Friedrich Wilhelm auch diesmal wieder einen bedeutenden Mann an die falsche Stelle gesetzt hatte; Savigny's Thätigkeit im Ministerrathe beraubte die Wissenschaft auf einige Jahre einer unvergleichlichen Kraft und förderte die preußische Gesetzgebung nur wenig.
Leichter als Kamptz trennte sich Graf Alvensleben von seinem Amte. Er hatte vor Jahren der romantischen Maikäfergesellschaft der Gebrüder Gerlach angehört und wurde von diesen Jugendfreunden noch immer zu den zuverlässigen Gesinnungsgenossen gezählt. Durch seine lange Amts- führung war er jedoch an den geräuschlosen stätigen Gang des alten Re- giments gewöhnt und sagte zu Rochow von vornherein: jetzt sei für sie Beide kein Platz mehr, der neue Herr wolle in Allem allein regieren, selbst die Einzelheiten der Verwaltung durch oft willkürliche oder unpraktische Befehle regeln, und umgebe sich darum absichtlich nur mit Männern, die er weit übersehe. Längst entschlossen sich bei rechter Gelegenheit zu- rückzuziehen, erhielt der Graf im October 1841 einen scharfen Verweis, weil er bei den schwebenden Verhandlungen über die Zuckerzölle den Ab- sichten des Monarchen zuwider gehandelt hätte. Sofort verlangte er seinen Abschied.*) Das hatte Friedrich Wilhelm nicht beabsichtigt; denn er schätzte Alvensleben sehr hoch, und war vor'm Jahre schon nahe daran gewesen ihm das wichtige Cultusministerium zu übertragen. Um den ge- kränkten Minister zu beschwichtigen dachte der König in der ersten Ver- legenheit, alle Schuld an dem Streite auf den pedantischen alten General- steuerdirector Kuhlmayer abzuwälzen. Da trat ihm Thile entgegen und sagte freimüthig: das würde die erste wirkliche Ungerechtigkeit in der Re- gierungszeit Sr. Majestät sein, denn Kuhlmayer habe immer nur genau die Weisungen des Ministers befolgt.**) So blieb es denn dabei, daß Alvensleben aus der Finanzverwaltung austrat; mit ihm schied auch Kuhlmayer.
Der König war jedoch nicht gesonnen, sich gänzlich von dem alten Freunde zu trennen; er ließ durch Leopold Gerlach, nachher durch die Königin mit ihm verhandeln, und Alvensleben entschloß sich endlich als Cabinetsminister neben General Thile einen Theil der politischen Vorträge bei dem Monarchen zu übernehmen. Mittlerweile wurde der Oberpräsident v. Bodelschwingh zum Eintritt in das erledigte Amt aufgefordert, und nach den Anschauungen des alten Beamtenthums betrachtete er es als seine Dienstpflicht dem Rufe des Königs zu gehorchen, obgleich er sehr un- gern seinen schönen rheinischen Wirkungskreis verließ.***) Im Mai 1842 trat er das Amt an, unter ihm Geh. Rath Kühne als Generalsteuer- direktor. Endlich wieder schien ein frischerer Geist in die etwas erstarrte
*) Nach Kühne's Aufzeichnungen.
**) Thile's Bericht an den König o. D. (Januar 1842.)
***) Bodelschwingh an Thile, 25. Nov. 1841.
Savigny. Alvensleben. Bodelſchwingh.
Friedrich Wilhelm auch diesmal wieder einen bedeutenden Mann an die falſche Stelle geſetzt hatte; Savigny’s Thätigkeit im Miniſterrathe beraubte die Wiſſenſchaft auf einige Jahre einer unvergleichlichen Kraft und förderte die preußiſche Geſetzgebung nur wenig.
Leichter als Kamptz trennte ſich Graf Alvensleben von ſeinem Amte. Er hatte vor Jahren der romantiſchen Maikäfergeſellſchaft der Gebrüder Gerlach angehört und wurde von dieſen Jugendfreunden noch immer zu den zuverläſſigen Geſinnungsgenoſſen gezählt. Durch ſeine lange Amts- führung war er jedoch an den geräuſchloſen ſtätigen Gang des alten Re- giments gewöhnt und ſagte zu Rochow von vornherein: jetzt ſei für ſie Beide kein Platz mehr, der neue Herr wolle in Allem allein regieren, ſelbſt die Einzelheiten der Verwaltung durch oft willkürliche oder unpraktiſche Befehle regeln, und umgebe ſich darum abſichtlich nur mit Männern, die er weit überſehe. Längſt entſchloſſen ſich bei rechter Gelegenheit zu- rückzuziehen, erhielt der Graf im October 1841 einen ſcharfen Verweis, weil er bei den ſchwebenden Verhandlungen über die Zuckerzölle den Ab- ſichten des Monarchen zuwider gehandelt hätte. Sofort verlangte er ſeinen Abſchied.*) Das hatte Friedrich Wilhelm nicht beabſichtigt; denn er ſchätzte Alvensleben ſehr hoch, und war vor’m Jahre ſchon nahe daran geweſen ihm das wichtige Cultusminiſterium zu übertragen. Um den ge- kränkten Miniſter zu beſchwichtigen dachte der König in der erſten Ver- legenheit, alle Schuld an dem Streite auf den pedantiſchen alten General- ſteuerdirector Kuhlmayer abzuwälzen. Da trat ihm Thile entgegen und ſagte freimüthig: das würde die erſte wirkliche Ungerechtigkeit in der Re- gierungszeit Sr. Majeſtät ſein, denn Kuhlmayer habe immer nur genau die Weiſungen des Miniſters befolgt.**) So blieb es denn dabei, daß Alvensleben aus der Finanzverwaltung austrat; mit ihm ſchied auch Kuhlmayer.
Der König war jedoch nicht geſonnen, ſich gänzlich von dem alten Freunde zu trennen; er ließ durch Leopold Gerlach, nachher durch die Königin mit ihm verhandeln, und Alvensleben entſchloß ſich endlich als Cabinetsminiſter neben General Thile einen Theil der politiſchen Vorträge bei dem Monarchen zu übernehmen. Mittlerweile wurde der Oberpräſident v. Bodelſchwingh zum Eintritt in das erledigte Amt aufgefordert, und nach den Anſchauungen des alten Beamtenthums betrachtete er es als ſeine Dienſtpflicht dem Rufe des Königs zu gehorchen, obgleich er ſehr un- gern ſeinen ſchönen rheiniſchen Wirkungskreis verließ.***) Im Mai 1842 trat er das Amt an, unter ihm Geh. Rath Kühne als Generalſteuer- direktor. Endlich wieder ſchien ein friſcherer Geiſt in die etwas erſtarrte
*) Nach Kühne’s Aufzeichnungen.
**) Thile’s Bericht an den König o. D. (Januar 1842.)
***) Bodelſchwingh an Thile, 25. Nov. 1841.
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Savigny. Alvensleben. Bodelſchwingh.
Friedrich Wilhelm auch diesmal wieder einen bedeutenden Mann an die
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die Wiſſenſchaft auf einige Jahre einer unvergleichlichen Kraft und förderte
die preußiſche Geſetzgebung nur wenig.
Leichter als Kamptz trennte ſich Graf Alvensleben von ſeinem Amte.
Er hatte vor Jahren der romantiſchen Maikäfergeſellſchaft der Gebrüder
Gerlach angehört und wurde von dieſen Jugendfreunden noch immer zu
den zuverläſſigen Geſinnungsgenoſſen gezählt. Durch ſeine lange Amts-
führung war er jedoch an den geräuſchloſen ſtätigen Gang des alten Re-
giments gewöhnt und ſagte zu Rochow von vornherein: jetzt ſei für ſie
Beide kein Platz mehr, der neue Herr wolle in Allem allein regieren, ſelbſt
die Einzelheiten der Verwaltung durch oft willkürliche oder unpraktiſche
Befehle regeln, und umgebe ſich darum abſichtlich nur mit Männern,
die er weit überſehe. Längſt entſchloſſen ſich bei rechter Gelegenheit zu-
rückzuziehen, erhielt der Graf im October 1841 einen ſcharfen Verweis,
weil er bei den ſchwebenden Verhandlungen über die Zuckerzölle den Ab-
ſichten des Monarchen zuwider gehandelt hätte. Sofort verlangte er
ſeinen Abſchied. *) Das hatte Friedrich Wilhelm nicht beabſichtigt; denn er
ſchätzte Alvensleben ſehr hoch, und war vor’m Jahre ſchon nahe daran
geweſen ihm das wichtige Cultusminiſterium zu übertragen. Um den ge-
kränkten Miniſter zu beſchwichtigen dachte der König in der erſten Ver-
legenheit, alle Schuld an dem Streite auf den pedantiſchen alten General-
ſteuerdirector Kuhlmayer abzuwälzen. Da trat ihm Thile entgegen und
ſagte freimüthig: das würde die erſte wirkliche Ungerechtigkeit in der Re-
gierungszeit Sr. Majeſtät ſein, denn Kuhlmayer habe immer nur genau
die Weiſungen des Miniſters befolgt. **) So blieb es denn dabei, daß
Alvensleben aus der Finanzverwaltung austrat; mit ihm ſchied auch
Kuhlmayer.
Der König war jedoch nicht geſonnen, ſich gänzlich von dem alten
Freunde zu trennen; er ließ durch Leopold Gerlach, nachher durch die
Königin mit ihm verhandeln, und Alvensleben entſchloß ſich endlich als
Cabinetsminiſter neben General Thile einen Theil der politiſchen Vorträge bei
dem Monarchen zu übernehmen. Mittlerweile wurde der Oberpräſident
v. Bodelſchwingh zum Eintritt in das erledigte Amt aufgefordert, und
nach den Anſchauungen des alten Beamtenthums betrachtete er es als
ſeine Dienſtpflicht dem Rufe des Königs zu gehorchen, obgleich er ſehr un-
gern ſeinen ſchönen rheiniſchen Wirkungskreis verließ. ***) Im Mai 1842
trat er das Amt an, unter ihm Geh. Rath Kühne als Generalſteuer-
direktor. Endlich wieder ſchien ein friſcherer Geiſt in die etwas erſtarrte
*) Nach Kühne’s Aufzeichnungen.
**) Thile’s Bericht an den König o. D. (Januar 1842.)
***) Bodelſchwingh an Thile, 25. Nov. 1841.
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Treitschke, Heinrich von: Deutsche Geschichte im Neunzehnten Jahrhundert. Bd. 5: Bis zur März-Revolution. Leipzig, 1894, S. 157. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/treitschke_geschichte05_1894/171>, abgerufen am 23.11.2024.
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