Treitschke, Heinrich von: Deutsche Geschichte im neunzehnten Jahrhundert. Bd. 4: Bis zum Tode König Friedrich Wilhelms III. Leipzig, 1889.Rückzug des Staates. Bunsen in Wien. wackerer märkischer Edelmann, so durchaus ehrlich, daß die geriebenenMonsignori des Vaticans quello barone tedesco als eine römische Merk- würdigkeit betrachteten; wie die meisten seiner brandenburgischen Landsleute hatte er vom katholischen Wesen schlechterdings keinen Begriff und verwech- selte die gewaltige moralische Kraft dieser Weltkirche arglos mit der lächer- lichen Schwäche des Kirchenstaates. In seiner Erwiderung auf die Mitthei- lung des Cardinal-Staatssecretärs (12. Dec.) bedauerte er höflich, daß der Papst so vorschnell gehandelt habe, und sprach zugleich die Hoffnung aus, bei besserer Kenntniß der Thatsachen "werde der römische Hof wohl sein Urtheil über die fragliche Angelegenheit berichtigen und, dem Wunsche der königlichen Regierung willfahrend, ihr seinen Beistand leihen um eine geregelte Verwaltung im Kölner Bisthum herzustellen". Nach erneuter Prüfung fand er diese Antwort doch selbst fragwürdig. Er sendete Ab- schrift nach Berlin und fügte unschuldig hinzu: Meine Erwiderung wird vielleicht zu schwach scheinen; aber "die Ehre des königlichen Gouverne- ments kann schwerlich darunter leiden, da das Benehmen Preußens, einem so ohnmächtigen Gegner wie dem päpstlichen Hofe gegenüber, wohl nie als ein Zeichen von Furcht und Schwäche, sondern als ein Beweis von weiser Mäßigung betrachtet werden kann". Was half es, daß Minister Werther dem gutmüthigen Geschäftsträger nachträglich einen Verweis ertheilte?*) Die Cardinäle erzählten sich triumphirend, daß Preußen auf grobe Beschimpfun- gen mit Höflichkeiten, ja mit einer Bitte geantwortet hatte. Währenddem reiste Bunsen auf seinen römischen Posten zurück. So *) Buch an Lambruschini, 12. Dec. Buch's Bericht an Werther, 14. Dec.; Werther, Weisung an Bunsen, 29. Dec. 1837. **) Bunsen's Denkschrift über die Minister-Conferenzen v. 9. u. 10. Nov. 1837.
Rückzug des Staates. Bunſen in Wien. wackerer märkiſcher Edelmann, ſo durchaus ehrlich, daß die geriebenenMonſignori des Vaticans quello barone tedesco als eine römiſche Merk- würdigkeit betrachteten; wie die meiſten ſeiner brandenburgiſchen Landsleute hatte er vom katholiſchen Weſen ſchlechterdings keinen Begriff und verwech- ſelte die gewaltige moraliſche Kraft dieſer Weltkirche arglos mit der lächer- lichen Schwäche des Kirchenſtaates. In ſeiner Erwiderung auf die Mitthei- lung des Cardinal-Staatsſecretärs (12. Dec.) bedauerte er höflich, daß der Papſt ſo vorſchnell gehandelt habe, und ſprach zugleich die Hoffnung aus, bei beſſerer Kenntniß der Thatſachen „werde der römiſche Hof wohl ſein Urtheil über die fragliche Angelegenheit berichtigen und, dem Wunſche der königlichen Regierung willfahrend, ihr ſeinen Beiſtand leihen um eine geregelte Verwaltung im Kölner Bisthum herzuſtellen“. Nach erneuter Prüfung fand er dieſe Antwort doch ſelbſt fragwürdig. Er ſendete Ab- ſchrift nach Berlin und fügte unſchuldig hinzu: Meine Erwiderung wird vielleicht zu ſchwach ſcheinen; aber „die Ehre des königlichen Gouverne- ments kann ſchwerlich darunter leiden, da das Benehmen Preußens, einem ſo ohnmächtigen Gegner wie dem päpſtlichen Hofe gegenüber, wohl nie als ein Zeichen von Furcht und Schwäche, ſondern als ein Beweis von weiſer Mäßigung betrachtet werden kann“. Was half es, daß Miniſter Werther dem gutmüthigen Geſchäftsträger nachträglich einen Verweis ertheilte?*) Die Cardinäle erzählten ſich triumphirend, daß Preußen auf grobe Beſchimpfun- gen mit Höflichkeiten, ja mit einer Bitte geantwortet hatte. Währenddem reiſte Bunſen auf ſeinen römiſchen Poſten zurück. So *) Buch an Lambruschini, 12. Dec. Buch’s Bericht an Werther, 14. Dec.; Werther, Weiſung an Bunſen, 29. Dec. 1837. **) Bunſen’s Denkſchrift über die Miniſter-Conferenzen v. 9. u. 10. Nov. 1837.
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Rückzug des Staates. Bunſen in Wien.
wackerer märkiſcher Edelmann, ſo durchaus ehrlich, daß die geriebenen
Monſignori des Vaticans quello barone tedesco als eine römiſche Merk-
würdigkeit betrachteten; wie die meiſten ſeiner brandenburgiſchen Landsleute
hatte er vom katholiſchen Weſen ſchlechterdings keinen Begriff und verwech-
ſelte die gewaltige moraliſche Kraft dieſer Weltkirche arglos mit der lächer-
lichen Schwäche des Kirchenſtaates. In ſeiner Erwiderung auf die Mitthei-
lung des Cardinal-Staatsſecretärs (12. Dec.) bedauerte er höflich, daß der
Papſt ſo vorſchnell gehandelt habe, und ſprach zugleich die Hoffnung aus,
bei beſſerer Kenntniß der Thatſachen „werde der römiſche Hof wohl ſein
Urtheil über die fragliche Angelegenheit berichtigen und, dem Wunſche der
königlichen Regierung willfahrend, ihr ſeinen Beiſtand leihen um eine
geregelte Verwaltung im Kölner Bisthum herzuſtellen“. Nach erneuter
Prüfung fand er dieſe Antwort doch ſelbſt fragwürdig. Er ſendete Ab-
ſchrift nach Berlin und fügte unſchuldig hinzu: Meine Erwiderung wird
vielleicht zu ſchwach ſcheinen; aber „die Ehre des königlichen Gouverne-
ments kann ſchwerlich darunter leiden, da das Benehmen Preußens, einem
ſo ohnmächtigen Gegner wie dem päpſtlichen Hofe gegenüber, wohl nie als
ein Zeichen von Furcht und Schwäche, ſondern als ein Beweis von weiſer
Mäßigung betrachtet werden kann“. Was half es, daß Miniſter Werther dem
gutmüthigen Geſchäftsträger nachträglich einen Verweis ertheilte? *) Die
Cardinäle erzählten ſich triumphirend, daß Preußen auf grobe Beſchimpfun-
gen mit Höflichkeiten, ja mit einer Bitte geantwortet hatte.
Währenddem reiſte Bunſen auf ſeinen römiſchen Poſten zurück. So
wenig kannten die Miniſter den Vatican: ſie ahnten gar nicht, wie der
römiſche Stuhl die Verhaftung des Erzbiſchofs aufnehmen mußte, und da
der Geſandte noch immer ſeine alte ſtolze Zuverſicht zur Schau trug, ſo
begriffen ſie nicht einmal, daß Bunſen nach den Enthüllungen der jüngſten
Monate in Rom ein unmöglicher Mann war. Er erhielt Befehl, die Curie
über das Verfahren des Königs aufzuklären und mit ihr wegen der Wieder-
beſetzung des Kölner Stuhles zu verhandeln. Ausdrücklich ward beſchloſſen,
„daß auf keine Weiſe je wieder an ein Abfinden mit dem Erzbiſchof und an
ein Wiederzulaſſen deſſelben in ſeine Wirkſamkeit zu denken ſei.“ **) Bunſen
nahm den Weg über Wien. Dort hatte er mit Metternich mehrere lange
Unterredungen und mit gewohnter Selbſtgefälligkeit bildete er ſich wieder
ein, den Fürſten faſt ganz gewonnen zu haben. Allerdings befand ſich
der Oeſterreicher in einiger Verlegenheit, da der Preuße ganz beſtimmt
verſicherte, Droſte würde den Kölner Dom niemals wiederſehen. Gegen
den erklärten Willen des befreundeten Königs von Preußen offen vorzu-
gehen wagte Metternich nicht. Wer aber den Wiener Hof und die dort
*) Buch an Lambruschini, 12. Dec. Buch’s Bericht an Werther, 14. Dec.; Werther,
Weiſung an Bunſen, 29. Dec. 1837.
**) Bunſen’s Denkſchrift über die Miniſter-Conferenzen v. 9. u. 10. Nov. 1837.
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