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Treitschke, Heinrich von: Deutsche Geschichte im neunzehnten Jahrhundert. Bd. 4: Bis zum Tode König Friedrich Wilhelms III. Leipzig, 1889.

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IV. 10. Der Kölnische Bischofsstreit.
fangenen Erzbischof. Der saß jetzt in leichter Haft in einem Bürgerhause
zu Minden; er theilte seine Zeit zwischen geistlichen Uebungen und stillen
Betrachtungen bei der Tabakspfeife. Seine Wiedereinsetzung war undenk-
bar, gleich undenkbar aber auch ein Verzicht des hartköpfigen Prälaten.
Doch was nun? Konnte man ihn wirklich des Hochverraths bezichtigen?
Altenstein glaubte dies anfangs ganz bestimmt. In einem Briefe an das
Kölner Domkapitel sagte er, Droste's Handlungen hingen zusammen mit
dem feindseligen Einfluß von zwei revolutionären Parteien, und in einem,
zur Belehrung der Rheinländer bald veröffentlichten Schreiben an den Ober-
präsidenten Bodelschwingh wiederholte er diesen Vorwurf. Die Beschul-
digung ließ sich nicht erweisen. Der getreue Kaplan Michelis hatte
unmittelbar vor der Verhaftung die wichtigsten Briefschaften Droste's ver-
brannt. Er selbst wurde nachher nach Magdeburg abgeführt, und es
fanden sich auch einige Briefe, welche seine feindselige, landesverrätherische
Gesinnung außer Zweifel stellten und darum von der Regierung sofort
bekannt gemacht wurden. Doch der Thatbestand des versuchten Hochver-
raths lag nicht vor; um so weniger durfte man annehmen, daß Droste's
heilige Einfalt, die doch nur von Anderen mißbraucht werden konnte, sich
mit politischen Plänen getragen hätte. Daß er sein Amt nicht wieder er-
langen konnte, fühlte Droste nachgerade selbst; aber niemals legte er sich
die Frage vor, ob er nicht seine beschworene Pflicht gegen die Staats-
gewalt verletzt habe.

Ohne jede Spur von Reue schrieb er im August 1838 an den König
um sich über seine Gefangenschaft zu beklagen: "Ob es vor Gott gerecht
sei und zum Guten führen könne, wenn Ew. Maj. jene Zwangsgewalt,
welche Gott Eurer Maj. insbesondere zur Beschützung jedes Rechts, also
auch zur Beschützung der katholischen Kirche, ihres Episkopats und ihrer
Mitglieder anvertraut hat, noch fernerhin gebrauchen um mich zu ver-
hindern nach Köln zurückzukehren, um noch fernerhin die von Gott ge-
knüpfte Verbindung, gleich dem ehelichen Bande, unter Hirt und Herde,
unter Vater und Kindern zu hemmen, das wollen Ew. Maj. unter Gottes
Beistand allergnädigst zu erwägen geruhen." Als ihm darauf der Regie-
rungspräsident im Namen des Königs eröffnete, seine Gefangenschaft sei
nach dem Gesetze gerechtfertigt, seine Rückkehr unmöglich, da erwiderte der
Erzbischof: vergeblich habe er gehofft, daß Fürst Metternich den König
umstimmen würde; jetzt liege ihm nichts mehr an einem Amte, das er
nicht mit Freudigkeit führen könne; nur auf vierundzwanzig Stunden
wolle er nach Köln zurück um dort mit Zustimmung des heiligen Stuhls
seine Würde feierlich niederzulegen.*) Dabei blieb er: die Krone sollte

*) Droste-Vischering, Eingabe an den König, 24. Aug. Schreiben der drei Mini-
ster an Reg.-Präsident Richter in Minden, 31. Aug. Bericht der drei Minister an den
König, 18. Oct. 1838.

IV. 10. Der Kölniſche Biſchofsſtreit.
fangenen Erzbiſchof. Der ſaß jetzt in leichter Haft in einem Bürgerhauſe
zu Minden; er theilte ſeine Zeit zwiſchen geiſtlichen Uebungen und ſtillen
Betrachtungen bei der Tabakspfeife. Seine Wiedereinſetzung war undenk-
bar, gleich undenkbar aber auch ein Verzicht des hartköpfigen Prälaten.
Doch was nun? Konnte man ihn wirklich des Hochverraths bezichtigen?
Altenſtein glaubte dies anfangs ganz beſtimmt. In einem Briefe an das
Kölner Domkapitel ſagte er, Droſte’s Handlungen hingen zuſammen mit
dem feindſeligen Einfluß von zwei revolutionären Parteien, und in einem,
zur Belehrung der Rheinländer bald veröffentlichten Schreiben an den Ober-
präſidenten Bodelſchwingh wiederholte er dieſen Vorwurf. Die Beſchul-
digung ließ ſich nicht erweiſen. Der getreue Kaplan Michelis hatte
unmittelbar vor der Verhaftung die wichtigſten Briefſchaften Droſte’s ver-
brannt. Er ſelbſt wurde nachher nach Magdeburg abgeführt, und es
fanden ſich auch einige Briefe, welche ſeine feindſelige, landesverrätheriſche
Geſinnung außer Zweifel ſtellten und darum von der Regierung ſofort
bekannt gemacht wurden. Doch der Thatbeſtand des verſuchten Hochver-
raths lag nicht vor; um ſo weniger durfte man annehmen, daß Droſte’s
heilige Einfalt, die doch nur von Anderen mißbraucht werden konnte, ſich
mit politiſchen Plänen getragen hätte. Daß er ſein Amt nicht wieder er-
langen konnte, fühlte Droſte nachgerade ſelbſt; aber niemals legte er ſich
die Frage vor, ob er nicht ſeine beſchworene Pflicht gegen die Staats-
gewalt verletzt habe.

Ohne jede Spur von Reue ſchrieb er im Auguſt 1838 an den König
um ſich über ſeine Gefangenſchaft zu beklagen: „Ob es vor Gott gerecht
ſei und zum Guten führen könne, wenn Ew. Maj. jene Zwangsgewalt,
welche Gott Eurer Maj. insbeſondere zur Beſchützung jedes Rechts, alſo
auch zur Beſchützung der katholiſchen Kirche, ihres Epiſkopats und ihrer
Mitglieder anvertraut hat, noch fernerhin gebrauchen um mich zu ver-
hindern nach Köln zurückzukehren, um noch fernerhin die von Gott ge-
knüpfte Verbindung, gleich dem ehelichen Bande, unter Hirt und Herde,
unter Vater und Kindern zu hemmen, das wollen Ew. Maj. unter Gottes
Beiſtand allergnädigſt zu erwägen geruhen.“ Als ihm darauf der Regie-
rungspräſident im Namen des Königs eröffnete, ſeine Gefangenſchaft ſei
nach dem Geſetze gerechtfertigt, ſeine Rückkehr unmöglich, da erwiderte der
Erzbiſchof: vergeblich habe er gehofft, daß Fürſt Metternich den König
umſtimmen würde; jetzt liege ihm nichts mehr an einem Amte, das er
nicht mit Freudigkeit führen könne; nur auf vierundzwanzig Stunden
wolle er nach Köln zurück um dort mit Zuſtimmung des heiligen Stuhls
ſeine Würde feierlich niederzulegen.*) Dabei blieb er: die Krone ſollte

*) Droſte-Viſchering, Eingabe an den König, 24. Aug. Schreiben der drei Mini-
ſter an Reg.-Präſident Richter in Minden, 31. Aug. Bericht der drei Miniſter an den
König, 18. Oct. 1838.
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[706/0720] IV. 10. Der Kölniſche Biſchofsſtreit. fangenen Erzbiſchof. Der ſaß jetzt in leichter Haft in einem Bürgerhauſe zu Minden; er theilte ſeine Zeit zwiſchen geiſtlichen Uebungen und ſtillen Betrachtungen bei der Tabakspfeife. Seine Wiedereinſetzung war undenk- bar, gleich undenkbar aber auch ein Verzicht des hartköpfigen Prälaten. Doch was nun? Konnte man ihn wirklich des Hochverraths bezichtigen? Altenſtein glaubte dies anfangs ganz beſtimmt. In einem Briefe an das Kölner Domkapitel ſagte er, Droſte’s Handlungen hingen zuſammen mit dem feindſeligen Einfluß von zwei revolutionären Parteien, und in einem, zur Belehrung der Rheinländer bald veröffentlichten Schreiben an den Ober- präſidenten Bodelſchwingh wiederholte er dieſen Vorwurf. Die Beſchul- digung ließ ſich nicht erweiſen. Der getreue Kaplan Michelis hatte unmittelbar vor der Verhaftung die wichtigſten Briefſchaften Droſte’s ver- brannt. Er ſelbſt wurde nachher nach Magdeburg abgeführt, und es fanden ſich auch einige Briefe, welche ſeine feindſelige, landesverrätheriſche Geſinnung außer Zweifel ſtellten und darum von der Regierung ſofort bekannt gemacht wurden. Doch der Thatbeſtand des verſuchten Hochver- raths lag nicht vor; um ſo weniger durfte man annehmen, daß Droſte’s heilige Einfalt, die doch nur von Anderen mißbraucht werden konnte, ſich mit politiſchen Plänen getragen hätte. Daß er ſein Amt nicht wieder er- langen konnte, fühlte Droſte nachgerade ſelbſt; aber niemals legte er ſich die Frage vor, ob er nicht ſeine beſchworene Pflicht gegen die Staats- gewalt verletzt habe. Ohne jede Spur von Reue ſchrieb er im Auguſt 1838 an den König um ſich über ſeine Gefangenſchaft zu beklagen: „Ob es vor Gott gerecht ſei und zum Guten führen könne, wenn Ew. Maj. jene Zwangsgewalt, welche Gott Eurer Maj. insbeſondere zur Beſchützung jedes Rechts, alſo auch zur Beſchützung der katholiſchen Kirche, ihres Epiſkopats und ihrer Mitglieder anvertraut hat, noch fernerhin gebrauchen um mich zu ver- hindern nach Köln zurückzukehren, um noch fernerhin die von Gott ge- knüpfte Verbindung, gleich dem ehelichen Bande, unter Hirt und Herde, unter Vater und Kindern zu hemmen, das wollen Ew. Maj. unter Gottes Beiſtand allergnädigſt zu erwägen geruhen.“ Als ihm darauf der Regie- rungspräſident im Namen des Königs eröffnete, ſeine Gefangenſchaft ſei nach dem Geſetze gerechtfertigt, ſeine Rückkehr unmöglich, da erwiderte der Erzbiſchof: vergeblich habe er gehofft, daß Fürſt Metternich den König umſtimmen würde; jetzt liege ihm nichts mehr an einem Amte, das er nicht mit Freudigkeit führen könne; nur auf vierundzwanzig Stunden wolle er nach Köln zurück um dort mit Zuſtimmung des heiligen Stuhls ſeine Würde feierlich niederzulegen. *) Dabei blieb er: die Krone ſollte *) Droſte-Viſchering, Eingabe an den König, 24. Aug. Schreiben der drei Mini- ſter an Reg.-Präſident Richter in Minden, 31. Aug. Bericht der drei Miniſter an den König, 18. Oct. 1838.

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Zitationshilfe: Treitschke, Heinrich von: Deutsche Geschichte im neunzehnten Jahrhundert. Bd. 4: Bis zum Tode König Friedrich Wilhelms III. Leipzig, 1889, S. 706. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/treitschke_geschichte04_1889/720>, abgerufen am 24.11.2024.