an die Stelle der anderen setzen will." General Dohna beeilte sich na- türlich diesen Brief überall zu verbreiten, und von constitutionellen Plänen des Königs konnte fortan Niemand mehr reden.
Ein Jahr nach Schön's Entlassung, 8. Juni 1843, feierten die Ost- preußen den fünfzigsten Jahrestag seines Eintritts in den Staatsdienst. Einige angesehene Männer des Landes hatten eine Sammlung veran- staltet, und -- so stark war schon die Macht der liberalen Legende -- selbst aus Süddeutschland liefen Beiträge ein, obgleich der eingefleischte ostpreußische Particularist sich um die übrigen Deutschen nie viel geküm- mert hatte. Der Ertrag reichte aus um Schön's Familiengut Arnau von Schulden zu entlasten; mit dem Ueberschusse wollte man ihm noch bei Lebzeiten ein Denkmal, einen Obelisken in Königsberg, errichten, ein in jener Zeit ganz unerhörter Plan, den der König genehmigte, doch ohne dem Jubilar sonst noch eine Gnade zu erweisen. Schön sträubte sich lange dem Feste der Grundsteinlegung beizuwohnen, er wollte, wie er mit verblüffender Kindlichkeit sagte, keine Untreue gegen sich selbst begehen. Die Mitglieder des Festausschusses mußten ihn erst mehrfach durch Briefe und Besuche bedrängen bis sie sich endlich rühmen konnten "einmal im Leben seinen Entschluß geändert zu haben". Fast die ganze Provinz nahm theil, als nunmehr "großartiger Bürgertugend die Huldigung dar- gebracht" wurde; nur die Strengkirchlichen und einige aus den conserva- tiven Adelskreisen hielten sich fern. Nicht blos der aufgeklärte Theolog Cäsar von Lengerke ließ seine den Liberalen allezeit gefällige Leier erklingen; selbst Eichendorff, der gut katholische Dichter, der während seiner Königs- berger Amtszeit das Land und dessen langjährigen Beherrscher lieben ge- lernt hatte, sendete "dem braven Schiffer" seinen Festgruß:
Und da die Brandung sich verlief, Die Wasser müde sanken, Gerettet hat er aus dem Tief Den Hort uns der Gedanken.
Auch die Universität überreichte ihren Glückwunsch; denn fast überall war das Professorenthum schon für den Liberalismus gewonnen. Die Hauptrede hielt Friedrich von Fahrenheid, der volksbeliebteste Mann vom liberalen ostpreußischen Adel, ein transcendentaler Pferdezüchter, wie Schön ihn nannte, vielseitig gebildet, menschenfreundlich, hochverdient um Wiesen- bau und Wettrennen. Bescheiden wies der Gefeierte die Lobsprüche von sich und sagte, durchaus nach dem Sinne der Ostpreußen: alles Verdienst seines ganz der Idee gewidmeten Lebens gebühre seinem großen Lehrer Kant. Es war ein großes Familienfest der Provinz, und auch fernerhin blieb der alte Herr bei der Mehrzahl seiner Landsleute in solchem Ansehen, daß jeder Zweifel an seiner Größe fast wie ein Landesverrath betrachtet wurde; denn in einer langen Amtsführung war sein Name unzertrennlich mit der Provinz verwachsen, die mannichfachen guten Früchte seines Wirkens
V. 3. Enttäuſchung und Verwirrung.
an die Stelle der anderen ſetzen will.“ General Dohna beeilte ſich na- türlich dieſen Brief überall zu verbreiten, und von conſtitutionellen Plänen des Königs konnte fortan Niemand mehr reden.
Ein Jahr nach Schön’s Entlaſſung, 8. Juni 1843, feierten die Oſt- preußen den fünfzigſten Jahrestag ſeines Eintritts in den Staatsdienſt. Einige angeſehene Männer des Landes hatten eine Sammlung veran- ſtaltet, und — ſo ſtark war ſchon die Macht der liberalen Legende — ſelbſt aus Süddeutſchland liefen Beiträge ein, obgleich der eingefleiſchte oſtpreußiſche Particulariſt ſich um die übrigen Deutſchen nie viel geküm- mert hatte. Der Ertrag reichte aus um Schön’s Familiengut Arnau von Schulden zu entlaſten; mit dem Ueberſchuſſe wollte man ihm noch bei Lebzeiten ein Denkmal, einen Obelisken in Königsberg, errichten, ein in jener Zeit ganz unerhörter Plan, den der König genehmigte, doch ohne dem Jubilar ſonſt noch eine Gnade zu erweiſen. Schön ſträubte ſich lange dem Feſte der Grundſteinlegung beizuwohnen, er wollte, wie er mit verblüffender Kindlichkeit ſagte, keine Untreue gegen ſich ſelbſt begehen. Die Mitglieder des Feſtausſchuſſes mußten ihn erſt mehrfach durch Briefe und Beſuche bedrängen bis ſie ſich endlich rühmen konnten „einmal im Leben ſeinen Entſchluß geändert zu haben“. Faſt die ganze Provinz nahm theil, als nunmehr „großartiger Bürgertugend die Huldigung dar- gebracht“ wurde; nur die Strengkirchlichen und einige aus den conſerva- tiven Adelskreiſen hielten ſich fern. Nicht blos der aufgeklärte Theolog Cäſar von Lengerke ließ ſeine den Liberalen allezeit gefällige Leier erklingen; ſelbſt Eichendorff, der gut katholiſche Dichter, der während ſeiner Königs- berger Amtszeit das Land und deſſen langjährigen Beherrſcher lieben ge- lernt hatte, ſendete „dem braven Schiffer“ ſeinen Feſtgruß:
Und da die Brandung ſich verlief, Die Waſſer müde ſanken, Gerettet hat er aus dem Tief Den Hort uns der Gedanken.
Auch die Univerſität überreichte ihren Glückwunſch; denn faſt überall war das Profeſſorenthum ſchon für den Liberalismus gewonnen. Die Hauptrede hielt Friedrich von Fahrenheid, der volksbeliebteſte Mann vom liberalen oſtpreußiſchen Adel, ein transcendentaler Pferdezüchter, wie Schön ihn nannte, vielſeitig gebildet, menſchenfreundlich, hochverdient um Wieſen- bau und Wettrennen. Beſcheiden wies der Gefeierte die Lobſprüche von ſich und ſagte, durchaus nach dem Sinne der Oſtpreußen: alles Verdienſt ſeines ganz der Idee gewidmeten Lebens gebühre ſeinem großen Lehrer Kant. Es war ein großes Familienfeſt der Provinz, und auch fernerhin blieb der alte Herr bei der Mehrzahl ſeiner Landsleute in ſolchem Anſehen, daß jeder Zweifel an ſeiner Größe faſt wie ein Landesverrath betrachtet wurde; denn in einer langen Amtsführung war ſein Name unzertrennlich mit der Provinz verwachſen, die mannichfachen guten Früchte ſeines Wirkens
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an die Stelle der anderen ſetzen will.“ General Dohna beeilte ſich na-
türlich dieſen Brief überall zu verbreiten, und von conſtitutionellen Plänen
des Königs konnte fortan Niemand mehr reden.
Ein Jahr nach Schön’s Entlaſſung, 8. Juni 1843, feierten die Oſt-
preußen den fünfzigſten Jahrestag ſeines Eintritts in den Staatsdienſt.
Einige angeſehene Männer des Landes hatten eine Sammlung veran-
ſtaltet, und — ſo ſtark war ſchon die Macht der liberalen Legende —
ſelbſt aus Süddeutſchland liefen Beiträge ein, obgleich der eingefleiſchte
oſtpreußiſche Particulariſt ſich um die übrigen Deutſchen nie viel geküm-
mert hatte. Der Ertrag reichte aus um Schön’s Familiengut Arnau
von Schulden zu entlaſten; mit dem Ueberſchuſſe wollte man ihm noch
bei Lebzeiten ein Denkmal, einen Obelisken in Königsberg, errichten, ein
in jener Zeit ganz unerhörter Plan, den der König genehmigte, doch ohne
dem Jubilar ſonſt noch eine Gnade zu erweiſen. Schön ſträubte ſich
lange dem Feſte der Grundſteinlegung beizuwohnen, er wollte, wie er mit
verblüffender Kindlichkeit ſagte, keine Untreue gegen ſich ſelbſt begehen.
Die Mitglieder des Feſtausſchuſſes mußten ihn erſt mehrfach durch Briefe
und Beſuche bedrängen bis ſie ſich endlich rühmen konnten „einmal im
Leben ſeinen Entſchluß geändert zu haben“. Faſt die ganze Provinz
nahm theil, als nunmehr „großartiger Bürgertugend die Huldigung dar-
gebracht“ wurde; nur die Strengkirchlichen und einige aus den conſerva-
tiven Adelskreiſen hielten ſich fern. Nicht blos der aufgeklärte Theolog
Cäſar von Lengerke ließ ſeine den Liberalen allezeit gefällige Leier erklingen;
ſelbſt Eichendorff, der gut katholiſche Dichter, der während ſeiner Königs-
berger Amtszeit das Land und deſſen langjährigen Beherrſcher lieben ge-
lernt hatte, ſendete „dem braven Schiffer“ ſeinen Feſtgruß:
Und da die Brandung ſich verlief,
Die Waſſer müde ſanken,
Gerettet hat er aus dem Tief
Den Hort uns der Gedanken.
Auch die Univerſität überreichte ihren Glückwunſch; denn faſt überall
war das Profeſſorenthum ſchon für den Liberalismus gewonnen. Die
Hauptrede hielt Friedrich von Fahrenheid, der volksbeliebteſte Mann vom
liberalen oſtpreußiſchen Adel, ein transcendentaler Pferdezüchter, wie Schön
ihn nannte, vielſeitig gebildet, menſchenfreundlich, hochverdient um Wieſen-
bau und Wettrennen. Beſcheiden wies der Gefeierte die Lobſprüche von
ſich und ſagte, durchaus nach dem Sinne der Oſtpreußen: alles Verdienſt
ſeines ganz der Idee gewidmeten Lebens gebühre ſeinem großen Lehrer Kant.
Es war ein großes Familienfeſt der Provinz, und auch fernerhin blieb der
alte Herr bei der Mehrzahl ſeiner Landsleute in ſolchem Anſehen, daß jeder
Zweifel an ſeiner Größe faſt wie ein Landesverrath betrachtet wurde;
denn in einer langen Amtsführung war ſein Name unzertrennlich mit
der Provinz verwachſen, die mannichfachen guten Früchte ſeines Wirkens
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Treitschke, Heinrich von: Deutsche Geschichte im Neunzehnten Jahrhundert. Bd. 5: Bis zur März-Revolution. Leipzig, 1894, S. 166. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/treitschke_geschichte05_1894/180>, abgerufen am 27.11.2024.
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