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Treitschke, Heinrich von: Deutsche Geschichte im Neunzehnten Jahrhundert. Bd. 5: Bis zur März-Revolution. Leipzig, 1894.

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Glanz des Hofes. Die Pickelhauben.
wohl meinte er sich berechtigt, das preußische Beamtenthum wie eine Aus-
geburt der Hölle zu behandeln. Ein vielbelachtes Zerrbild stellte den
König dar, wie er die Zeitungen mit Füßen trat und dazu rief: ich liebe
eine gesinnungsvolle Opposition! Was wollte der preußische Hof gegen
alle diese Freibeuter ausrichten? Er fühlte sich gänzlich waffenlos; auch
seine Censoren daheim konnten schließlich nicht mehr unterdrücken was in
der Luft lag. Der alte Preßzwang ward unhaltbar. Im Septbr. 1847
sang ihm Minister Bodelschwingh selbst das Todtenlied und gestand: "Die
Censur ist altersschwach, sie hat ausgedient;" es fragt sich nur noch, wie sie
zu ersetzen sei.*)



Die neue Zeit, die so oft verkündigte, zeigte sich einem Jeden
handgreiflich in der geschmackvollen Pracht des neuen Hofes. Der König
liebte in reichen, vier- oder sechsspännigen Wagen daherzufahren; er gab
der Hofdienerschaft schöne silberne, mit schwarzen Adlern gestickte Kragen
an ihre Uniformen, den Pagen wieder die malerische rothe Tracht aus den
Zeiten Friedrich's I., den Marschällen der Landstände Marschallsstäbe, den
Professoren der Universitäten würdige Talare; die Ritter vom schwarzen
Adler ließ er im Capitel wieder die rothen Ordensmäntel anlegen und
die Richter des Rheinlandes wollte er nicht anders als in der feierlichen
Robe der französischen Magistratur vor sich sehen. Das Alles war ihm
mehr als Form; er hielt sich verpflichtet das Königthum von Gottes Gna-
den sowie alle seine Diener wieder in standesmäßigem Glanze auftreten
zu lassen. Als ihm General Thile einmal vorstellte, die Einfachheit der
preußischen Monarchen, namentlich Friedrich Wilhelm's III. hätte allge-
meine Ehrfurcht erweckt, die neuen glänzenden Formen würden vom Volke
nicht verstanden, ja vielleicht für theatralisch gehalten werden, da dankte
er dem treuen Freunde für seine Offenheit und erklärte: "Dennoch können
offenbare Irrthümer mich in meinen Ansichten nicht wankend machen.
Gewiß ist's, daß viel, sehr, sehr viel Anstand verloren gegangen ist. Das
ist, weit entfernt mich zu veranlassen so fortzufahren, die Ursach, warum
ich den Anstand und als solchen Zeichen verliehener Würden wieder ein-
führe. Darum die Amtstracht des Magnificus und der Professoren,
darum die Amtstracht der Richter, darum den Marschällen Marschalls-
stäbe. Bei der Landtags-Eröffnung werde ich mir, wie bei der Huldigung,
die Reichs-Insignien vortragen lassen. Suum cuique."**)

Den breiten Massen dieses kriegerischen Volkes kam der Wandel der
Zeiten erst ganz zum Bewußtsein, als in den Jahren 1842 und 43 das Heer

*) Bodelschwingh, Denkschrift über die Presse, Sept. 1847.
**) Thile an König Friedrich Wilhelm 18. März 1847, mit Randbemerkung.

Glanz des Hofes. Die Pickelhauben.
wohl meinte er ſich berechtigt, das preußiſche Beamtenthum wie eine Aus-
geburt der Hölle zu behandeln. Ein vielbelachtes Zerrbild ſtellte den
König dar, wie er die Zeitungen mit Füßen trat und dazu rief: ich liebe
eine geſinnungsvolle Oppoſition! Was wollte der preußiſche Hof gegen
alle dieſe Freibeuter ausrichten? Er fühlte ſich gänzlich waffenlos; auch
ſeine Cenſoren daheim konnten ſchließlich nicht mehr unterdrücken was in
der Luft lag. Der alte Preßzwang ward unhaltbar. Im Septbr. 1847
ſang ihm Miniſter Bodelſchwingh ſelbſt das Todtenlied und geſtand: „Die
Cenſur iſt altersſchwach, ſie hat ausgedient;“ es fragt ſich nur noch, wie ſie
zu erſetzen ſei.*)



Die neue Zeit, die ſo oft verkündigte, zeigte ſich einem Jeden
handgreiflich in der geſchmackvollen Pracht des neuen Hofes. Der König
liebte in reichen, vier- oder ſechsſpännigen Wagen daherzufahren; er gab
der Hofdienerſchaft ſchöne ſilberne, mit ſchwarzen Adlern geſtickte Kragen
an ihre Uniformen, den Pagen wieder die maleriſche rothe Tracht aus den
Zeiten Friedrich’s I., den Marſchällen der Landſtände Marſchallsſtäbe, den
Profeſſoren der Univerſitäten würdige Talare; die Ritter vom ſchwarzen
Adler ließ er im Capitel wieder die rothen Ordensmäntel anlegen und
die Richter des Rheinlandes wollte er nicht anders als in der feierlichen
Robe der franzöſiſchen Magiſtratur vor ſich ſehen. Das Alles war ihm
mehr als Form; er hielt ſich verpflichtet das Königthum von Gottes Gna-
den ſowie alle ſeine Diener wieder in ſtandesmäßigem Glanze auftreten
zu laſſen. Als ihm General Thile einmal vorſtellte, die Einfachheit der
preußiſchen Monarchen, namentlich Friedrich Wilhelm’s III. hätte allge-
meine Ehrfurcht erweckt, die neuen glänzenden Formen würden vom Volke
nicht verſtanden, ja vielleicht für theatraliſch gehalten werden, da dankte
er dem treuen Freunde für ſeine Offenheit und erklärte: „Dennoch können
offenbare Irrthümer mich in meinen Anſichten nicht wankend machen.
Gewiß iſt’s, daß viel, ſehr, ſehr viel Anſtand verloren gegangen iſt. Das
iſt, weit entfernt mich zu veranlaſſen ſo fortzufahren, die Urſach, warum
ich den Anſtand und als ſolchen Zeichen verliehener Würden wieder ein-
führe. Darum die Amtstracht des Magnificus und der Profeſſoren,
darum die Amtstracht der Richter, darum den Marſchällen Marſchalls-
ſtäbe. Bei der Landtags-Eröffnung werde ich mir, wie bei der Huldigung,
die Reichs-Inſignien vortragen laſſen. Suum cuique.“**)

Den breiten Maſſen dieſes kriegeriſchen Volkes kam der Wandel der
Zeiten erſt ganz zum Bewußtſein, als in den Jahren 1842 und 43 das Heer

*) Bodelſchwingh, Denkſchrift über die Preſſe, Sept. 1847.
**) Thile an König Friedrich Wilhelm 18. März 1847, mit Randbemerkung.
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[213/0227] Glanz des Hofes. Die Pickelhauben. wohl meinte er ſich berechtigt, das preußiſche Beamtenthum wie eine Aus- geburt der Hölle zu behandeln. Ein vielbelachtes Zerrbild ſtellte den König dar, wie er die Zeitungen mit Füßen trat und dazu rief: ich liebe eine geſinnungsvolle Oppoſition! Was wollte der preußiſche Hof gegen alle dieſe Freibeuter ausrichten? Er fühlte ſich gänzlich waffenlos; auch ſeine Cenſoren daheim konnten ſchließlich nicht mehr unterdrücken was in der Luft lag. Der alte Preßzwang ward unhaltbar. Im Septbr. 1847 ſang ihm Miniſter Bodelſchwingh ſelbſt das Todtenlied und geſtand: „Die Cenſur iſt altersſchwach, ſie hat ausgedient;“ es fragt ſich nur noch, wie ſie zu erſetzen ſei. *) Die neue Zeit, die ſo oft verkündigte, zeigte ſich einem Jeden handgreiflich in der geſchmackvollen Pracht des neuen Hofes. Der König liebte in reichen, vier- oder ſechsſpännigen Wagen daherzufahren; er gab der Hofdienerſchaft ſchöne ſilberne, mit ſchwarzen Adlern geſtickte Kragen an ihre Uniformen, den Pagen wieder die maleriſche rothe Tracht aus den Zeiten Friedrich’s I., den Marſchällen der Landſtände Marſchallsſtäbe, den Profeſſoren der Univerſitäten würdige Talare; die Ritter vom ſchwarzen Adler ließ er im Capitel wieder die rothen Ordensmäntel anlegen und die Richter des Rheinlandes wollte er nicht anders als in der feierlichen Robe der franzöſiſchen Magiſtratur vor ſich ſehen. Das Alles war ihm mehr als Form; er hielt ſich verpflichtet das Königthum von Gottes Gna- den ſowie alle ſeine Diener wieder in ſtandesmäßigem Glanze auftreten zu laſſen. Als ihm General Thile einmal vorſtellte, die Einfachheit der preußiſchen Monarchen, namentlich Friedrich Wilhelm’s III. hätte allge- meine Ehrfurcht erweckt, die neuen glänzenden Formen würden vom Volke nicht verſtanden, ja vielleicht für theatraliſch gehalten werden, da dankte er dem treuen Freunde für ſeine Offenheit und erklärte: „Dennoch können offenbare Irrthümer mich in meinen Anſichten nicht wankend machen. Gewiß iſt’s, daß viel, ſehr, ſehr viel Anſtand verloren gegangen iſt. Das iſt, weit entfernt mich zu veranlaſſen ſo fortzufahren, die Urſach, warum ich den Anſtand und als ſolchen Zeichen verliehener Würden wieder ein- führe. Darum die Amtstracht des Magnificus und der Profeſſoren, darum die Amtstracht der Richter, darum den Marſchällen Marſchalls- ſtäbe. Bei der Landtags-Eröffnung werde ich mir, wie bei der Huldigung, die Reichs-Inſignien vortragen laſſen. Suum cuique.“ **) Den breiten Maſſen dieſes kriegeriſchen Volkes kam der Wandel der Zeiten erſt ganz zum Bewußtſein, als in den Jahren 1842 und 43 das Heer *) Bodelſchwingh, Denkſchrift über die Preſſe, Sept. 1847. **) Thile an König Friedrich Wilhelm 18. März 1847, mit Randbemerkung.

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Zitationshilfe: Treitschke, Heinrich von: Deutsche Geschichte im Neunzehnten Jahrhundert. Bd. 5: Bis zur März-Revolution. Leipzig, 1894, S. 213. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/treitschke_geschichte05_1894/227>, abgerufen am 21.11.2024.