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Treitschke, Heinrich von: Deutsche Geschichte im Neunzehnten Jahrhundert. Bd. 5: Bis zur März-Revolution. Leipzig, 1894.

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Die süddeutschen Bundesfestungen.
mandirenden Offiziere Möbel anzuschaffen, welche, Dank der mangelhaften
Controle, schon wieder fast ganz zerstört waren. So schimpflich das Alles
war, Graf Münch meinte achselzuckend: ein Neubau könne für diesen
Krieg doch nichts mehr nützen und nur gefährliches Aufsehen erregen.
Selbst Radowitz hielt für gerathen, jetzt für Mainz nichts zu fordern,
denn sonst wäre die Berathung über die süddeutschen Bundesfestungen,
welche dem Könige zunächst am Herzen lag, nie zum Abschlusse gelangt.*)

Seit dem Jahre 1836 ward diese so sündlich verschleppte Angelegen-
heit wieder ernstlich besprochen. Die Parteien standen noch wie vor zwei
Jahrzehnten. Während die Süddeutschen, nach Sinn und Wortlaut der
Verträge, eine Bundesfestung "am Oberrhein" also Rastatt verlangten,
bestand Oesterreich noch immer auf der Befestigung von Ulm. Der k. k.
Hofkriegsrath wollte seine Kaiserstadt gegen die Gefahren eines neuen
napoleonischen Donaufeldzugs decken und verfocht hartnäckig die doktri-
näre Behauptung, daß die Franzosen den nächsten Krieg unfehlbar mit
einem Zuge durch die Schweiz eröffnen, mithin die oberrheinischen Lande
von vornherein umgehen würden. Diesen Ansichten, die nur zu leb-
haft an den wundersamen Feldzugsplan von 1814 erinnerten, pflichtete
in Berlin nur ein einziger namhafter Offizier bei: der immerdar öster-
reichisch gesinnte Knesebeck. Alle andern Generale, voran der Kriegs-
minister Rauch und der Generalstabschef Krauseneck standen auf der Seite
der oberrheinischen Höfe. Krauseneck sagte mit preußischem Gradsinn:
"die Süddeutschen wollen eine sie schützende Festung haben ohne den
Oesterreichern dienstpflichtig zu werden; diese, welche die Revolution zum
Gespenst machen, mit dem sie die Cabinette einschüchtern, wollen eine
österreichische Festung mit deutschem Gelde erbaut wissen." Aber die
süße Gewohnheit, deutsche Kräfte für österreichische Zwecke auszubeuten,
war in Wien seit Jahrhunderten zu fest eingebürgert; der Hofkriegsrath
blieb unbelehrbar. Daher kam Friedrich Wilhelm III. schon frühe zu der
Einsicht, der unwürdige Streit lasse sich nur dann beilegen, wenn man
beide Plätze, Ulm und Rastatt zugleich befestige. Auch General Aster
meinte, es gebe keinen anderen Ausweg. Der Petersburger Hof, der es
nun einmal nicht lassen konnte die Vertheidigung unserer Westgrenze wie
seine eigene Sache zu behandeln, äußerte sich in gleichem Sinne gegen
die deutschen Großmächte.

Der alte Herr erlebte noch die Freude, daß die süddeutschen Staaten
sich im April 1840, auf einer Conferenz zu Karlsruhe, über den preußi-
schen Vermittlungsvorschlag einigten und auch Baden endlich ein Stück
Landes für den Germersheimer Brückenkopf abtrat.**) Aber erst sein

*) F. Z. M. Landgraf von Hessen-Homburg an das Bundespräsidium 21. Aug.
Berichte von Schöler 4. 12. Sept., von Sydow 31. Oct. 1840.
**) Dönhoff's Bericht, 25. April 1840.

Die ſüddeutſchen Bundesfeſtungen.
mandirenden Offiziere Möbel anzuſchaffen, welche, Dank der mangelhaften
Controle, ſchon wieder faſt ganz zerſtört waren. So ſchimpflich das Alles
war, Graf Münch meinte achſelzuckend: ein Neubau könne für dieſen
Krieg doch nichts mehr nützen und nur gefährliches Aufſehen erregen.
Selbſt Radowitz hielt für gerathen, jetzt für Mainz nichts zu fordern,
denn ſonſt wäre die Berathung über die ſüddeutſchen Bundesfeſtungen,
welche dem Könige zunächſt am Herzen lag, nie zum Abſchluſſe gelangt.*)

Seit dem Jahre 1836 ward dieſe ſo ſündlich verſchleppte Angelegen-
heit wieder ernſtlich beſprochen. Die Parteien ſtanden noch wie vor zwei
Jahrzehnten. Während die Süddeutſchen, nach Sinn und Wortlaut der
Verträge, eine Bundesfeſtung „am Oberrhein“ alſo Raſtatt verlangten,
beſtand Oeſterreich noch immer auf der Befeſtigung von Ulm. Der k. k.
Hofkriegsrath wollte ſeine Kaiſerſtadt gegen die Gefahren eines neuen
napoleoniſchen Donaufeldzugs decken und verfocht hartnäckig die doktri-
näre Behauptung, daß die Franzoſen den nächſten Krieg unfehlbar mit
einem Zuge durch die Schweiz eröffnen, mithin die oberrheiniſchen Lande
von vornherein umgehen würden. Dieſen Anſichten, die nur zu leb-
haft an den wunderſamen Feldzugsplan von 1814 erinnerten, pflichtete
in Berlin nur ein einziger namhafter Offizier bei: der immerdar öſter-
reichiſch geſinnte Kneſebeck. Alle andern Generale, voran der Kriegs-
miniſter Rauch und der Generalſtabschef Krauſeneck ſtanden auf der Seite
der oberrheiniſchen Höfe. Krauſeneck ſagte mit preußiſchem Gradſinn:
„die Süddeutſchen wollen eine ſie ſchützende Feſtung haben ohne den
Oeſterreichern dienſtpflichtig zu werden; dieſe, welche die Revolution zum
Geſpenſt machen, mit dem ſie die Cabinette einſchüchtern, wollen eine
öſterreichiſche Feſtung mit deutſchem Gelde erbaut wiſſen.“ Aber die
ſüße Gewohnheit, deutſche Kräfte für öſterreichiſche Zwecke auszubeuten,
war in Wien ſeit Jahrhunderten zu feſt eingebürgert; der Hofkriegsrath
blieb unbelehrbar. Daher kam Friedrich Wilhelm III. ſchon frühe zu der
Einſicht, der unwürdige Streit laſſe ſich nur dann beilegen, wenn man
beide Plätze, Ulm und Raſtatt zugleich befeſtige. Auch General Aſter
meinte, es gebe keinen anderen Ausweg. Der Petersburger Hof, der es
nun einmal nicht laſſen konnte die Vertheidigung unſerer Weſtgrenze wie
ſeine eigene Sache zu behandeln, äußerte ſich in gleichem Sinne gegen
die deutſchen Großmächte.

Der alte Herr erlebte noch die Freude, daß die ſüddeutſchen Staaten
ſich im April 1840, auf einer Conferenz zu Karlsruhe, über den preußi-
ſchen Vermittlungsvorſchlag einigten und auch Baden endlich ein Stück
Landes für den Germersheimer Brückenkopf abtrat.**) Aber erſt ſein

*) F. Z. M. Landgraf von Heſſen-Homburg an das Bundespräſidium 21. Aug.
Berichte von Schöler 4. 12. Sept., von Sydow 31. Oct. 1840.
**) Dönhoff’s Bericht, 25. April 1840.
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[101/0115] Die ſüddeutſchen Bundesfeſtungen. mandirenden Offiziere Möbel anzuſchaffen, welche, Dank der mangelhaften Controle, ſchon wieder faſt ganz zerſtört waren. So ſchimpflich das Alles war, Graf Münch meinte achſelzuckend: ein Neubau könne für dieſen Krieg doch nichts mehr nützen und nur gefährliches Aufſehen erregen. Selbſt Radowitz hielt für gerathen, jetzt für Mainz nichts zu fordern, denn ſonſt wäre die Berathung über die ſüddeutſchen Bundesfeſtungen, welche dem Könige zunächſt am Herzen lag, nie zum Abſchluſſe gelangt. *) Seit dem Jahre 1836 ward dieſe ſo ſündlich verſchleppte Angelegen- heit wieder ernſtlich beſprochen. Die Parteien ſtanden noch wie vor zwei Jahrzehnten. Während die Süddeutſchen, nach Sinn und Wortlaut der Verträge, eine Bundesfeſtung „am Oberrhein“ alſo Raſtatt verlangten, beſtand Oeſterreich noch immer auf der Befeſtigung von Ulm. Der k. k. Hofkriegsrath wollte ſeine Kaiſerſtadt gegen die Gefahren eines neuen napoleoniſchen Donaufeldzugs decken und verfocht hartnäckig die doktri- näre Behauptung, daß die Franzoſen den nächſten Krieg unfehlbar mit einem Zuge durch die Schweiz eröffnen, mithin die oberrheiniſchen Lande von vornherein umgehen würden. Dieſen Anſichten, die nur zu leb- haft an den wunderſamen Feldzugsplan von 1814 erinnerten, pflichtete in Berlin nur ein einziger namhafter Offizier bei: der immerdar öſter- reichiſch geſinnte Kneſebeck. Alle andern Generale, voran der Kriegs- miniſter Rauch und der Generalſtabschef Krauſeneck ſtanden auf der Seite der oberrheiniſchen Höfe. Krauſeneck ſagte mit preußiſchem Gradſinn: „die Süddeutſchen wollen eine ſie ſchützende Feſtung haben ohne den Oeſterreichern dienſtpflichtig zu werden; dieſe, welche die Revolution zum Geſpenſt machen, mit dem ſie die Cabinette einſchüchtern, wollen eine öſterreichiſche Feſtung mit deutſchem Gelde erbaut wiſſen.“ Aber die ſüße Gewohnheit, deutſche Kräfte für öſterreichiſche Zwecke auszubeuten, war in Wien ſeit Jahrhunderten zu feſt eingebürgert; der Hofkriegsrath blieb unbelehrbar. Daher kam Friedrich Wilhelm III. ſchon frühe zu der Einſicht, der unwürdige Streit laſſe ſich nur dann beilegen, wenn man beide Plätze, Ulm und Raſtatt zugleich befeſtige. Auch General Aſter meinte, es gebe keinen anderen Ausweg. Der Petersburger Hof, der es nun einmal nicht laſſen konnte die Vertheidigung unſerer Weſtgrenze wie ſeine eigene Sache zu behandeln, äußerte ſich in gleichem Sinne gegen die deutſchen Großmächte. Der alte Herr erlebte noch die Freude, daß die ſüddeutſchen Staaten ſich im April 1840, auf einer Conferenz zu Karlsruhe, über den preußi- ſchen Vermittlungsvorſchlag einigten und auch Baden endlich ein Stück Landes für den Germersheimer Brückenkopf abtrat. **) Aber erſt ſein *) F. Z. M. Landgraf von Heſſen-Homburg an das Bundespräſidium 21. Aug. Berichte von Schöler 4. 12. Sept., von Sydow 31. Oct. 1840. **) Dönhoff’s Bericht, 25. April 1840.

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Zitationshilfe: Treitschke, Heinrich von: Deutsche Geschichte im Neunzehnten Jahrhundert. Bd. 5: Bis zur März-Revolution. Leipzig, 1894, S. 101. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/treitschke_geschichte05_1894/115>, abgerufen am 23.11.2024.