Traum, durch die Stürme der Revolution unterbrochen wurde; endlich in den letzten Jahren noch den reichen Palladio-Bau der Orangerie. Es waren Werke von allerlei Stil, dem eklektischen Geschmacke des Königs entsprechend, und sie hinterließen doch nicht den Eindruck stilloser Bunt- heit, weil sie auf weiten Räumen vertheilt, zwischen den Bäumen einge- rahmt standen. Jeder Beschauer mußte fühlen, daß ein reicher und hoher Geist hier sinnvoll waltete.
Für Berlin reichte eine solche, mehr schmückende und spielende als schöpferische Kunstthätigkeit nicht aus. Sollte der Kunst der Hauptstadt die verheißene neue Blüthezeit erscheinen, so mußten monumentale Bauten von mächtiger Eigenart den Werken Schlüter's und Schinkel's gegenüber- treten, welche den architektonischen Charakter Berlins bisher bestimmt hatten, und dieser Aufgabe war weder der unruhige Geist Friedrich Wilhelm's selbst gewachsen, noch das feine, geschmackvolle, zierliche Talent des Thü- ringers Stüler, der dem Monarchen fortan nach Persius' frühem Tode fast bei allen seinen Bauplänen zur Hand ging. Mit liebevollem Eifer und meist auch mit glücklichem Erfolge bemühte sich der König zunächst, die Bauwerke seiner Vorfahren zu vollenden und zu zieren. Dem Museum gab er auf Dach und Treppe reichen Skulpturenschmuck, wie den Treppen- wangen des Schauspielhauses, die Säulenhalle davor wurde mit den Fres- ken nach Schinkel's Entwürfen geziert; über den Pfeilern der breiten Schloßbrücke ließ er schöne Marmorgruppen lernender und kämpfender Krieger aufrichten, unbekümmert um den prosaischen Spott seiner Berliner, die sich an diese nackten Puppen gar nicht gewöhnen wollten. An der neuen Terrasse vor dem Schlosse prangten die vom Czaren Nikolaus geschenkten Rossebändiger des Westphalen Clodt; auch sie wurden von dem Witze der Hauptstädter als Bilder des gehemmten Fortschritts und des geförderten Rückschritts verhöhnt, während sich Rauch an der vollendeten Naturwahrheit der beiden Rosse kaum satt sehen konnte. Das abgebrannte Opernhaus Friedrich's des Großen wurde ganz nach Knobelsdorff's ursprünglichem Plane, nur reicher und stattlicher wiederhergestellt; die ebenfalls eingeäscherten Mühlen über dem rauschenden Wehr der Spree standen in der Gestalt einer malerischen Ritterburg wieder auf. Dann erhielt auch die schwere etwas eintönige Masse des Hohenzollernschlosses selbst kräftigen Abschluß und deutliche Gliederung durch Stüler's bestes Werk, die gewaltige Schloß- kuppel über dem römischen Triumphbogen.
Alle diese Zier- und Umbauten galten dem Könige nur als Beiwerk zu der großen Umgestaltung, die er für die Mitte der Hauptstadt beabsichtigte. Er dachte die lange Spreeinsel hinter dem alten Museum in eine Weihestätte der Künste umzuwandeln, die durch Säulengänge von dem Treiben des All- tags abgetrennt, eine ganze Reihe von Musentempeln umschließen sollte, und wie er allezeit liebte sich in Plänen zu übernehmen, so schwelgte er jetzt in immer neuen Entwürfen für die Ausführung dieser entzückenden Idee. Was
V. 3. Enttäuſchung und Verwirrung.
Traum, durch die Stürme der Revolution unterbrochen wurde; endlich in den letzten Jahren noch den reichen Palladio-Bau der Orangerie. Es waren Werke von allerlei Stil, dem eklektiſchen Geſchmacke des Königs entſprechend, und ſie hinterließen doch nicht den Eindruck ſtilloſer Bunt- heit, weil ſie auf weiten Räumen vertheilt, zwiſchen den Bäumen einge- rahmt ſtanden. Jeder Beſchauer mußte fühlen, daß ein reicher und hoher Geiſt hier ſinnvoll waltete.
Für Berlin reichte eine ſolche, mehr ſchmückende und ſpielende als ſchöpferiſche Kunſtthätigkeit nicht aus. Sollte der Kunſt der Hauptſtadt die verheißene neue Blüthezeit erſcheinen, ſo mußten monumentale Bauten von mächtiger Eigenart den Werken Schlüter’s und Schinkel’s gegenüber- treten, welche den architektoniſchen Charakter Berlins bisher beſtimmt hatten, und dieſer Aufgabe war weder der unruhige Geiſt Friedrich Wilhelm’s ſelbſt gewachſen, noch das feine, geſchmackvolle, zierliche Talent des Thü- ringers Stüler, der dem Monarchen fortan nach Perſius’ frühem Tode faſt bei allen ſeinen Bauplänen zur Hand ging. Mit liebevollem Eifer und meiſt auch mit glücklichem Erfolge bemühte ſich der König zunächſt, die Bauwerke ſeiner Vorfahren zu vollenden und zu zieren. Dem Muſeum gab er auf Dach und Treppe reichen Skulpturenſchmuck, wie den Treppen- wangen des Schauſpielhauſes, die Säulenhalle davor wurde mit den Fres- ken nach Schinkel’s Entwürfen geziert; über den Pfeilern der breiten Schloßbrücke ließ er ſchöne Marmorgruppen lernender und kämpfender Krieger aufrichten, unbekümmert um den proſaiſchen Spott ſeiner Berliner, die ſich an dieſe nackten Puppen gar nicht gewöhnen wollten. An der neuen Terraſſe vor dem Schloſſe prangten die vom Czaren Nikolaus geſchenkten Roſſebändiger des Weſtphalen Clodt; auch ſie wurden von dem Witze der Hauptſtädter als Bilder des gehemmten Fortſchritts und des geförderten Rückſchritts verhöhnt, während ſich Rauch an der vollendeten Naturwahrheit der beiden Roſſe kaum ſatt ſehen konnte. Das abgebrannte Opernhaus Friedrich’s des Großen wurde ganz nach Knobelsdorff’s urſprünglichem Plane, nur reicher und ſtattlicher wiederhergeſtellt; die ebenfalls eingeäſcherten Mühlen über dem rauſchenden Wehr der Spree ſtanden in der Geſtalt einer maleriſchen Ritterburg wieder auf. Dann erhielt auch die ſchwere etwas eintönige Maſſe des Hohenzollernſchloſſes ſelbſt kräftigen Abſchluß und deutliche Gliederung durch Stüler’s beſtes Werk, die gewaltige Schloß- kuppel über dem römiſchen Triumphbogen.
Alle dieſe Zier- und Umbauten galten dem Könige nur als Beiwerk zu der großen Umgeſtaltung, die er für die Mitte der Hauptſtadt beabſichtigte. Er dachte die lange Spreeinſel hinter dem alten Muſeum in eine Weiheſtätte der Künſte umzuwandeln, die durch Säulengänge von dem Treiben des All- tags abgetrennt, eine ganze Reihe von Muſentempeln umſchließen ſollte, und wie er allezeit liebte ſich in Plänen zu übernehmen, ſo ſchwelgte er jetzt in immer neuen Entwürfen für die Ausführung dieſer entzückenden Idee. Was
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Traum, durch die Stürme der Revolution unterbrochen wurde; endlich
in den letzten Jahren noch den reichen Palladio-Bau der Orangerie.
Es waren Werke von allerlei Stil, dem eklektiſchen Geſchmacke des Königs
entſprechend, und ſie hinterließen doch nicht den Eindruck ſtilloſer Bunt-
heit, weil ſie auf weiten Räumen vertheilt, zwiſchen den Bäumen einge-
rahmt ſtanden. Jeder Beſchauer mußte fühlen, daß ein reicher und
hoher Geiſt hier ſinnvoll waltete.
Für Berlin reichte eine ſolche, mehr ſchmückende und ſpielende als
ſchöpferiſche Kunſtthätigkeit nicht aus. Sollte der Kunſt der Hauptſtadt
die verheißene neue Blüthezeit erſcheinen, ſo mußten monumentale Bauten
von mächtiger Eigenart den Werken Schlüter’s und Schinkel’s gegenüber-
treten, welche den architektoniſchen Charakter Berlins bisher beſtimmt hatten,
und dieſer Aufgabe war weder der unruhige Geiſt Friedrich Wilhelm’s
ſelbſt gewachſen, noch das feine, geſchmackvolle, zierliche Talent des Thü-
ringers Stüler, der dem Monarchen fortan nach Perſius’ frühem Tode faſt
bei allen ſeinen Bauplänen zur Hand ging. Mit liebevollem Eifer und
meiſt auch mit glücklichem Erfolge bemühte ſich der König zunächſt, die
Bauwerke ſeiner Vorfahren zu vollenden und zu zieren. Dem Muſeum
gab er auf Dach und Treppe reichen Skulpturenſchmuck, wie den Treppen-
wangen des Schauſpielhauſes, die Säulenhalle davor wurde mit den Fres-
ken nach Schinkel’s Entwürfen geziert; über den Pfeilern der breiten
Schloßbrücke ließ er ſchöne Marmorgruppen lernender und kämpfender
Krieger aufrichten, unbekümmert um den proſaiſchen Spott ſeiner Berliner,
die ſich an dieſe nackten Puppen gar nicht gewöhnen wollten. An der neuen
Terraſſe vor dem Schloſſe prangten die vom Czaren Nikolaus geſchenkten
Roſſebändiger des Weſtphalen Clodt; auch ſie wurden von dem Witze der
Hauptſtädter als Bilder des gehemmten Fortſchritts und des geförderten
Rückſchritts verhöhnt, während ſich Rauch an der vollendeten Naturwahrheit
der beiden Roſſe kaum ſatt ſehen konnte. Das abgebrannte Opernhaus
Friedrich’s des Großen wurde ganz nach Knobelsdorff’s urſprünglichem
Plane, nur reicher und ſtattlicher wiederhergeſtellt; die ebenfalls eingeäſcherten
Mühlen über dem rauſchenden Wehr der Spree ſtanden in der Geſtalt
einer maleriſchen Ritterburg wieder auf. Dann erhielt auch die ſchwere
etwas eintönige Maſſe des Hohenzollernſchloſſes ſelbſt kräftigen Abſchluß
und deutliche Gliederung durch Stüler’s beſtes Werk, die gewaltige Schloß-
kuppel über dem römiſchen Triumphbogen.
Alle dieſe Zier- und Umbauten galten dem Könige nur als Beiwerk zu
der großen Umgeſtaltung, die er für die Mitte der Hauptſtadt beabſichtigte.
Er dachte die lange Spreeinſel hinter dem alten Muſeum in eine Weiheſtätte
der Künſte umzuwandeln, die durch Säulengänge von dem Treiben des All-
tags abgetrennt, eine ganze Reihe von Muſentempeln umſchließen ſollte, und
wie er allezeit liebte ſich in Plänen zu übernehmen, ſo ſchwelgte er jetzt in
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Treitschke, Heinrich von: Deutsche Geschichte im Neunzehnten Jahrhundert. Bd. 5: Bis zur März-Revolution. Leipzig, 1894, S. 216. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/treitschke_geschichte05_1894/230>, abgerufen am 24.11.2024.
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