Verstimmt und entmuthigt beschlossen die Führer der Liberalen 1838, den parlamentarischen Kampf vorläufig aufzugeben; Pfizer, Uhland, Schott, Römer, Wolfgang Menzel ließen sich nicht wieder wählen. In einem Briefe an einen seiner Geißlinger Wähler sprach F. Römer die Verzweif- lung und Erbitterung, welche den süddeutschen Liberalismus ergriffen hatte, stürmisch aus. Da hieß es: "Gerade die Starrheit, womit ich auf demjenigen beharre was ich für recht halte, macht mich zum württem- bergischen Volksvertreter gänzlich unfähig. Kann man es mit dem be- stehenden Rechte der Steuerverweigerung in Einklang bringen, einer Re- gierung, welche dem Volke gerade diejenigen Mittel vorenthält, die allein geeignet sind, den Sinn für einen verfassungsmäßigen Rechtszustand zu wecken und zu erhalten, kann man es, sage ich, mit jenem Rechte in Ein- klang bringen, einer solchen Regierung das Geld zu verwilligen, womit der Censor belohnt wird, weil er diejenigen Stellen streicht, welche sich auf die Rechte der Staatsbürger beziehen? -- das Geld zu verwilligen, womit der Polizeibeamte bezahlt wird, weil er gegen politische Versamm- lungen einschreitet? -- das Geld zu verwilligen, womit der Richter be- soldet wird, weil er den Widerstand gegen solche Verfügungen bestraft? So scheiterten alle Versuche einen besseren Zustand zu begründen, an der Furcht vor dem Bunde!"*)
Solche Verzichte bestrafen sich in der Politik unfehlbar. Die neue Kammer von 1839 bestand zumeist aus ergebenen Beamten und Schult- heißen; man nannte sie die Amtsversammlung, und ganz ungestört konnte Schlayer fortan mit dem Heere seiner Schreiber schalten. Er verfuhr ver- ständig und sparsam; nur eine Minderung der Ueberzahl der Generale wagte er dem Großmachtsstolze seines Monarchen nicht zuzumuthen. König Wil- helm nannte sich selbst gern einen alten Praktiker und sorgte eifrig für den Landbau; sein Liebling, die landwirthschaftliche Akademie zu Hohenheim be- saß auch nachdem der verdiente Schwerz abgegangen war, immer treffliche Lehrer. Die völlige Entlastung des Bodens vermochte er freilich nicht durch- zusetzen; denn seine Regierung konnte, obgleich Schlayer sie als ein "bür- gerliches Ministerium" rühmte, des Beistandes der ersten Kammer gegen die Liberalen nicht entbehren, und die Engherzigkeit der Standesherren wollte von befreienden Agrargesetzen nichts hören. Mit Mühe wurde die Ablösung der Frohnden und Beden, gegen eine sehr hohe Entschädigung, erreicht; die Zehnten blieben bestehen, zum Leidwesen des Königs. Die Demagogenverfolgung betrieb er als nüchterner Geschäftsmann nicht sehr eifrig. Die Presse dagegen ward unerbittlich bedrückt; sie durfte sogar die Censurlücken nicht mehr durch Gedankenstriche andeuten. Die große Treib- jagd des Bundestags hatte in Schwaben nur noch zwei politische Blätter am Leben gelassen: den Beobachter, der das Geschäft des unterdrückten
*) F. Römer's Schreiben an einen seiner Geißlinger Wähler, 1. Nov. 1838. S. Beil. 23.
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Rücktritt der württembergiſchen Oppoſition.
Verſtimmt und entmuthigt beſchloſſen die Führer der Liberalen 1838, den parlamentariſchen Kampf vorläufig aufzugeben; Pfizer, Uhland, Schott, Römer, Wolfgang Menzel ließen ſich nicht wieder wählen. In einem Briefe an einen ſeiner Geißlinger Wähler ſprach F. Römer die Verzweif- lung und Erbitterung, welche den ſüddeutſchen Liberalismus ergriffen hatte, ſtürmiſch aus. Da hieß es: „Gerade die Starrheit, womit ich auf demjenigen beharre was ich für recht halte, macht mich zum württem- bergiſchen Volksvertreter gänzlich unfähig. Kann man es mit dem be- ſtehenden Rechte der Steuerverweigerung in Einklang bringen, einer Re- gierung, welche dem Volke gerade diejenigen Mittel vorenthält, die allein geeignet ſind, den Sinn für einen verfaſſungsmäßigen Rechtszuſtand zu wecken und zu erhalten, kann man es, ſage ich, mit jenem Rechte in Ein- klang bringen, einer ſolchen Regierung das Geld zu verwilligen, womit der Cenſor belohnt wird, weil er diejenigen Stellen ſtreicht, welche ſich auf die Rechte der Staatsbürger beziehen? — das Geld zu verwilligen, womit der Polizeibeamte bezahlt wird, weil er gegen politiſche Verſamm- lungen einſchreitet? — das Geld zu verwilligen, womit der Richter be- ſoldet wird, weil er den Widerſtand gegen ſolche Verfügungen beſtraft? So ſcheiterten alle Verſuche einen beſſeren Zuſtand zu begründen, an der Furcht vor dem Bunde!“*)
Solche Verzichte beſtrafen ſich in der Politik unfehlbar. Die neue Kammer von 1839 beſtand zumeiſt aus ergebenen Beamten und Schult- heißen; man nannte ſie die Amtsverſammlung, und ganz ungeſtört konnte Schlayer fortan mit dem Heere ſeiner Schreiber ſchalten. Er verfuhr ver- ſtändig und ſparſam; nur eine Minderung der Ueberzahl der Generale wagte er dem Großmachtsſtolze ſeines Monarchen nicht zuzumuthen. König Wil- helm nannte ſich ſelbſt gern einen alten Praktiker und ſorgte eifrig für den Landbau; ſein Liebling, die landwirthſchaftliche Akademie zu Hohenheim be- ſaß auch nachdem der verdiente Schwerz abgegangen war, immer treffliche Lehrer. Die völlige Entlaſtung des Bodens vermochte er freilich nicht durch- zuſetzen; denn ſeine Regierung konnte, obgleich Schlayer ſie als ein „bür- gerliches Miniſterium“ rühmte, des Beiſtandes der erſten Kammer gegen die Liberalen nicht entbehren, und die Engherzigkeit der Standesherren wollte von befreienden Agrargeſetzen nichts hören. Mit Mühe wurde die Ablöſung der Frohnden und Beden, gegen eine ſehr hohe Entſchädigung, erreicht; die Zehnten blieben beſtehen, zum Leidweſen des Königs. Die Demagogenverfolgung betrieb er als nüchterner Geſchäftsmann nicht ſehr eifrig. Die Preſſe dagegen ward unerbittlich bedrückt; ſie durfte ſogar die Cenſurlücken nicht mehr durch Gedankenſtriche andeuten. Die große Treib- jagd des Bundestags hatte in Schwaben nur noch zwei politiſche Blätter am Leben gelaſſen: den Beobachter, der das Geſchäft des unterdrückten
*) F. Römer’s Schreiben an einen ſeiner Geißlinger Wähler, 1. Nov. 1838. S. Beil. 23.
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Rücktritt der württembergiſchen Oppoſition.
Verſtimmt und entmuthigt beſchloſſen die Führer der Liberalen 1838,
den parlamentariſchen Kampf vorläufig aufzugeben; Pfizer, Uhland, Schott,
Römer, Wolfgang Menzel ließen ſich nicht wieder wählen. In einem
Briefe an einen ſeiner Geißlinger Wähler ſprach F. Römer die Verzweif-
lung und Erbitterung, welche den ſüddeutſchen Liberalismus ergriffen
hatte, ſtürmiſch aus. Da hieß es: „Gerade die Starrheit, womit ich auf
demjenigen beharre was ich für recht halte, macht mich zum württem-
bergiſchen Volksvertreter gänzlich unfähig. Kann man es mit dem be-
ſtehenden Rechte der Steuerverweigerung in Einklang bringen, einer Re-
gierung, welche dem Volke gerade diejenigen Mittel vorenthält, die allein
geeignet ſind, den Sinn für einen verfaſſungsmäßigen Rechtszuſtand zu
wecken und zu erhalten, kann man es, ſage ich, mit jenem Rechte in Ein-
klang bringen, einer ſolchen Regierung das Geld zu verwilligen, womit
der Cenſor belohnt wird, weil er diejenigen Stellen ſtreicht, welche ſich
auf die Rechte der Staatsbürger beziehen? — das Geld zu verwilligen,
womit der Polizeibeamte bezahlt wird, weil er gegen politiſche Verſamm-
lungen einſchreitet? — das Geld zu verwilligen, womit der Richter be-
ſoldet wird, weil er den Widerſtand gegen ſolche Verfügungen beſtraft?
So ſcheiterten alle Verſuche einen beſſeren Zuſtand zu begründen, an der
Furcht vor dem Bunde!“ *)
Solche Verzichte beſtrafen ſich in der Politik unfehlbar. Die neue
Kammer von 1839 beſtand zumeiſt aus ergebenen Beamten und Schult-
heißen; man nannte ſie die Amtsverſammlung, und ganz ungeſtört konnte
Schlayer fortan mit dem Heere ſeiner Schreiber ſchalten. Er verfuhr ver-
ſtändig und ſparſam; nur eine Minderung der Ueberzahl der Generale wagte
er dem Großmachtsſtolze ſeines Monarchen nicht zuzumuthen. König Wil-
helm nannte ſich ſelbſt gern einen alten Praktiker und ſorgte eifrig für den
Landbau; ſein Liebling, die landwirthſchaftliche Akademie zu Hohenheim be-
ſaß auch nachdem der verdiente Schwerz abgegangen war, immer treffliche
Lehrer. Die völlige Entlaſtung des Bodens vermochte er freilich nicht durch-
zuſetzen; denn ſeine Regierung konnte, obgleich Schlayer ſie als ein „bür-
gerliches Miniſterium“ rühmte, des Beiſtandes der erſten Kammer gegen
die Liberalen nicht entbehren, und die Engherzigkeit der Standesherren
wollte von befreienden Agrargeſetzen nichts hören. Mit Mühe wurde die
Ablöſung der Frohnden und Beden, gegen eine ſehr hohe Entſchädigung,
erreicht; die Zehnten blieben beſtehen, zum Leidweſen des Königs. Die
Demagogenverfolgung betrieb er als nüchterner Geſchäftsmann nicht ſehr
eifrig. Die Preſſe dagegen ward unerbittlich bedrückt; ſie durfte ſogar die
Cenſurlücken nicht mehr durch Gedankenſtriche andeuten. Die große Treib-
jagd des Bundestags hatte in Schwaben nur noch zwei politiſche Blätter
am Leben gelaſſen: den Beobachter, der das Geſchäft des unterdrückten
*) F. Römer’s Schreiben an einen ſeiner Geißlinger Wähler, 1. Nov. 1838. S. Beil. 23.
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Treitschke, Heinrich von: Deutsche Geschichte im neunzehnten Jahrhundert. Bd. 4: Bis zum Tode König Friedrich Wilhelms III. Leipzig, 1889, S. 627. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/treitschke_geschichte04_1889/641>, abgerufen am 27.11.2024.
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