spruch erhebe, und einstimmig pflichtete ihnen die Kammer bei. Blittersdorff selbst widersprach in der Sache nicht, obwohl er die Competenz des Land- tages bestritt. In diplomatischen Kreisen nannte er den welfischen Staats- streich beim rechten Namen und sagte voraus, welch ein unheimliches Miß- trauen nunmehr in der Nation überhandnehmen würde.*) Der sächsische und der bairische Landtag schlossen sich dem badischen an. Auch in Dresden suchten die Minister nur mit verlegenen Worten zu beschwichtigen. Einen Vertheidiger fand Ernst August nirgends, und er verstärkte nur den all- gemeinen Unmuth, als er dem sächsischen Hofe die herrische Erklärung zusandte: er könne "keiner Regierung, geschweige denn einer Ständever- sammlung gestatten" sich in hannöversche Angelegenheiten einzumischen".**)
Besser gelang ihm, die Zudringlichkeit des Auslands abzuweisen. Die englischen Wahlen standen vor der Thür, die Whigs beeilten sich den Ge- waltstreich des alten Toryhäuptlings auszubeuten, mit glänzendem Erfolge, wie sich bald zeigte. Palmerston wollte auch nicht zurückbleiben. Er wußte schon, daß die Pariser Presse bereits von einer deutschen Juli-Revolution sprach und die französische Regierung an eine gemeinsame Kundgebung der liberalen Westmächte dachte. Zunächst fragte er bei Ompteda vertraulich an, wie der Rechtsboden des Staatsgrundgesetzes eigentlich beschaffen sei. Da empfing er aus Hannover die schroffe Antwort: man verweigere amtlich alle Auskunft "über einen Gegenstand, welche jeder nichtdeutschen Regierung fremd sei". Mittlerweile hatte der preußische Gesandte dem Lord Melbourne das Zwecklose und Ungehörige dieser Einmischung ernstlich vorgehalten. Palmerston erschrak und ließ durch seinen Unterstaatssekretär Fox die demüthige Versicherung abgeben, er habe Se. Majestät nicht beleidigen wollen.***) Auch die französischen Minister ließen den Plan fallen; denn der Bürgerkönig meinte, ein solcher Schritt würde allen Regierungen Un- gelegenheiten bereiten und nur den Radicalismus ermuthigen, auch scheine die Sache doch nur auf einen elenden Geldstreit hinauszulaufen.+)
Gegen die beiden deutschen Großmächte zeigte sich Ernst August sehr verbindlich. Er wünschte sich ihren Beistand für alle Fälle zu sichern und sagte zu dem preußischen Gesandten beim ersten Empfange: "ich werde die viele Gnade, welche der König für mich gehabt hat, nie vergessen, und es wird stets mein Stolz sein, mich auch künftig zu seiner Armee zu zählen." Aber irgend einen Einfluß auf den Willen des alten Eisenkopfes konnte Niemand, auch der Freund nicht, gewinnen. Er hatte sich vermessen, aus
*) Blittersdorff, Weisung an Frankenberg, 5. Sept. 1837.
**) Schele d. J., im Auftrag des Königs, an Münchhausen, 22. Aug. 1837.
***) Palmerston an Ompteda, 17. Juli; Schele d. J., Weisung an Geh. Rath Lichtenberg in London, 25. Juli; Lichtenberg's Bericht, 8. Aug.; Metternich an Maltzan, 6. Aug. 1837.
+) Hügel's Bericht an Metternich, Paris 1. Aug.; Werther's Weisungen an Maltzan, 3. Aug., 15. Sept. 1837.
Erſte Wirkungen des Patents.
ſpruch erhebe, und einſtimmig pflichtete ihnen die Kammer bei. Blittersdorff ſelbſt widerſprach in der Sache nicht, obwohl er die Competenz des Land- tages beſtritt. In diplomatiſchen Kreiſen nannte er den welfiſchen Staats- ſtreich beim rechten Namen und ſagte voraus, welch ein unheimliches Miß- trauen nunmehr in der Nation überhandnehmen würde.*) Der ſächſiſche und der bairiſche Landtag ſchloſſen ſich dem badiſchen an. Auch in Dresden ſuchten die Miniſter nur mit verlegenen Worten zu beſchwichtigen. Einen Vertheidiger fand Ernſt Auguſt nirgends, und er verſtärkte nur den all- gemeinen Unmuth, als er dem ſächſiſchen Hofe die herriſche Erklärung zuſandte: er könne „keiner Regierung, geſchweige denn einer Ständever- ſammlung geſtatten“ ſich in hannöverſche Angelegenheiten einzumiſchen“.**)
Beſſer gelang ihm, die Zudringlichkeit des Auslands abzuweiſen. Die engliſchen Wahlen ſtanden vor der Thür, die Whigs beeilten ſich den Ge- waltſtreich des alten Toryhäuptlings auszubeuten, mit glänzendem Erfolge, wie ſich bald zeigte. Palmerſton wollte auch nicht zurückbleiben. Er wußte ſchon, daß die Pariſer Preſſe bereits von einer deutſchen Juli-Revolution ſprach und die franzöſiſche Regierung an eine gemeinſame Kundgebung der liberalen Weſtmächte dachte. Zunächſt fragte er bei Ompteda vertraulich an, wie der Rechtsboden des Staatsgrundgeſetzes eigentlich beſchaffen ſei. Da empfing er aus Hannover die ſchroffe Antwort: man verweigere amtlich alle Auskunft „über einen Gegenſtand, welche jeder nichtdeutſchen Regierung fremd ſei“. Mittlerweile hatte der preußiſche Geſandte dem Lord Melbourne das Zweckloſe und Ungehörige dieſer Einmiſchung ernſtlich vorgehalten. Palmerſton erſchrak und ließ durch ſeinen Unterſtaatsſekretär Fox die demüthige Verſicherung abgeben, er habe Se. Majeſtät nicht beleidigen wollen.***) Auch die franzöſiſchen Miniſter ließen den Plan fallen; denn der Bürgerkönig meinte, ein ſolcher Schritt würde allen Regierungen Un- gelegenheiten bereiten und nur den Radicalismus ermuthigen, auch ſcheine die Sache doch nur auf einen elenden Geldſtreit hinauszulaufen.†)
Gegen die beiden deutſchen Großmächte zeigte ſich Ernſt Auguſt ſehr verbindlich. Er wünſchte ſich ihren Beiſtand für alle Fälle zu ſichern und ſagte zu dem preußiſchen Geſandten beim erſten Empfange: „ich werde die viele Gnade, welche der König für mich gehabt hat, nie vergeſſen, und es wird ſtets mein Stolz ſein, mich auch künftig zu ſeiner Armee zu zählen.“ Aber irgend einen Einfluß auf den Willen des alten Eiſenkopfes konnte Niemand, auch der Freund nicht, gewinnen. Er hatte ſich vermeſſen, aus
*) Blittersdorff, Weiſung an Frankenberg, 5. Sept. 1837.
**) Schele d. J., im Auftrag des Königs, an Münchhauſen, 22. Aug. 1837.
***) Palmerſton an Ompteda, 17. Juli; Schele d. J., Weiſung an Geh. Rath Lichtenberg in London, 25. Juli; Lichtenberg’s Bericht, 8. Aug.; Metternich an Maltzan, 6. Aug. 1837.
†) Hügel’s Bericht an Metternich, Paris 1. Aug.; Werther’s Weiſungen an Maltzan, 3. Aug., 15. Sept. 1837.
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ſpruch erhebe, und einſtimmig pflichtete ihnen die Kammer bei. Blittersdorff
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tages beſtritt. In diplomatiſchen Kreiſen nannte er den welfiſchen Staats-
ſtreich beim rechten Namen und ſagte voraus, welch ein unheimliches Miß-
trauen nunmehr in der Nation überhandnehmen würde. *) Der ſächſiſche
und der bairiſche Landtag ſchloſſen ſich dem badiſchen an. Auch in Dresden
ſuchten die Miniſter nur mit verlegenen Worten zu beſchwichtigen. Einen
Vertheidiger fand Ernſt Auguſt nirgends, und er verſtärkte nur den all-
gemeinen Unmuth, als er dem ſächſiſchen Hofe die herriſche Erklärung
zuſandte: er könne „keiner Regierung, geſchweige denn einer Ständever-
ſammlung geſtatten“ ſich in hannöverſche Angelegenheiten einzumiſchen“. **)
Beſſer gelang ihm, die Zudringlichkeit des Auslands abzuweiſen. Die
engliſchen Wahlen ſtanden vor der Thür, die Whigs beeilten ſich den Ge-
waltſtreich des alten Toryhäuptlings auszubeuten, mit glänzendem Erfolge,
wie ſich bald zeigte. Palmerſton wollte auch nicht zurückbleiben. Er wußte
ſchon, daß die Pariſer Preſſe bereits von einer deutſchen Juli-Revolution
ſprach und die franzöſiſche Regierung an eine gemeinſame Kundgebung der
liberalen Weſtmächte dachte. Zunächſt fragte er bei Ompteda vertraulich
an, wie der Rechtsboden des Staatsgrundgeſetzes eigentlich beſchaffen ſei.
Da empfing er aus Hannover die ſchroffe Antwort: man verweigere amtlich
alle Auskunft „über einen Gegenſtand, welche jeder nichtdeutſchen Regierung
fremd ſei“. Mittlerweile hatte der preußiſche Geſandte dem Lord Melbourne
das Zweckloſe und Ungehörige dieſer Einmiſchung ernſtlich vorgehalten.
Palmerſton erſchrak und ließ durch ſeinen Unterſtaatsſekretär Fox die
demüthige Verſicherung abgeben, er habe Se. Majeſtät nicht beleidigen
wollen. ***) Auch die franzöſiſchen Miniſter ließen den Plan fallen; denn
der Bürgerkönig meinte, ein ſolcher Schritt würde allen Regierungen Un-
gelegenheiten bereiten und nur den Radicalismus ermuthigen, auch ſcheine
die Sache doch nur auf einen elenden Geldſtreit hinauszulaufen. †)
Gegen die beiden deutſchen Großmächte zeigte ſich Ernſt Auguſt ſehr
verbindlich. Er wünſchte ſich ihren Beiſtand für alle Fälle zu ſichern und
ſagte zu dem preußiſchen Geſandten beim erſten Empfange: „ich werde die
viele Gnade, welche der König für mich gehabt hat, nie vergeſſen, und es
wird ſtets mein Stolz ſein, mich auch künftig zu ſeiner Armee zu zählen.“
Aber irgend einen Einfluß auf den Willen des alten Eiſenkopfes konnte
Niemand, auch der Freund nicht, gewinnen. Er hatte ſich vermeſſen, aus
*) Blittersdorff, Weiſung an Frankenberg, 5. Sept. 1837.
**) Schele d. J., im Auftrag des Königs, an Münchhauſen, 22. Aug. 1837.
***) Palmerſton an Ompteda, 17. Juli; Schele d. J., Weiſung an Geh. Rath
Lichtenberg in London, 25. Juli; Lichtenberg’s Bericht, 8. Aug.; Metternich an Maltzan,
6. Aug. 1837.
†) Hügel’s Bericht an Metternich, Paris 1. Aug.; Werther’s Weiſungen an Maltzan,
3. Aug., 15. Sept. 1837.
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Treitschke, Heinrich von: Deutsche Geschichte im neunzehnten Jahrhundert. Bd. 4: Bis zum Tode König Friedrich Wilhelms III. Leipzig, 1889, S. 653. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/treitschke_geschichte04_1889/667>, abgerufen am 23.07.2024.
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