schaft seine Weisungen empfing, sonst aber getreulich seinen offen einge- standenen Grundsatz befolgte: das öffentliche Aussprechen einer Meinung ist immer ein Wagniß; dazu endlich noch das etwas liberaler gefärbte Frankfurter Journal, das sich mit der Oberpostamts-Zeitung durch einen förmlichen Vertrag dahin vereinbart hatte, daß sie einander gegenseitig weder bekämpfen noch auch nur erwähnen wollten.
In solcher Lage mußten die Erleichterungen, welche König Friedrich Wilhelm der Presse verhieß, allgemeine Freude erregen. Der liberale Rheinländer L. Buhl begrüßte die kommende bessere Zeit sogleich mit einer begeisterten Schrift über "den Beruf der preußischen Presse". Als eine der ersten Früchte der neuen Freiheit erschien das Buch von E. von Bülow-Cummerow "Preußen, seine Verfassung und Verwaltung", das einen damals noch beispiellosen Absatz fand. Dieser alte rührige Vorkämpfer des Großgrundbesitzes, der einst den Kreisordnungs-Plänen Hardenberg's so lebhaft entgegengetreten war,*) hatte inzwischen die ritterschaftliche Bank für Pommern gegründet und wollte auch jetzt noch die altständischen In- stitutionen des flachen Landes, gutsherrliche Polizei und Patrimonialge- richtsbarkeit aufrechthalten. Um so mehr mußte es überraschen, daß ein so conservativer Mann unumwunden aussprach: seit dem Thronwechsel befinde sich das Land in einer Krisis, die nur durch rasche Lösung der Verfassungsfrage beendigt werden könne. Er forderte zum mindesten regelmäßige Berufung der Vereinigten Ausschüsse zur Prüfung des Staats- haushalts und Bewilligung neuer Steuern. Mit Selbstgefühl sprach er von Preußens führender Stellung im Deutschen Bunde und sagte schon dreist: Oesterreich gehöre eigentlich gar nicht zu Deutschland, wohl aber Holstein. Sein scharfer, oftmals ungerechter Tadel wider die Finanzver- waltung, namentlich wider die Domänenverkäufe empörte das Beamten- thum; Kühne schrieb dawider geharnischte Artikel in der Staatszeitung. Der König aber erwies dem unruhigen alten Herrn sein Wohlwollen; denn Angriffe des Landadels auf die Geheimen Räthe kränkten ihn nicht, und noch wiegte er sich in dem hoffnungsvollen Wahne, daß er selber jeden Widerspruch ertragen könne.
Am wenigsten bemerkte man in Berlin von der freieren Bewegung der Presse. Die Behörden zeigten sich hier besonders ängstlich; eine neue Zeitschrift L. Buhl's, der Patriot, wurde schon nach wenigen Monaten verboten, obgleich sie kaum über die Durchschnittsmeinung des aufgeklärten Liberalis- mus hinausgegangen war. Die Vossische Zeitung begann schüchtern einige Leitartikel zu bringen, während die Spener'sche ihre gewohnten Erörte- rungen über Straßenpflaster und Gaslaternen treufleißig fortsetzte. Noch war hier kein Boden für eine kräftige Publicistik; der politische Sinn der höheren Stände zeigte sich allein in der boshaften persönlichen Klatscherei
*) s. o. III. 115.
V. 3. Enttäuſchung und Verwirrung.
ſchaft ſeine Weiſungen empfing, ſonſt aber getreulich ſeinen offen einge- ſtandenen Grundſatz befolgte: das öffentliche Ausſprechen einer Meinung iſt immer ein Wagniß; dazu endlich noch das etwas liberaler gefärbte Frankfurter Journal, das ſich mit der Oberpoſtamts-Zeitung durch einen förmlichen Vertrag dahin vereinbart hatte, daß ſie einander gegenſeitig weder bekämpfen noch auch nur erwähnen wollten.
In ſolcher Lage mußten die Erleichterungen, welche König Friedrich Wilhelm der Preſſe verhieß, allgemeine Freude erregen. Der liberale Rheinländer L. Buhl begrüßte die kommende beſſere Zeit ſogleich mit einer begeiſterten Schrift über „den Beruf der preußiſchen Preſſe“. Als eine der erſten Früchte der neuen Freiheit erſchien das Buch von E. von Bülow-Cummerow „Preußen, ſeine Verfaſſung und Verwaltung“, das einen damals noch beiſpielloſen Abſatz fand. Dieſer alte rührige Vorkämpfer des Großgrundbeſitzes, der einſt den Kreisordnungs-Plänen Hardenberg’s ſo lebhaft entgegengetreten war,*) hatte inzwiſchen die ritterſchaftliche Bank für Pommern gegründet und wollte auch jetzt noch die altſtändiſchen In- ſtitutionen des flachen Landes, gutsherrliche Polizei und Patrimonialge- richtsbarkeit aufrechthalten. Um ſo mehr mußte es überraſchen, daß ein ſo conſervativer Mann unumwunden ausſprach: ſeit dem Thronwechſel befinde ſich das Land in einer Kriſis, die nur durch raſche Löſung der Verfaſſungsfrage beendigt werden könne. Er forderte zum mindeſten regelmäßige Berufung der Vereinigten Ausſchüſſe zur Prüfung des Staats- haushalts und Bewilligung neuer Steuern. Mit Selbſtgefühl ſprach er von Preußens führender Stellung im Deutſchen Bunde und ſagte ſchon dreiſt: Oeſterreich gehöre eigentlich gar nicht zu Deutſchland, wohl aber Holſtein. Sein ſcharfer, oftmals ungerechter Tadel wider die Finanzver- waltung, namentlich wider die Domänenverkäufe empörte das Beamten- thum; Kühne ſchrieb dawider geharniſchte Artikel in der Staatszeitung. Der König aber erwies dem unruhigen alten Herrn ſein Wohlwollen; denn Angriffe des Landadels auf die Geheimen Räthe kränkten ihn nicht, und noch wiegte er ſich in dem hoffnungsvollen Wahne, daß er ſelber jeden Widerſpruch ertragen könne.
Am wenigſten bemerkte man in Berlin von der freieren Bewegung der Preſſe. Die Behörden zeigten ſich hier beſonders ängſtlich; eine neue Zeitſchrift L. Buhl’s, der Patriot, wurde ſchon nach wenigen Monaten verboten, obgleich ſie kaum über die Durchſchnittsmeinung des aufgeklärten Liberalis- mus hinausgegangen war. Die Voſſiſche Zeitung begann ſchüchtern einige Leitartikel zu bringen, während die Spener’ſche ihre gewohnten Erörte- rungen über Straßenpflaſter und Gaslaternen treufleißig fortſetzte. Noch war hier kein Boden für eine kräftige Publiciſtik; der politiſche Sinn der höheren Stände zeigte ſich allein in der boshaften perſönlichen Klatſcherei
*) ſ. o. III. 115.
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ſchaft ſeine Weiſungen empfing, ſonſt aber getreulich ſeinen offen einge-
ſtandenen Grundſatz befolgte: das öffentliche Ausſprechen einer Meinung
iſt immer ein Wagniß; dazu endlich noch das etwas liberaler gefärbte
Frankfurter Journal, das ſich mit der Oberpoſtamts-Zeitung durch einen
förmlichen Vertrag dahin vereinbart hatte, daß ſie einander gegenſeitig
weder bekämpfen noch auch nur erwähnen wollten.
In ſolcher Lage mußten die Erleichterungen, welche König Friedrich
Wilhelm der Preſſe verhieß, allgemeine Freude erregen. Der liberale
Rheinländer L. Buhl begrüßte die kommende beſſere Zeit ſogleich mit
einer begeiſterten Schrift über „den Beruf der preußiſchen Preſſe“. Als
eine der erſten Früchte der neuen Freiheit erſchien das Buch von E. von
Bülow-Cummerow „Preußen, ſeine Verfaſſung und Verwaltung“, das einen
damals noch beiſpielloſen Abſatz fand. Dieſer alte rührige Vorkämpfer
des Großgrundbeſitzes, der einſt den Kreisordnungs-Plänen Hardenberg’s
ſo lebhaft entgegengetreten war, *) hatte inzwiſchen die ritterſchaftliche Bank
für Pommern gegründet und wollte auch jetzt noch die altſtändiſchen In-
ſtitutionen des flachen Landes, gutsherrliche Polizei und Patrimonialge-
richtsbarkeit aufrechthalten. Um ſo mehr mußte es überraſchen, daß ein
ſo conſervativer Mann unumwunden ausſprach: ſeit dem Thronwechſel
befinde ſich das Land in einer Kriſis, die nur durch raſche Löſung der
Verfaſſungsfrage beendigt werden könne. Er forderte zum mindeſten
regelmäßige Berufung der Vereinigten Ausſchüſſe zur Prüfung des Staats-
haushalts und Bewilligung neuer Steuern. Mit Selbſtgefühl ſprach er
von Preußens führender Stellung im Deutſchen Bunde und ſagte ſchon
dreiſt: Oeſterreich gehöre eigentlich gar nicht zu Deutſchland, wohl aber
Holſtein. Sein ſcharfer, oftmals ungerechter Tadel wider die Finanzver-
waltung, namentlich wider die Domänenverkäufe empörte das Beamten-
thum; Kühne ſchrieb dawider geharniſchte Artikel in der Staatszeitung.
Der König aber erwies dem unruhigen alten Herrn ſein Wohlwollen;
denn Angriffe des Landadels auf die Geheimen Räthe kränkten ihn nicht,
und noch wiegte er ſich in dem hoffnungsvollen Wahne, daß er ſelber
jeden Widerſpruch ertragen könne.
Am wenigſten bemerkte man in Berlin von der freieren Bewegung
der Preſſe. Die Behörden zeigten ſich hier beſonders ängſtlich; eine neue
Zeitſchrift L. Buhl’s, der Patriot, wurde ſchon nach wenigen Monaten verboten,
obgleich ſie kaum über die Durchſchnittsmeinung des aufgeklärten Liberalis-
mus hinausgegangen war. Die Voſſiſche Zeitung begann ſchüchtern einige
Leitartikel zu bringen, während die Spener’ſche ihre gewohnten Erörte-
rungen über Straßenpflaſter und Gaslaternen treufleißig fortſetzte. Noch
war hier kein Boden für eine kräftige Publiciſtik; der politiſche Sinn der
höheren Stände zeigte ſich allein in der boshaften perſönlichen Klatſcherei
*) ſ. o. III. 115.
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Treitschke, Heinrich von: Deutsche Geschichte im Neunzehnten Jahrhundert. Bd. 5: Bis zur März-Revolution. Leipzig, 1894, S. 198. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/treitschke_geschichte05_1894/212>, abgerufen am 21.11.2024.
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