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Treitschke, Heinrich von: Deutsche Geschichte im neunzehnten Jahrhundert. Bd. 4: Bis zum Tode König Friedrich Wilhelms III. Leipzig, 1889.

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Bunsen's Ableugnungen. Die gemischten Ehen.
katholischer Kindererziehung einzusegnen, und dem Papste gab er schon im
September 1836 die Zusage, daß er dem Breve unverbrüchlich nachkommen
werde. Als die Regierung ihm vorhielt, er habe doch feierlich gelobt, die
Instruction im Geiste der Liebe zu befolgen, da ertheilte er die uner-
wartete Antwort, diese Instruction hätte er gar nicht gekannt. Diese in
jedem anderen Munde lächerliche Versicherung wurde von der Regierung
selbst nicht in Zweifel gezogen; bei dem blinden Fanatiker war Vieles
möglich, was klügere Männer nie gewagt hätten. Droste lebte ganz in
kirchlichen Vorstellungen und verachtete von Grund aus die Staatsgewalt
des protestantischen Königs; also blieb immerhin denkbar, daß er es wirk-
lich nicht der Mühe werth gehalten hatte, die Instruction, deren Befolgung
er heilig angelobte, auch nur eines Blickes zu würdigen. Nach den ge-
wöhnlichen Ansichten menschlicher Rechtschaffenheit war er freilich ver-
pflichtet, seine Würde niederzulegen, wenn er die Bedingungen nicht zu
halten vermochte, unter denen sie ihm anvertraut war. Aber wie konn-
ten solche weltliche Ehrbegriffe den Hochmuth des Prälaten beirren? Wie
er die Dinge ansah, verdankte er sein Amt allein der Gnade Gottes und
des heiligen Stuhles; daß die weltliche Gewalt dabei auch nur mitgeredet
hatte, erschien ihm schon als frevelhafte Usurpation. Dem Minister Rochow
erwiderte er trocken: die Kirche sei dem Staate gleichgeordnet, jedes Auf-
sichtsrecht der Staatsgewalt unnütz und unbefugt; über Bildung, Anstel-
lung, Absetzung der Geistlichen wie der theologischen Professoren habe der
Bischof allein zu entscheiden; das Convict müsse nach Köln verlegt und
dort auch ein erzbischöfliches Knabenseminar errichtet werden. Das Alles
im Namen der katholischen Kirchenfreiheit.

So warf er kurzerhand alle Kirchengesetze der Monarchie über den
Haufen, und schon im Frühjahr 1837 ließ der preußische Hof der Curie
mittheilen, daß er sich vielleicht gezwungen sehen würde, den Unbelehr-
baren, der freilich nur durch die Thorheit der Regierung sein Amt erlangt
hatte, wieder zu entfernen. Der Sommer verlief über vergeblichen Vermitt-
lungsversuchen. Umsonst ging Cardinal Capaccini nach Köln, ein Kirchen-
fürst von milder Gesinnung, der allerdings kein zuverlässiger Bundes-
genosse der evangelischen Krone sein konnte. Nachher, im September, suchten
auch der aus Rom herbeigerufene Bunsen und Graf Anton Stolberg "dem
versteinerten Prälaten" ins Gewissen zu reden und ihm zu zeigen, daß er
entweder sein Amt aufgeben oder die Staatsgesetze, die er förmlich aner-
kannt habe, befolgen müsse.*) Alles vergeblich. Am 31. October schrieb
Droste dem Minister: an die Instruction halte er sich nicht gebunden, so-
fern sie dem Breve widerspreche. Eine solche Widersetzlichkeit durfte der
Staat nicht dulden. Eine Revolution wünschten die Rheinländer freilich
nicht, sie wußten trotz aller Schmähungen nur zu wohl, wie viel sie dem

*) Berichte an den König, von Bunsen 15. 23. Sept., von Stolberg 20. Sept. 1837.

Bunſen’s Ableugnungen. Die gemiſchten Ehen.
katholiſcher Kindererziehung einzuſegnen, und dem Papſte gab er ſchon im
September 1836 die Zuſage, daß er dem Breve unverbrüchlich nachkommen
werde. Als die Regierung ihm vorhielt, er habe doch feierlich gelobt, die
Inſtruction im Geiſte der Liebe zu befolgen, da ertheilte er die uner-
wartete Antwort, dieſe Inſtruction hätte er gar nicht gekannt. Dieſe in
jedem anderen Munde lächerliche Verſicherung wurde von der Regierung
ſelbſt nicht in Zweifel gezogen; bei dem blinden Fanatiker war Vieles
möglich, was klügere Männer nie gewagt hätten. Droſte lebte ganz in
kirchlichen Vorſtellungen und verachtete von Grund aus die Staatsgewalt
des proteſtantiſchen Königs; alſo blieb immerhin denkbar, daß er es wirk-
lich nicht der Mühe werth gehalten hatte, die Inſtruction, deren Befolgung
er heilig angelobte, auch nur eines Blickes zu würdigen. Nach den ge-
wöhnlichen Anſichten menſchlicher Rechtſchaffenheit war er freilich ver-
pflichtet, ſeine Würde niederzulegen, wenn er die Bedingungen nicht zu
halten vermochte, unter denen ſie ihm anvertraut war. Aber wie konn-
ten ſolche weltliche Ehrbegriffe den Hochmuth des Prälaten beirren? Wie
er die Dinge anſah, verdankte er ſein Amt allein der Gnade Gottes und
des heiligen Stuhles; daß die weltliche Gewalt dabei auch nur mitgeredet
hatte, erſchien ihm ſchon als frevelhafte Uſurpation. Dem Miniſter Rochow
erwiderte er trocken: die Kirche ſei dem Staate gleichgeordnet, jedes Auf-
ſichtsrecht der Staatsgewalt unnütz und unbefugt; über Bildung, Anſtel-
lung, Abſetzung der Geiſtlichen wie der theologiſchen Profeſſoren habe der
Biſchof allein zu entſcheiden; das Convict müſſe nach Köln verlegt und
dort auch ein erzbiſchöfliches Knabenſeminar errichtet werden. Das Alles
im Namen der katholiſchen Kirchenfreiheit.

So warf er kurzerhand alle Kirchengeſetze der Monarchie über den
Haufen, und ſchon im Frühjahr 1837 ließ der preußiſche Hof der Curie
mittheilen, daß er ſich vielleicht gezwungen ſehen würde, den Unbelehr-
baren, der freilich nur durch die Thorheit der Regierung ſein Amt erlangt
hatte, wieder zu entfernen. Der Sommer verlief über vergeblichen Vermitt-
lungsverſuchen. Umſonſt ging Cardinal Capaccini nach Köln, ein Kirchen-
fürſt von milder Geſinnung, der allerdings kein zuverläſſiger Bundes-
genoſſe der evangeliſchen Krone ſein konnte. Nachher, im September, ſuchten
auch der aus Rom herbeigerufene Bunſen und Graf Anton Stolberg „dem
verſteinerten Prälaten“ ins Gewiſſen zu reden und ihm zu zeigen, daß er
entweder ſein Amt aufgeben oder die Staatsgeſetze, die er förmlich aner-
kannt habe, befolgen müſſe.*) Alles vergeblich. Am 31. October ſchrieb
Droſte dem Miniſter: an die Inſtruction halte er ſich nicht gebunden, ſo-
fern ſie dem Breve widerſpreche. Eine ſolche Widerſetzlichkeit durfte der
Staat nicht dulden. Eine Revolution wünſchten die Rheinländer freilich
nicht, ſie wußten trotz aller Schmähungen nur zu wohl, wie viel ſie dem

*) Berichte an den König, von Bunſen 15. 23. Sept., von Stolberg 20. Sept. 1837.
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[697/0711] Bunſen’s Ableugnungen. Die gemiſchten Ehen. katholiſcher Kindererziehung einzuſegnen, und dem Papſte gab er ſchon im September 1836 die Zuſage, daß er dem Breve unverbrüchlich nachkommen werde. Als die Regierung ihm vorhielt, er habe doch feierlich gelobt, die Inſtruction im Geiſte der Liebe zu befolgen, da ertheilte er die uner- wartete Antwort, dieſe Inſtruction hätte er gar nicht gekannt. Dieſe in jedem anderen Munde lächerliche Verſicherung wurde von der Regierung ſelbſt nicht in Zweifel gezogen; bei dem blinden Fanatiker war Vieles möglich, was klügere Männer nie gewagt hätten. Droſte lebte ganz in kirchlichen Vorſtellungen und verachtete von Grund aus die Staatsgewalt des proteſtantiſchen Königs; alſo blieb immerhin denkbar, daß er es wirk- lich nicht der Mühe werth gehalten hatte, die Inſtruction, deren Befolgung er heilig angelobte, auch nur eines Blickes zu würdigen. Nach den ge- wöhnlichen Anſichten menſchlicher Rechtſchaffenheit war er freilich ver- pflichtet, ſeine Würde niederzulegen, wenn er die Bedingungen nicht zu halten vermochte, unter denen ſie ihm anvertraut war. Aber wie konn- ten ſolche weltliche Ehrbegriffe den Hochmuth des Prälaten beirren? Wie er die Dinge anſah, verdankte er ſein Amt allein der Gnade Gottes und des heiligen Stuhles; daß die weltliche Gewalt dabei auch nur mitgeredet hatte, erſchien ihm ſchon als frevelhafte Uſurpation. Dem Miniſter Rochow erwiderte er trocken: die Kirche ſei dem Staate gleichgeordnet, jedes Auf- ſichtsrecht der Staatsgewalt unnütz und unbefugt; über Bildung, Anſtel- lung, Abſetzung der Geiſtlichen wie der theologiſchen Profeſſoren habe der Biſchof allein zu entſcheiden; das Convict müſſe nach Köln verlegt und dort auch ein erzbiſchöfliches Knabenſeminar errichtet werden. Das Alles im Namen der katholiſchen Kirchenfreiheit. So warf er kurzerhand alle Kirchengeſetze der Monarchie über den Haufen, und ſchon im Frühjahr 1837 ließ der preußiſche Hof der Curie mittheilen, daß er ſich vielleicht gezwungen ſehen würde, den Unbelehr- baren, der freilich nur durch die Thorheit der Regierung ſein Amt erlangt hatte, wieder zu entfernen. Der Sommer verlief über vergeblichen Vermitt- lungsverſuchen. Umſonſt ging Cardinal Capaccini nach Köln, ein Kirchen- fürſt von milder Geſinnung, der allerdings kein zuverläſſiger Bundes- genoſſe der evangeliſchen Krone ſein konnte. Nachher, im September, ſuchten auch der aus Rom herbeigerufene Bunſen und Graf Anton Stolberg „dem verſteinerten Prälaten“ ins Gewiſſen zu reden und ihm zu zeigen, daß er entweder ſein Amt aufgeben oder die Staatsgeſetze, die er förmlich aner- kannt habe, befolgen müſſe. *) Alles vergeblich. Am 31. October ſchrieb Droſte dem Miniſter: an die Inſtruction halte er ſich nicht gebunden, ſo- fern ſie dem Breve widerſpreche. Eine ſolche Widerſetzlichkeit durfte der Staat nicht dulden. Eine Revolution wünſchten die Rheinländer freilich nicht, ſie wußten trotz aller Schmähungen nur zu wohl, wie viel ſie dem *) Berichte an den König, von Bunſen 15. 23. Sept., von Stolberg 20. Sept. 1837.

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Zitationshilfe: Treitschke, Heinrich von: Deutsche Geschichte im neunzehnten Jahrhundert. Bd. 4: Bis zum Tode König Friedrich Wilhelms III. Leipzig, 1889, S. 697. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/treitschke_geschichte04_1889/711>, abgerufen am 24.11.2024.