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Treitschke, Heinrich von: Deutsche Geschichte im neunzehnten Jahrhundert. Bd. 4: Bis zum Tode König Friedrich Wilhelms III. Leipzig, 1889.

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IV. 10. Der Kölnische Bischofsstreit.
feurigem Rosse dar, denn in solcher Gestalt lebte der kleine Fürst mit
der großen Seele im Gedächtniß seines Landes. Bald nach dem Tode des
dritten Friedrich Wilhelm schuf Drake das andere der beiden Hohenzollern-
Denkmäler, welche das Volk allein wirklich liebt und täglich betrachtet:
ein Bild der Güte und der Treue erschien der anspruchslose König in
seinem einfachen Uniforms-Ueberrocke, am Rande des stillen Gewässers,
inmitten der alten Bäume des Thiergartens, und unter seinen Füßen
spielten glückliche Kinder.

Tief und aufrichtig war der Schmerz, als sich im Frühjahr 1840
die Kunde von der Erkrankung des Königs verbreitete. Am 1. Juni ließ
er noch den Grundstein legen für das so lange geplante Standbild Fried-
rich's des Großen. Der Kronprinz mußte den Vater bei der Feier ver-
treten; nur als die Trommler drunten anschlugen und die zerschossenen
alten Adlerfahnen sich senkten, erschien der kranke König im weißen Nacht-
kleide auf einen Augenblick an seinem Eckfenster. So sahen ihn die Ber-
liner zum letzten male. Am Nachmittage des Pfingstfestes, 7. Juni, standen
die Massen dichtgedrängt auf dem weiten Platze vor dem kleinen Palaste
und harrten in tiefem Schweigen, bis von der Rampe herunter verkün-
digt wurde, der König habe vollendet.

Sobald diese beiden Augen sich schlossen, brachen alle die lang ver-
haltenen Klagen und Hoffnungen der Preußen übermächtig hervor, spru-
delnd und schäumend wie das flüssige Metall, wenn der Zapfen ausge-
stoßen wird. Eine neue Zeit war gekommen, sie forderte neue Männer.


IV. 10. Der Kölniſche Biſchofsſtreit.
feurigem Roſſe dar, denn in ſolcher Geſtalt lebte der kleine Fürſt mit
der großen Seele im Gedächtniß ſeines Landes. Bald nach dem Tode des
dritten Friedrich Wilhelm ſchuf Drake das andere der beiden Hohenzollern-
Denkmäler, welche das Volk allein wirklich liebt und täglich betrachtet:
ein Bild der Güte und der Treue erſchien der anſpruchsloſe König in
ſeinem einfachen Uniforms-Ueberrocke, am Rande des ſtillen Gewäſſers,
inmitten der alten Bäume des Thiergartens, und unter ſeinen Füßen
ſpielten glückliche Kinder.

Tief und aufrichtig war der Schmerz, als ſich im Frühjahr 1840
die Kunde von der Erkrankung des Königs verbreitete. Am 1. Juni ließ
er noch den Grundſtein legen für das ſo lange geplante Standbild Fried-
rich’s des Großen. Der Kronprinz mußte den Vater bei der Feier ver-
treten; nur als die Trommler drunten anſchlugen und die zerſchoſſenen
alten Adlerfahnen ſich ſenkten, erſchien der kranke König im weißen Nacht-
kleide auf einen Augenblick an ſeinem Eckfenſter. So ſahen ihn die Ber-
liner zum letzten male. Am Nachmittage des Pfingſtfeſtes, 7. Juni, ſtanden
die Maſſen dichtgedrängt auf dem weiten Platze vor dem kleinen Palaſte
und harrten in tiefem Schweigen, bis von der Rampe herunter verkün-
digt wurde, der König habe vollendet.

Sobald dieſe beiden Augen ſich ſchloſſen, brachen alle die lang ver-
haltenen Klagen und Hoffnungen der Preußen übermächtig hervor, ſpru-
delnd und ſchäumend wie das flüſſige Metall, wenn der Zapfen ausge-
ſtoßen wird. Eine neue Zeit war gekommen, ſie forderte neue Männer.


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[728/0742] IV. 10. Der Kölniſche Biſchofsſtreit. feurigem Roſſe dar, denn in ſolcher Geſtalt lebte der kleine Fürſt mit der großen Seele im Gedächtniß ſeines Landes. Bald nach dem Tode des dritten Friedrich Wilhelm ſchuf Drake das andere der beiden Hohenzollern- Denkmäler, welche das Volk allein wirklich liebt und täglich betrachtet: ein Bild der Güte und der Treue erſchien der anſpruchsloſe König in ſeinem einfachen Uniforms-Ueberrocke, am Rande des ſtillen Gewäſſers, inmitten der alten Bäume des Thiergartens, und unter ſeinen Füßen ſpielten glückliche Kinder. Tief und aufrichtig war der Schmerz, als ſich im Frühjahr 1840 die Kunde von der Erkrankung des Königs verbreitete. Am 1. Juni ließ er noch den Grundſtein legen für das ſo lange geplante Standbild Fried- rich’s des Großen. Der Kronprinz mußte den Vater bei der Feier ver- treten; nur als die Trommler drunten anſchlugen und die zerſchoſſenen alten Adlerfahnen ſich ſenkten, erſchien der kranke König im weißen Nacht- kleide auf einen Augenblick an ſeinem Eckfenſter. So ſahen ihn die Ber- liner zum letzten male. Am Nachmittage des Pfingſtfeſtes, 7. Juni, ſtanden die Maſſen dichtgedrängt auf dem weiten Platze vor dem kleinen Palaſte und harrten in tiefem Schweigen, bis von der Rampe herunter verkün- digt wurde, der König habe vollendet. Sobald dieſe beiden Augen ſich ſchloſſen, brachen alle die lang ver- haltenen Klagen und Hoffnungen der Preußen übermächtig hervor, ſpru- delnd und ſchäumend wie das flüſſige Metall, wenn der Zapfen ausge- ſtoßen wird. Eine neue Zeit war gekommen, ſie forderte neue Männer.

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Zitationshilfe: Treitschke, Heinrich von: Deutsche Geschichte im neunzehnten Jahrhundert. Bd. 4: Bis zum Tode König Friedrich Wilhelms III. Leipzig, 1889, S. 728. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/treitschke_geschichte04_1889/742>, abgerufen am 27.11.2024.