lichen Gegenvorstellungen, den neuen Huldigungsrevers eingereicht, doch zugleich vor Notar und Zeugen gegen die Aufhebung des Staatsgrund- gesetzes protestirt, und da die Regierung immer neue Vorwände ersann um ihn vom Landtage auszuschließen, so bewog er seine Stadt, sich klagend an den Bund zu wenden. Andere Städte und Wahlcorporationen folgten dem Beispiele Osnabrücks. In seiner von Dahlmann herausgegebenen "Vertheidigung des Staatsgrundgesetzes" wies Stüve überzeugend nach, daß diese verleumdete Verfassung in Wahrheit die Rechte der Regierung befestigt, die Macht der Krone verstärkt habe. In dem Hannöverschen Portfolio sammelte er, unterstützt von dem Rechtsanwalt Detmold, alle die Aktenstücke, welche die Nation über die Rechtsfrage aufklären konnten. Auch das Leipziger Deutsche Staatsarchiv wurde von ihm und seinen Freunden mit Beiträgen versorgt, und der neue "Deutsche Curier" in Stuttgart widmete fast die Hälfte seiner Spalten der hannöverschen Sache. Diese liberale Wochenschrift erfreute sich, da sie über Schwaben wenig sagte, der besonderen Nachsicht der württembergischen Censur; daß ihr ge- wandter Herausgeber A. Weil wahrscheinlich auch aus den geheimen Fonds der französischen Regierung unterstützt wurde, blieb den Hannoveranern unbekannt.
Da die Zeit der verfassungsmäßigen Steuerverwilligung zu Neu- jahr 1839 ablief, so richtete Stüve an mehrere juristische Facultäten die Anfrage, ob der Osnabrücker Magistrat dann noch berechtigt sei die un- bewilligten Staatssteuern zu erheben. Die Berliner Facultät verweigerte die Antwort, weil den preußischen Spruchcollegien untersagt war sich mit politischen Fragen zu befassen. Aus Jena aber, aus Heidelberg und Tübingen liefen umfassende Rechtsgutachten ein, welche sich übereinstimmend dahin aussprachen, daß die Verfassung von 1833 noch zu Recht bestehe. Das von dem jungen Germanisten Reyscher verfaßte Tübinger Gutachten erörterte sehr ausführlich die Frage der Steuerverweigerung und sagte manches treffendes Wort; im Grunde blieb es doch ein unmögliches Unter- nehmen, mit doktrinären Rechtsgründen nachzuweisen was Rechtens sei wenn das Recht aufhörte. Also standen die verhaßten Professoren abermals in Waffen wider die Welfen, und ganz Deutschland stimmte ihrer Beweis- führung zu. Selbst mit seiner Hauptstadt gerieth Ernst August in Händel. Sie verweigerte die Neuwahl, als ihr Abgeordneter aus dem Landtage ausgeschieden war, und sendete einen Protest an den Bundestag. Darauf ließ der König den Bürgermeister Rumann absetzen und eine Untersuchung gegen den Magistrat einleiten, der an Stüve einen schlagfertigen Ver- theidiger fand. Ein Amtmann wurde, dem Gesetze zuwider, an die Spitze der Stadtverwaltung gestellt. Die Bürger aber drohten den Eindringling zum Fenster hinauszuwerfen und zogen an einem schwülen Julitage 1839 in hellen Haufen vor das Schloß; sobald der alte Welfe sah, daß mit den verzweifelten Leuten nicht zu scherzen sei, gab er weislich nach, betraute
Stüve und die Oppoſition.
lichen Gegenvorſtellungen, den neuen Huldigungsrevers eingereicht, doch zugleich vor Notar und Zeugen gegen die Aufhebung des Staatsgrund- geſetzes proteſtirt, und da die Regierung immer neue Vorwände erſann um ihn vom Landtage auszuſchließen, ſo bewog er ſeine Stadt, ſich klagend an den Bund zu wenden. Andere Städte und Wahlcorporationen folgten dem Beiſpiele Osnabrücks. In ſeiner von Dahlmann herausgegebenen „Vertheidigung des Staatsgrundgeſetzes“ wies Stüve überzeugend nach, daß dieſe verleumdete Verfaſſung in Wahrheit die Rechte der Regierung befeſtigt, die Macht der Krone verſtärkt habe. In dem Hannöverſchen Portfolio ſammelte er, unterſtützt von dem Rechtsanwalt Detmold, alle die Aktenſtücke, welche die Nation über die Rechtsfrage aufklären konnten. Auch das Leipziger Deutſche Staatsarchiv wurde von ihm und ſeinen Freunden mit Beiträgen verſorgt, und der neue „Deutſche Curier“ in Stuttgart widmete faſt die Hälfte ſeiner Spalten der hannöverſchen Sache. Dieſe liberale Wochenſchrift erfreute ſich, da ſie über Schwaben wenig ſagte, der beſonderen Nachſicht der württembergiſchen Cenſur; daß ihr ge- wandter Herausgeber A. Weil wahrſcheinlich auch aus den geheimen Fonds der franzöſiſchen Regierung unterſtützt wurde, blieb den Hannoveranern unbekannt.
Da die Zeit der verfaſſungsmäßigen Steuerverwilligung zu Neu- jahr 1839 ablief, ſo richtete Stüve an mehrere juriſtiſche Facultäten die Anfrage, ob der Osnabrücker Magiſtrat dann noch berechtigt ſei die un- bewilligten Staatsſteuern zu erheben. Die Berliner Facultät verweigerte die Antwort, weil den preußiſchen Spruchcollegien unterſagt war ſich mit politiſchen Fragen zu befaſſen. Aus Jena aber, aus Heidelberg und Tübingen liefen umfaſſende Rechtsgutachten ein, welche ſich übereinſtimmend dahin ausſprachen, daß die Verfaſſung von 1833 noch zu Recht beſtehe. Das von dem jungen Germaniſten Reyſcher verfaßte Tübinger Gutachten erörterte ſehr ausführlich die Frage der Steuerverweigerung und ſagte manches treffendes Wort; im Grunde blieb es doch ein unmögliches Unter- nehmen, mit doktrinären Rechtsgründen nachzuweiſen was Rechtens ſei wenn das Recht aufhörte. Alſo ſtanden die verhaßten Profeſſoren abermals in Waffen wider die Welfen, und ganz Deutſchland ſtimmte ihrer Beweis- führung zu. Selbſt mit ſeiner Hauptſtadt gerieth Ernſt Auguſt in Händel. Sie verweigerte die Neuwahl, als ihr Abgeordneter aus dem Landtage ausgeſchieden war, und ſendete einen Proteſt an den Bundestag. Darauf ließ der König den Bürgermeiſter Rumann abſetzen und eine Unterſuchung gegen den Magiſtrat einleiten, der an Stüve einen ſchlagfertigen Ver- theidiger fand. Ein Amtmann wurde, dem Geſetze zuwider, an die Spitze der Stadtverwaltung geſtellt. Die Bürger aber drohten den Eindringling zum Fenſter hinauszuwerfen und zogen an einem ſchwülen Julitage 1839 in hellen Haufen vor das Schloß; ſobald der alte Welfe ſah, daß mit den verzweifelten Leuten nicht zu ſcherzen ſei, gab er weislich nach, betraute
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[671/0685]
Stüve und die Oppoſition.
lichen Gegenvorſtellungen, den neuen Huldigungsrevers eingereicht, doch
zugleich vor Notar und Zeugen gegen die Aufhebung des Staatsgrund-
geſetzes proteſtirt, und da die Regierung immer neue Vorwände erſann
um ihn vom Landtage auszuſchließen, ſo bewog er ſeine Stadt, ſich klagend
an den Bund zu wenden. Andere Städte und Wahlcorporationen folgten
dem Beiſpiele Osnabrücks. In ſeiner von Dahlmann herausgegebenen
„Vertheidigung des Staatsgrundgeſetzes“ wies Stüve überzeugend nach,
daß dieſe verleumdete Verfaſſung in Wahrheit die Rechte der Regierung
befeſtigt, die Macht der Krone verſtärkt habe. In dem Hannöverſchen
Portfolio ſammelte er, unterſtützt von dem Rechtsanwalt Detmold, alle
die Aktenſtücke, welche die Nation über die Rechtsfrage aufklären konnten.
Auch das Leipziger Deutſche Staatsarchiv wurde von ihm und ſeinen
Freunden mit Beiträgen verſorgt, und der neue „Deutſche Curier“ in
Stuttgart widmete faſt die Hälfte ſeiner Spalten der hannöverſchen Sache.
Dieſe liberale Wochenſchrift erfreute ſich, da ſie über Schwaben wenig
ſagte, der beſonderen Nachſicht der württembergiſchen Cenſur; daß ihr ge-
wandter Herausgeber A. Weil wahrſcheinlich auch aus den geheimen Fonds
der franzöſiſchen Regierung unterſtützt wurde, blieb den Hannoveranern
unbekannt.
Da die Zeit der verfaſſungsmäßigen Steuerverwilligung zu Neu-
jahr 1839 ablief, ſo richtete Stüve an mehrere juriſtiſche Facultäten die
Anfrage, ob der Osnabrücker Magiſtrat dann noch berechtigt ſei die un-
bewilligten Staatsſteuern zu erheben. Die Berliner Facultät verweigerte
die Antwort, weil den preußiſchen Spruchcollegien unterſagt war ſich mit
politiſchen Fragen zu befaſſen. Aus Jena aber, aus Heidelberg und
Tübingen liefen umfaſſende Rechtsgutachten ein, welche ſich übereinſtimmend
dahin ausſprachen, daß die Verfaſſung von 1833 noch zu Recht beſtehe.
Das von dem jungen Germaniſten Reyſcher verfaßte Tübinger Gutachten
erörterte ſehr ausführlich die Frage der Steuerverweigerung und ſagte
manches treffendes Wort; im Grunde blieb es doch ein unmögliches Unter-
nehmen, mit doktrinären Rechtsgründen nachzuweiſen was Rechtens ſei wenn
das Recht aufhörte. Alſo ſtanden die verhaßten Profeſſoren abermals in
Waffen wider die Welfen, und ganz Deutſchland ſtimmte ihrer Beweis-
führung zu. Selbſt mit ſeiner Hauptſtadt gerieth Ernſt Auguſt in Händel.
Sie verweigerte die Neuwahl, als ihr Abgeordneter aus dem Landtage
ausgeſchieden war, und ſendete einen Proteſt an den Bundestag. Darauf
ließ der König den Bürgermeiſter Rumann abſetzen und eine Unterſuchung
gegen den Magiſtrat einleiten, der an Stüve einen ſchlagfertigen Ver-
theidiger fand. Ein Amtmann wurde, dem Geſetze zuwider, an die Spitze
der Stadtverwaltung geſtellt. Die Bürger aber drohten den Eindringling
zum Fenſter hinauszuwerfen und zogen an einem ſchwülen Julitage 1839
in hellen Haufen vor das Schloß; ſobald der alte Welfe ſah, daß mit den
verzweifelten Leuten nicht zu ſcherzen ſei, gab er weislich nach, betraute
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Treitschke, Heinrich von: Deutsche Geschichte im neunzehnten Jahrhundert. Bd. 4: Bis zum Tode König Friedrich Wilhelms III. Leipzig, 1889, S. 671. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/treitschke_geschichte04_1889/685>, abgerufen am 23.07.2024.
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