sich jeden Empfang verbeten und den Baiern anbefohlen, die Kosten der Ehrenpforten und Kränze den griechischen Kämpfern zu widmen. Nun sah er das Land seiner Sehnsucht befreit und zugleich den Stolz seines Hauses befriedigt. Er träumte schon von einer wittelsbachischen Groß- macht, die sich, allerdings nicht ohne Unterbrechung, vom Fichtelgebirge bis zum Cap Matapan erstrecken sollte, und willigte nur ungern darein, daß sein Sohn auf die bairische Thronfolge verzichten mußte.*) Da ein Geschichtsthaler für einen solchen Erfolg offenbar nicht ausreichte, so wur- den ihrer drei geprägt. Auch im bairischen Lande herrschte anfangs starke Begeisterung, als die drei Abgesandten der Hellenen in ihrer malerischen Nationaltracht auf dem Münchener Octoberfeste erschienen. Mancher brave Brauer schmückte sein Wirthshaus mit der Inschrift "zur Stadt Nauplia". Die nach Hellas ausziehenden Grenadiere sangen ein stolzes Lied: "Ich bin ein Baier, stamm' von tapfern Ahnen," das mit den Worten schloß: "wir sind ja Baiern, laßt uns Baiern sein;" und da das Preußenlied im Süden noch fast unbekannt war, so hielt man dies Gedicht für ein echtes bajuvarisches Naturgewächs.
Die anderen Deutschen lachten freilich nur über die wunderliche dyna- stische Schrulle des Baiernkönigs. So lange die Hellenen noch für ihre Freiheit fochten, wirkten ihre Geschicke auch auf Deutschland zurück, weil der Agon den ersten Stoß führte gegen das System der starren Legitimität, und weil die deutschen Philhellenen aus diesen Kämpfen eine kräftige Be- geisterung für das Recht der nationalen Selbstbestimmung heimbrachten. Seit Griechenland dem wittelsbachischen Hause verfiel, war es für uns lediglich ein entlegenes kleines Land, nur noch darum bedeutsam, weil die hellenische Staatskunst der Krone Baiern die Briten, Russen und Fran- zosen bestärken mußte in der hergebrachten Meinung, daß die Deutschen für die Politik verloren seien. In der That stand das Verhalten des philhellenischen Königs wenig im Einklang mit dem Namen "des Landes der Weisen", welchen die lernbegierigen Griechen dem gelehrten Deutsch- land beizulegen liebten.
Prinz Otto war noch unmündig, ein gutmüthiger, sittsamer junger Mann, aber wenig begabt, unentschlossen, mißtrauisch, schüchtern; niemals erhob sich sein linkisches Wesen zu jenem sicheren Selbstgefühle, das die Orientalen vor Allem von ihren Herrschern verlangen. Bis zu seiner Volljährigkeit mußte ihm eine Regentschaft beigegeben werden, und König Ludwig meinte sehr klug zu handeln, wenn er mit dieser wichtigen Auf- gabe Männer betraute, welche ganz außerhalb der griechischen Parteikämpfe stünden, also treue Baiern. Er ernannte zu Regenten seinen erst kürz- lich in Ungnaden entlassenen Minister Grafen Armansperg, den gelehrten Professor Maurer und den alten Philhellenen General Heideck; von allen
*) Dönhoff's Bericht, 19. Mai 1832.
Die Baiern in Griechenland.
ſich jeden Empfang verbeten und den Baiern anbefohlen, die Koſten der Ehrenpforten und Kränze den griechiſchen Kämpfern zu widmen. Nun ſah er das Land ſeiner Sehnſucht befreit und zugleich den Stolz ſeines Hauſes befriedigt. Er träumte ſchon von einer wittelsbachiſchen Groß- macht, die ſich, allerdings nicht ohne Unterbrechung, vom Fichtelgebirge bis zum Cap Matapan erſtrecken ſollte, und willigte nur ungern darein, daß ſein Sohn auf die bairiſche Thronfolge verzichten mußte.*) Da ein Geſchichtsthaler für einen ſolchen Erfolg offenbar nicht ausreichte, ſo wur- den ihrer drei geprägt. Auch im bairiſchen Lande herrſchte anfangs ſtarke Begeiſterung, als die drei Abgeſandten der Hellenen in ihrer maleriſchen Nationaltracht auf dem Münchener Octoberfeſte erſchienen. Mancher brave Brauer ſchmückte ſein Wirthshaus mit der Inſchrift „zur Stadt Nauplia“. Die nach Hellas ausziehenden Grenadiere ſangen ein ſtolzes Lied: „Ich bin ein Baier, ſtamm’ von tapfern Ahnen,“ das mit den Worten ſchloß: „wir ſind ja Baiern, laßt uns Baiern ſein;“ und da das Preußenlied im Süden noch faſt unbekannt war, ſo hielt man dies Gedicht für ein echtes bajuvariſches Naturgewächs.
Die anderen Deutſchen lachten freilich nur über die wunderliche dyna- ſtiſche Schrulle des Baiernkönigs. So lange die Hellenen noch für ihre Freiheit fochten, wirkten ihre Geſchicke auch auf Deutſchland zurück, weil der Agon den erſten Stoß führte gegen das Syſtem der ſtarren Legitimität, und weil die deutſchen Philhellenen aus dieſen Kämpfen eine kräftige Be- geiſterung für das Recht der nationalen Selbſtbeſtimmung heimbrachten. Seit Griechenland dem wittelsbachiſchen Hauſe verfiel, war es für uns lediglich ein entlegenes kleines Land, nur noch darum bedeutſam, weil die helleniſche Staatskunſt der Krone Baiern die Briten, Ruſſen und Fran- zoſen beſtärken mußte in der hergebrachten Meinung, daß die Deutſchen für die Politik verloren ſeien. In der That ſtand das Verhalten des philhelleniſchen Königs wenig im Einklang mit dem Namen „des Landes der Weiſen“, welchen die lernbegierigen Griechen dem gelehrten Deutſch- land beizulegen liebten.
Prinz Otto war noch unmündig, ein gutmüthiger, ſittſamer junger Mann, aber wenig begabt, unentſchloſſen, mißtrauiſch, ſchüchtern; niemals erhob ſich ſein linkiſches Weſen zu jenem ſicheren Selbſtgefühle, das die Orientalen vor Allem von ihren Herrſchern verlangen. Bis zu ſeiner Volljährigkeit mußte ihm eine Regentſchaft beigegeben werden, und König Ludwig meinte ſehr klug zu handeln, wenn er mit dieſer wichtigen Auf- gabe Männer betraute, welche ganz außerhalb der griechiſchen Parteikämpfe ſtünden, alſo treue Baiern. Er ernannte zu Regenten ſeinen erſt kürz- lich in Ungnaden entlaſſenen Miniſter Grafen Armansperg, den gelehrten Profeſſor Maurer und den alten Philhellenen General Heideck; von allen
*) Dönhoff’s Bericht, 19. Mai 1832.
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Die Baiern in Griechenland.
ſich jeden Empfang verbeten und den Baiern anbefohlen, die Koſten der
Ehrenpforten und Kränze den griechiſchen Kämpfern zu widmen. Nun
ſah er das Land ſeiner Sehnſucht befreit und zugleich den Stolz ſeines
Hauſes befriedigt. Er träumte ſchon von einer wittelsbachiſchen Groß-
macht, die ſich, allerdings nicht ohne Unterbrechung, vom Fichtelgebirge
bis zum Cap Matapan erſtrecken ſollte, und willigte nur ungern darein,
daß ſein Sohn auf die bairiſche Thronfolge verzichten mußte. *) Da ein
Geſchichtsthaler für einen ſolchen Erfolg offenbar nicht ausreichte, ſo wur-
den ihrer drei geprägt. Auch im bairiſchen Lande herrſchte anfangs ſtarke
Begeiſterung, als die drei Abgeſandten der Hellenen in ihrer maleriſchen
Nationaltracht auf dem Münchener Octoberfeſte erſchienen. Mancher brave
Brauer ſchmückte ſein Wirthshaus mit der Inſchrift „zur Stadt Nauplia“.
Die nach Hellas ausziehenden Grenadiere ſangen ein ſtolzes Lied: „Ich
bin ein Baier, ſtamm’ von tapfern Ahnen,“ das mit den Worten ſchloß:
„wir ſind ja Baiern, laßt uns Baiern ſein;“ und da das Preußenlied
im Süden noch faſt unbekannt war, ſo hielt man dies Gedicht für ein
echtes bajuvariſches Naturgewächs.
Die anderen Deutſchen lachten freilich nur über die wunderliche dyna-
ſtiſche Schrulle des Baiernkönigs. So lange die Hellenen noch für ihre
Freiheit fochten, wirkten ihre Geſchicke auch auf Deutſchland zurück, weil
der Agon den erſten Stoß führte gegen das Syſtem der ſtarren Legitimität,
und weil die deutſchen Philhellenen aus dieſen Kämpfen eine kräftige Be-
geiſterung für das Recht der nationalen Selbſtbeſtimmung heimbrachten.
Seit Griechenland dem wittelsbachiſchen Hauſe verfiel, war es für uns
lediglich ein entlegenes kleines Land, nur noch darum bedeutſam, weil die
helleniſche Staatskunſt der Krone Baiern die Briten, Ruſſen und Fran-
zoſen beſtärken mußte in der hergebrachten Meinung, daß die Deutſchen
für die Politik verloren ſeien. In der That ſtand das Verhalten des
philhelleniſchen Königs wenig im Einklang mit dem Namen „des Landes
der Weiſen“, welchen die lernbegierigen Griechen dem gelehrten Deutſch-
land beizulegen liebten.
Prinz Otto war noch unmündig, ein gutmüthiger, ſittſamer junger
Mann, aber wenig begabt, unentſchloſſen, mißtrauiſch, ſchüchtern; niemals
erhob ſich ſein linkiſches Weſen zu jenem ſicheren Selbſtgefühle, das die
Orientalen vor Allem von ihren Herrſchern verlangen. Bis zu ſeiner
Volljährigkeit mußte ihm eine Regentſchaft beigegeben werden, und König
Ludwig meinte ſehr klug zu handeln, wenn er mit dieſer wichtigen Auf-
gabe Männer betraute, welche ganz außerhalb der griechiſchen Parteikämpfe
ſtünden, alſo treue Baiern. Er ernannte zu Regenten ſeinen erſt kürz-
lich in Ungnaden entlaſſenen Miniſter Grafen Armansperg, den gelehrten
Profeſſor Maurer und den alten Philhellenen General Heideck; von allen
*) Dönhoff’s Bericht, 19. Mai 1832.
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Treitschke, Heinrich von: Deutsche Geschichte im neunzehnten Jahrhundert. Bd. 4: Bis zum Tode König Friedrich Wilhelms III. Leipzig, 1889, S. 637. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/treitschke_geschichte04_1889/651>, abgerufen am 23.07.2024.
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