Bericht an den König, 8. Juli 1845.
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Arnim’s Entlaſſung.
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allerhöchſt befohlene Polizeiflegelei iſt ein herrliches Präludium zu dem an-
gekündigten Puppenſpiel: Eine preußiſche Verfaſſung.“ Daheim wurden
die Beiden durch geſinnungstüchtige Zweckeſſen über ihr Mißgeſchick ge-
tröſtet, gewaltige Trinkſprüche verkündeten den Zorn der Patrioten über
die preußiſche Tyrannei. Arnim glaubte nur das Nothwendige gethan
zu haben; in ſeiner ritterlichen Hingebung wollte er jedoch die Perſon des
Monarchen gegen den öffentlichen Unwillen decken und bat daher, der
König möge die Ausweiſung nachträglich mißbilligen, um ſich mit den
Liberalen zu verſöhnen, und hierauf ihn entlaſſen. *) Dies Anerbieten
wurde natürlich abgelehnt; als aber Arnim nunmehr ausſchied, da hieß
es doch überall, er falle als das Opfer ſeiner reaktionären Geſinnung.
Niemand ahnte, wie liberal dieſer Verrufene ſich in der Verfaſſungs-
berathung gezeigt hatte.
Der König nahm Arnim’s Rücktritt ungnädig auf; eine ſolche Selb-
ſtändigkeit der Geſinnung wollte er als abſoluter Herr auch ſeinen höchſten
Dienern nicht geſtatten. **) Das erledigte Amt übernahm Bodelſchwingh,
der zugleich den Vortrag als Cabinetsminiſter behielt und alſo jetzt die
mächtigſte Stellung unter ſeinen Amtsgenoſſen erlangte; er nannte ſich
jedoch ſelbſt nur beſcheiden Sr. Majeſtät erſten Schreiber. Noch im Juli
ſollte eine kleine Commiſſion von durchaus ergebenen Männern zuſammen-
treten um den Verfaſſungsplan genau nach den Weiſungen des Monarchen
auszuarbeiten. Der Prinz von Preußen war zur Seite geſchoben, der
widerſprechende Miniſter entlaſſen. Nach den verlorenen fünf Jahren
hoffte Friedrich Wilhelm nun endlich bald die Tage der Erfüllung zu
erleben, durch ſeine große ſtändiſche Monarchie die conſtitutionellen Miß-
bildungen der Zeit zu beſchämen. Sein Schiffsvolk ſchien willig, ſein Ziel
meinte er deutlich zu erkennen, und er traute ſich’s zu, daß ihm das
Steuer nicht aus der ſtarken Hand glitte.
*) Thile an Bodelſchwingh, 11. Juni 1845.
**) Thile’s Bericht an den König, 8. Juli 1845.
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Treitschke, Heinrich von: Deutsche Geschichte im Neunzehnten Jahrhundert. Bd. 5: Bis zur März-Revolution. Leipzig, 1894, S. 275. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/treitschke_geschichte05_1894/289>, abgerufen am 25.11.2024.
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