wendung zuweisen. So in Allem und Jedem dachten sie für sich zu bleiben.
Dies Uebermaß des Undanks fand selbst der langmüthige Friedrich Wilhelm unerträglich. Erzürnt schrieb er seinen Ministern: der Landtag habe Mißbrauch getrieben mit dem Worte: polnische Nationalität, und solle daher nachdrücklich darüber belehrt werden, daß die Krone dieser Provinz keine politische Absonderung gestatten könne.*) Demgemäß sagte der Land- tagsabschied sehr ernst: das Großherzogthum sei eine Provinz wie alle andern, einverleibt der Monarchie, zu deren deutschem Kerne die Polen ganz ebenso stünden wie die Litthauer oder die Wallonen; der nationale Gegensatz finde seinen Vereinigunspunkt in dem Namen Preußen. Die meisten Bitten des Landtags wurden abgeschlagen; die Kreisstände sollten das Recht der Landrathswahl, die alten Offiziere ihre Pensionen erst wieder erhalten, wenn sie sich der Gnade würdig zeigten.
Die deutsche liberale Presse wollte gar nicht begreifen, warum der freisinnige König die freisinnigen Polen so hart anließ. Am Peters- burger Hofe dagegen, wo die Posener Wirren mit wachsender Sorge ver- folgt wurden, athmete man befriedigt auf, der Czar zeigte dem preußischen Gesandten wieder eine lang vermißte Vertraulichkeit und Nesselrode dankte ihm herzlich für die würdige Abweisung des sarmatischen Uebermuthes.**) Die polnischen Edelleute klagten laut, in der Stille rieben sie sich zu- frieden die Hände; denn der Landtagsabschied enthielt unter vielen Ver- sagungen eine Gewährung und sie betraf grade die wichtigste aller natio- nalen Beschwerden. Der König versprach nämlich, daß die von der Regierung aufgekauften überschuldeten Landgüter fürderhin auch an Polen veräußert werden sollten. Bisher hatte der Staat fast allein solche Güter angekauft, deren adliche Herren durch hochverrätherische Umtriebe herabgekommen waren. Wenn er diese Besitzungen seiner geschworenen Feinde gegen reich- liche Zahlung an sich brachte und sie dann zuverlässigen Deutschen anver- traute, so arbeitete er nicht nur mit den mildesten Mitteln an dem großen Werke deutscher Kolonisation, das hier seit sechs Jahrhunderten im Gange war, er erwies auch den Polen selbst eine Wohlthat, allerdings nicht dem Adel, wohl aber den kleinen Leuten; denn auf allen diesen verwahrlosten Gütern saßen dienstpflichtige Hintersassen, und bei jedem Verkaufe ließ Flott- well die bäuerlichen Lasten ablösen oder in billiger Weise neu ordnen. Das Verfahren des deutschen Beamtenthums war so unanfechtbar, daß selbst General Thile, der den polnischen Neigungen seines königlichen Gönners so weit als möglich nachgab, nichts dawider einzuwenden wußte. Friedrich Wilhelm aber meinte, die Verwaltung hätte sich dieser friedlichen Ger- manisirungspolitik zu schämen, weil er den Märchen Glauben schenkte, die
*) Cabinetsordre an das Staatsministerium, 12. Juni 1841.
wendung zuweiſen. So in Allem und Jedem dachten ſie für ſich zu bleiben.
Dies Uebermaß des Undanks fand ſelbſt der langmüthige Friedrich Wilhelm unerträglich. Erzürnt ſchrieb er ſeinen Miniſtern: der Landtag habe Mißbrauch getrieben mit dem Worte: polniſche Nationalität, und ſolle daher nachdrücklich darüber belehrt werden, daß die Krone dieſer Provinz keine politiſche Abſonderung geſtatten könne.*) Demgemäß ſagte der Land- tagsabſchied ſehr ernſt: das Großherzogthum ſei eine Provinz wie alle andern, einverleibt der Monarchie, zu deren deutſchem Kerne die Polen ganz ebenſo ſtünden wie die Litthauer oder die Wallonen; der nationale Gegenſatz finde ſeinen Vereinigunspunkt in dem Namen Preußen. Die meiſten Bitten des Landtags wurden abgeſchlagen; die Kreisſtände ſollten das Recht der Landrathswahl, die alten Offiziere ihre Penſionen erſt wieder erhalten, wenn ſie ſich der Gnade würdig zeigten.
Die deutſche liberale Preſſe wollte gar nicht begreifen, warum der freiſinnige König die freiſinnigen Polen ſo hart anließ. Am Peters- burger Hofe dagegen, wo die Poſener Wirren mit wachſender Sorge ver- folgt wurden, athmete man befriedigt auf, der Czar zeigte dem preußiſchen Geſandten wieder eine lang vermißte Vertraulichkeit und Neſſelrode dankte ihm herzlich für die würdige Abweiſung des ſarmatiſchen Uebermuthes.**) Die polniſchen Edelleute klagten laut, in der Stille rieben ſie ſich zu- frieden die Hände; denn der Landtagsabſchied enthielt unter vielen Ver- ſagungen eine Gewährung und ſie betraf grade die wichtigſte aller natio- nalen Beſchwerden. Der König verſprach nämlich, daß die von der Regierung aufgekauften überſchuldeten Landgüter fürderhin auch an Polen veräußert werden ſollten. Bisher hatte der Staat faſt allein ſolche Güter angekauft, deren adliche Herren durch hochverrätheriſche Umtriebe herabgekommen waren. Wenn er dieſe Beſitzungen ſeiner geſchworenen Feinde gegen reich- liche Zahlung an ſich brachte und ſie dann zuverläſſigen Deutſchen anver- traute, ſo arbeitete er nicht nur mit den mildeſten Mitteln an dem großen Werke deutſcher Koloniſation, das hier ſeit ſechs Jahrhunderten im Gange war, er erwies auch den Polen ſelbſt eine Wohlthat, allerdings nicht dem Adel, wohl aber den kleinen Leuten; denn auf allen dieſen verwahrloſten Gütern ſaßen dienſtpflichtige Hinterſaſſen, und bei jedem Verkaufe ließ Flott- well die bäuerlichen Laſten ablöſen oder in billiger Weiſe neu ordnen. Das Verfahren des deutſchen Beamtenthums war ſo unanfechtbar, daß ſelbſt General Thile, der den polniſchen Neigungen ſeines königlichen Gönners ſo weit als möglich nachgab, nichts dawider einzuwenden wußte. Friedrich Wilhelm aber meinte, die Verwaltung hätte ſich dieſer friedlichen Ger- maniſirungspolitik zu ſchämen, weil er den Märchen Glauben ſchenkte, die
*) Cabinetsordre an das Staatsminiſterium, 12. Juni 1841.
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V. 3. Enttäuſchung und Verwirrung.
wendung zuweiſen. So in Allem und Jedem dachten ſie für ſich zu
bleiben.
Dies Uebermaß des Undanks fand ſelbſt der langmüthige Friedrich
Wilhelm unerträglich. Erzürnt ſchrieb er ſeinen Miniſtern: der Landtag habe
Mißbrauch getrieben mit dem Worte: polniſche Nationalität, und ſolle
daher nachdrücklich darüber belehrt werden, daß die Krone dieſer Provinz
keine politiſche Abſonderung geſtatten könne. *) Demgemäß ſagte der Land-
tagsabſchied ſehr ernſt: das Großherzogthum ſei eine Provinz wie alle
andern, einverleibt der Monarchie, zu deren deutſchem Kerne die Polen
ganz ebenſo ſtünden wie die Litthauer oder die Wallonen; der nationale
Gegenſatz finde ſeinen Vereinigunspunkt in dem Namen Preußen. Die
meiſten Bitten des Landtags wurden abgeſchlagen; die Kreisſtände ſollten
das Recht der Landrathswahl, die alten Offiziere ihre Penſionen erſt wieder
erhalten, wenn ſie ſich der Gnade würdig zeigten.
Die deutſche liberale Preſſe wollte gar nicht begreifen, warum der
freiſinnige König die freiſinnigen Polen ſo hart anließ. Am Peters-
burger Hofe dagegen, wo die Poſener Wirren mit wachſender Sorge ver-
folgt wurden, athmete man befriedigt auf, der Czar zeigte dem preußiſchen
Geſandten wieder eine lang vermißte Vertraulichkeit und Neſſelrode dankte
ihm herzlich für die würdige Abweiſung des ſarmatiſchen Uebermuthes. **)
Die polniſchen Edelleute klagten laut, in der Stille rieben ſie ſich zu-
frieden die Hände; denn der Landtagsabſchied enthielt unter vielen Ver-
ſagungen eine Gewährung und ſie betraf grade die wichtigſte aller natio-
nalen Beſchwerden. Der König verſprach nämlich, daß die von der Regierung
aufgekauften überſchuldeten Landgüter fürderhin auch an Polen veräußert
werden ſollten. Bisher hatte der Staat faſt allein ſolche Güter angekauft,
deren adliche Herren durch hochverrätheriſche Umtriebe herabgekommen
waren. Wenn er dieſe Beſitzungen ſeiner geſchworenen Feinde gegen reich-
liche Zahlung an ſich brachte und ſie dann zuverläſſigen Deutſchen anver-
traute, ſo arbeitete er nicht nur mit den mildeſten Mitteln an dem großen
Werke deutſcher Koloniſation, das hier ſeit ſechs Jahrhunderten im Gange
war, er erwies auch den Polen ſelbſt eine Wohlthat, allerdings nicht dem
Adel, wohl aber den kleinen Leuten; denn auf allen dieſen verwahrloſten
Gütern ſaßen dienſtpflichtige Hinterſaſſen, und bei jedem Verkaufe ließ Flott-
well die bäuerlichen Laſten ablöſen oder in billiger Weiſe neu ordnen. Das
Verfahren des deutſchen Beamtenthums war ſo unanfechtbar, daß ſelbſt
General Thile, der den polniſchen Neigungen ſeines königlichen Gönners
ſo weit als möglich nachgab, nichts dawider einzuwenden wußte. Friedrich
Wilhelm aber meinte, die Verwaltung hätte ſich dieſer friedlichen Ger-
maniſirungspolitik zu ſchämen, weil er den Märchen Glauben ſchenkte, die
*) Cabinetsordre an das Staatsminiſterium, 12. Juni 1841.
**) Liebermann’s Berichte, 24. Aug., 28. Dec. 1841.
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Treitschke, Heinrich von: Deutsche Geschichte im Neunzehnten Jahrhundert. Bd. 5: Bis zur März-Revolution. Leipzig, 1894, S. 148. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/treitschke_geschichte05_1894/162>, abgerufen am 23.11.2024.
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