Königs der Franzosen deutsche Wissenschaft zu ehren. Das sollte anders werden. Friedrich Wilhelm beschloß, dem einzigen preußischen Orden, der noch nicht durch Verschwendung an Werth verloren hatte, dem fri- dericianischen Kriegsorden pour le merite eine Friedensklasse hinzuzu- fügen, welche nur für dreißig hervorragende Gelehrte und Künstler als stimmfähige Ritter deutscher Nation bestimmt war, dazu noch für dreißig ausländische Ritter ohne Stimmrecht. Nach Todesfällen sollte der Orden künftighin, damit sein Ansehen ungeschmälert bliebe, nur auf Vorschlag der Ritter selbst verliehen werden. Offenbar schwebte dem Könige der Gedanke vor, die Symposien von Sanssouci in idealer Form zu erneuern. Humboldt, der natürlich zum Kanzler des Ordens ernannt wurde, fühlte sich so recht in seinem Element, als er dem Monarchen bei den ersten Ernennungen Rathschläge ertheilen durfte; und in der That fiel die Wahl durchweg auf ausgezeichnete Männer. Einige Noth bereitete der greise Bild- hauer Gottfried Schadow; der erklärte eigensinnig: ich nehme den Orden nur an, wenn mein Wilhelm -- der Direktor der Düsseldorfer Akademie -- ihn auch erhält. Da sagte ihm der König in seiner unerschöpflichen Gut- herzigkeit zu, Wilhelm solle dereinst in des Vaters Stelle eintreten und verfügte eigenhändig: "Bei Papa Schadow muß der Sohn als erbberech- tigt angeführt werden. Der Sohn kann aber die Dekoration tragen, ohne Stimmrecht."*)
Unter den dreißig Rittern war nur ein gänzlich unwürdiger: Metter- nich. Der hatte zwar vor Jahren dem jungen Leopold Ranke die ver- schlossenen Wiener Archive geöffnet, doch sonst niemals etwas Nennens- werthes für Deutschlands Kunst und Wissenschaft gethan, sondern das geistige Leben der Nation durch die Karlsbader Beschlüsse nach Kräften ge- schädigt. Und grade ihn betrachtete sein königlicher Bewunderer als eine hohe Zierde der neuen Stiftung;**) er theilte ihm die Verleihung mit, in einem gemüthlich witzelnden Briefe, als ob Metternich durch seinen Bei- tritt den anderen Rittern eine große Gunst erwiese, und bat ihn sogar den Orden zwar anzunehmen, doch niemals zu tragen, weil neben dem Goldnen Vließe dafür kein Platz bleibe. Das war der Ton nicht, in dem ein König von Preußen einem ausländischen Unterthan eine seltene, ganz unverdiente Ehre ankündigen durfte. Friedrich Wilhelm ließ sich's nicht träumen, daß man in Wien noch keineswegs gemeint war, den preu- ßischen Staat als eine ebenbürtige Macht anzusehen, und ahnte kaum, wie seine herzliche Vertraulichkeit auf den hochmüthigen k. k. Staatskanzler wirken mußte, der natürlich eine gewandte, hofmännische Antwort gab.
Im folgenden Jahre feierte der König den Jahrestag des Verduner Vertrags, "das tausendjährige Jubiläum von Deutschland", wie er es
*) König Friedrich Wilhelm an Thile, 26. Mai 1842.
**) König Friedrich Wilhelm an Thile, 24. Mai 1842.
V. 3. Enttäuſchung und Verwirrung.
Königs der Franzoſen deutſche Wiſſenſchaft zu ehren. Das ſollte anders werden. Friedrich Wilhelm beſchloß, dem einzigen preußiſchen Orden, der noch nicht durch Verſchwendung an Werth verloren hatte, dem fri- dericianiſchen Kriegsorden pour le mérite eine Friedensklaſſe hinzuzu- fügen, welche nur für dreißig hervorragende Gelehrte und Künſtler als ſtimmfähige Ritter deutſcher Nation beſtimmt war, dazu noch für dreißig ausländiſche Ritter ohne Stimmrecht. Nach Todesfällen ſollte der Orden künftighin, damit ſein Anſehen ungeſchmälert bliebe, nur auf Vorſchlag der Ritter ſelbſt verliehen werden. Offenbar ſchwebte dem Könige der Gedanke vor, die Sympoſien von Sansſouci in idealer Form zu erneuern. Humboldt, der natürlich zum Kanzler des Ordens ernannt wurde, fühlte ſich ſo recht in ſeinem Element, als er dem Monarchen bei den erſten Ernennungen Rathſchläge ertheilen durfte; und in der That fiel die Wahl durchweg auf ausgezeichnete Männer. Einige Noth bereitete der greiſe Bild- hauer Gottfried Schadow; der erklärte eigenſinnig: ich nehme den Orden nur an, wenn mein Wilhelm — der Direktor der Düſſeldorfer Akademie — ihn auch erhält. Da ſagte ihm der König in ſeiner unerſchöpflichen Gut- herzigkeit zu, Wilhelm ſolle dereinſt in des Vaters Stelle eintreten und verfügte eigenhändig: „Bei Papa Schadow muß der Sohn als erbberech- tigt angeführt werden. Der Sohn kann aber die Dekoration tragen, ohne Stimmrecht.“*)
Unter den dreißig Rittern war nur ein gänzlich unwürdiger: Metter- nich. Der hatte zwar vor Jahren dem jungen Leopold Ranke die ver- ſchloſſenen Wiener Archive geöffnet, doch ſonſt niemals etwas Nennens- werthes für Deutſchlands Kunſt und Wiſſenſchaft gethan, ſondern das geiſtige Leben der Nation durch die Karlsbader Beſchlüſſe nach Kräften ge- ſchädigt. Und grade ihn betrachtete ſein königlicher Bewunderer als eine hohe Zierde der neuen Stiftung;**) er theilte ihm die Verleihung mit, in einem gemüthlich witzelnden Briefe, als ob Metternich durch ſeinen Bei- tritt den anderen Rittern eine große Gunſt erwieſe, und bat ihn ſogar den Orden zwar anzunehmen, doch niemals zu tragen, weil neben dem Goldnen Vließe dafür kein Platz bleibe. Das war der Ton nicht, in dem ein König von Preußen einem ausländiſchen Unterthan eine ſeltene, ganz unverdiente Ehre ankündigen durfte. Friedrich Wilhelm ließ ſich’s nicht träumen, daß man in Wien noch keineswegs gemeint war, den preu- ßiſchen Staat als eine ebenbürtige Macht anzuſehen, und ahnte kaum, wie ſeine herzliche Vertraulichkeit auf den hochmüthigen k. k. Staatskanzler wirken mußte, der natürlich eine gewandte, hofmänniſche Antwort gab.
Im folgenden Jahre feierte der König den Jahrestag des Verduner Vertrags, „das tauſendjährige Jubiläum von Deutſchland“, wie er es
*) König Friedrich Wilhelm an Thile, 26. Mai 1842.
**) König Friedrich Wilhelm an Thile, 24. Mai 1842.
<TEI><text><body><divn="1"><divn="2"><p><pbfacs="#f0238"n="224"/><fwplace="top"type="header"><hirendition="#aq">V.</hi> 3. Enttäuſchung und Verwirrung.</fw><lb/>
Königs der Franzoſen deutſche Wiſſenſchaft zu ehren. Das ſollte anders<lb/>
werden. Friedrich Wilhelm beſchloß, dem einzigen preußiſchen Orden,<lb/>
der noch nicht durch Verſchwendung an Werth verloren hatte, dem fri-<lb/>
dericianiſchen Kriegsorden <hirendition="#aq">pour le mérite</hi> eine Friedensklaſſe hinzuzu-<lb/>
fügen, welche nur für dreißig hervorragende Gelehrte und Künſtler als<lb/>ſtimmfähige Ritter deutſcher Nation beſtimmt war, dazu noch für dreißig<lb/>
ausländiſche Ritter ohne Stimmrecht. Nach Todesfällen ſollte der Orden<lb/>
künftighin, damit ſein Anſehen ungeſchmälert bliebe, nur auf Vorſchlag<lb/>
der Ritter ſelbſt verliehen werden. Offenbar ſchwebte dem Könige der<lb/>
Gedanke vor, die Sympoſien von Sansſouci in idealer Form zu erneuern.<lb/>
Humboldt, der natürlich zum Kanzler des Ordens ernannt wurde, fühlte<lb/>ſich ſo recht in ſeinem Element, als er dem Monarchen bei den erſten<lb/>
Ernennungen Rathſchläge ertheilen durfte; und in der That fiel die Wahl<lb/>
durchweg auf ausgezeichnete Männer. Einige Noth bereitete der greiſe Bild-<lb/>
hauer Gottfried Schadow; der erklärte eigenſinnig: ich nehme den Orden<lb/>
nur an, wenn mein Wilhelm — der Direktor der Düſſeldorfer Akademie<lb/>— ihn auch erhält. Da ſagte ihm der König in ſeiner unerſchöpflichen Gut-<lb/>
herzigkeit zu, Wilhelm ſolle dereinſt in des Vaters Stelle eintreten und<lb/>
verfügte eigenhändig: „Bei Papa Schadow muß der Sohn als erbberech-<lb/>
tigt angeführt werden. Der Sohn kann aber die Dekoration tragen,<lb/>
ohne Stimmrecht.“<noteplace="foot"n="*)">König Friedrich Wilhelm an Thile, 26. Mai 1842.</note></p><lb/><p>Unter den dreißig Rittern war nur ein gänzlich unwürdiger: Metter-<lb/>
nich. Der hatte zwar vor Jahren dem jungen Leopold Ranke die ver-<lb/>ſchloſſenen Wiener Archive geöffnet, doch ſonſt niemals etwas Nennens-<lb/>
werthes für Deutſchlands Kunſt und Wiſſenſchaft gethan, ſondern das<lb/>
geiſtige Leben der Nation durch die Karlsbader Beſchlüſſe nach Kräften ge-<lb/>ſchädigt. Und grade ihn betrachtete ſein königlicher Bewunderer als eine<lb/>
hohe Zierde der neuen Stiftung;<noteplace="foot"n="**)">König Friedrich Wilhelm an Thile, 24. Mai 1842.</note> er theilte ihm die Verleihung mit, in<lb/>
einem gemüthlich witzelnden Briefe, als ob Metternich durch ſeinen Bei-<lb/>
tritt den anderen Rittern eine große Gunſt erwieſe, und bat ihn ſogar<lb/>
den Orden zwar anzunehmen, doch niemals zu tragen, weil neben dem<lb/>
Goldnen Vließe dafür kein Platz bleibe. Das war der Ton nicht, in<lb/>
dem ein König von Preußen einem ausländiſchen Unterthan eine ſeltene,<lb/>
ganz unverdiente Ehre ankündigen durfte. Friedrich Wilhelm ließ ſich’s<lb/>
nicht träumen, daß man in Wien noch keineswegs gemeint war, den preu-<lb/>
ßiſchen Staat als eine ebenbürtige Macht anzuſehen, und ahnte kaum, wie<lb/>ſeine herzliche Vertraulichkeit auf den hochmüthigen k. k. Staatskanzler<lb/>
wirken mußte, der natürlich eine gewandte, hofmänniſche Antwort gab.</p><lb/><p>Im folgenden Jahre feierte der König den Jahrestag des Verduner<lb/>
Vertrags, „das tauſendjährige Jubiläum von Deutſchland“, wie er es<lb/></p></div></div></body></text></TEI>
[224/0238]
V. 3. Enttäuſchung und Verwirrung.
Königs der Franzoſen deutſche Wiſſenſchaft zu ehren. Das ſollte anders
werden. Friedrich Wilhelm beſchloß, dem einzigen preußiſchen Orden,
der noch nicht durch Verſchwendung an Werth verloren hatte, dem fri-
dericianiſchen Kriegsorden pour le mérite eine Friedensklaſſe hinzuzu-
fügen, welche nur für dreißig hervorragende Gelehrte und Künſtler als
ſtimmfähige Ritter deutſcher Nation beſtimmt war, dazu noch für dreißig
ausländiſche Ritter ohne Stimmrecht. Nach Todesfällen ſollte der Orden
künftighin, damit ſein Anſehen ungeſchmälert bliebe, nur auf Vorſchlag
der Ritter ſelbſt verliehen werden. Offenbar ſchwebte dem Könige der
Gedanke vor, die Sympoſien von Sansſouci in idealer Form zu erneuern.
Humboldt, der natürlich zum Kanzler des Ordens ernannt wurde, fühlte
ſich ſo recht in ſeinem Element, als er dem Monarchen bei den erſten
Ernennungen Rathſchläge ertheilen durfte; und in der That fiel die Wahl
durchweg auf ausgezeichnete Männer. Einige Noth bereitete der greiſe Bild-
hauer Gottfried Schadow; der erklärte eigenſinnig: ich nehme den Orden
nur an, wenn mein Wilhelm — der Direktor der Düſſeldorfer Akademie
— ihn auch erhält. Da ſagte ihm der König in ſeiner unerſchöpflichen Gut-
herzigkeit zu, Wilhelm ſolle dereinſt in des Vaters Stelle eintreten und
verfügte eigenhändig: „Bei Papa Schadow muß der Sohn als erbberech-
tigt angeführt werden. Der Sohn kann aber die Dekoration tragen,
ohne Stimmrecht.“ *)
Unter den dreißig Rittern war nur ein gänzlich unwürdiger: Metter-
nich. Der hatte zwar vor Jahren dem jungen Leopold Ranke die ver-
ſchloſſenen Wiener Archive geöffnet, doch ſonſt niemals etwas Nennens-
werthes für Deutſchlands Kunſt und Wiſſenſchaft gethan, ſondern das
geiſtige Leben der Nation durch die Karlsbader Beſchlüſſe nach Kräften ge-
ſchädigt. Und grade ihn betrachtete ſein königlicher Bewunderer als eine
hohe Zierde der neuen Stiftung; **) er theilte ihm die Verleihung mit, in
einem gemüthlich witzelnden Briefe, als ob Metternich durch ſeinen Bei-
tritt den anderen Rittern eine große Gunſt erwieſe, und bat ihn ſogar
den Orden zwar anzunehmen, doch niemals zu tragen, weil neben dem
Goldnen Vließe dafür kein Platz bleibe. Das war der Ton nicht, in
dem ein König von Preußen einem ausländiſchen Unterthan eine ſeltene,
ganz unverdiente Ehre ankündigen durfte. Friedrich Wilhelm ließ ſich’s
nicht träumen, daß man in Wien noch keineswegs gemeint war, den preu-
ßiſchen Staat als eine ebenbürtige Macht anzuſehen, und ahnte kaum, wie
ſeine herzliche Vertraulichkeit auf den hochmüthigen k. k. Staatskanzler
wirken mußte, der natürlich eine gewandte, hofmänniſche Antwort gab.
Im folgenden Jahre feierte der König den Jahrestag des Verduner
Vertrags, „das tauſendjährige Jubiläum von Deutſchland“, wie er es
*) König Friedrich Wilhelm an Thile, 26. Mai 1842.
**) König Friedrich Wilhelm an Thile, 24. Mai 1842.
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Treitschke, Heinrich von: Deutsche Geschichte im Neunzehnten Jahrhundert. Bd. 5: Bis zur März-Revolution. Leipzig, 1894, S. 224. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/treitschke_geschichte05_1894/238>, abgerufen am 16.02.2025.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
2007–2025 Deutsches Textarchiv, Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften
(Kontakt).
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2025. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.