für das Bilderwerk "Das malerische und romantische Deutschland" den Band über die Ostsee, ein unschuldiges Reisegeplauder, das zumeist von Land- schaften, Mondschein und lieblichen Mädchen handelte. Wer den Durch- schnitt unserer Demagogen, der wirklichen wie der vermeintlichen, furchtlos betrachtete, der mußte einsehen, daß die Thatkraft des germanischen Cha- rakters in den Geheimbünden nicht zu Tage trat, und eine Revolution von unten den Bundestag schwerlich überwältigen konnte.
Weit härter als in Preußen wüthete diesmal die Verfolgung in Baiern, denn König Ludwig glaubte von den Liberalen, die ihn einst vergöttert hatten, verrathen zu sein. Jetzt kannte er keine Schonung mehr; er ließ sogar Wirth's Frau verfolgen, weil sie die Vertheidigungsrede ihres Gatten verbreitet hatte, gab den Richtern durch Handschreiben Anweisungen wie sie urtheilen sollten, und ward auch nicht milder gestimmt, als der trau- rige Kerkertod eines preußischen Studenten Kolligs ganz München mit Schrecken erfüllte.*) Ein Sendschreiben "Stimme aus dem Kerker an König Ludwig" von dem radicalen Journalisten Coremans erbitterte den Mon- archen tief; darin stand zu lesen, durch seine Gedichte habe sich der könig- liche Poet "selbst zum ersten Opponenten im Lande erklärt". Unter den 142 bairischen Demagogen, die im Jahre 1834 ihres Urtheils harrten, war auch der Würzburger Altbürgermeister Behr, vor Zeiten Ludwig's Ver- trauter. Der hatte in einer wortreichen "Dringenden Erinnerung" den Landtag von 1831 aufgefordert, die Revision der Verfassung und die Ver- eidigung des Heeres zu beantragen; die Schrift enthielt viel Thorheit, aber kein strafbares Wort. Gleichwohl wurde der zweiundsechzigjährige Mann verurtheilt, vor dem Bilde des Königs knieend Abbitte zu leisten -- eine em- pörende Strafe, die dem gekrönten Dichter besonders nöthig schien -- und dann zu vieljähriger Haft auf die Passauer Festung geführt. Ein Gnaden- gesuch schlug der König ab, gerade weil er dem Verurtheilten früher so viel Vertrauen erzeigt habe.**) Dieselbe schimpfliche Strafe mußte der arglos geschwätzige Dr. Eisenmann erleiden; in seiner Wohnung wollte die Polizei einen Sammetmantel gefunden haben, den sie für das Krönungskleid des künftigen Frankenherzogs hielt. Beiden Unglücklichen wurde im Kerker die Kraft des Leibes und der Seele gebrochen. Vergeblich bat der Landtag um Amnestie für die politischen Verbrecher, und mit begreiflichem Ingrimm donnerte die Flüchtlingspresse wider das orientalische Strafverfahren des bairischen Sultans. Da Ludwig gar so hart verfuhr, so betrachtete man selbst Oken's Entlassung, die allein in der Unverträglichkeit des Natur- forschers ihren Grund hatte, als eine politische Gewaltthat. Eine Ode von Schultheiß sagte: der Dichterfürst
Trieb aber lichtscheu bald den Lichtheld Achtlos hinweg aus der finstern Mönchsstadt.
*) Dönhoff's Bericht, 17. Dec. 1837.
**) Dönhoff's Bericht, 25. Juni 1836.
Die Abbitten vor König Ludwig’s Bilde.
für das Bilderwerk „Das maleriſche und romantiſche Deutſchland“ den Band über die Oſtſee, ein unſchuldiges Reiſegeplauder, das zumeiſt von Land- ſchaften, Mondſchein und lieblichen Mädchen handelte. Wer den Durch- ſchnitt unſerer Demagogen, der wirklichen wie der vermeintlichen, furchtlos betrachtete, der mußte einſehen, daß die Thatkraft des germaniſchen Cha- rakters in den Geheimbünden nicht zu Tage trat, und eine Revolution von unten den Bundestag ſchwerlich überwältigen konnte.
Weit härter als in Preußen wüthete diesmal die Verfolgung in Baiern, denn König Ludwig glaubte von den Liberalen, die ihn einſt vergöttert hatten, verrathen zu ſein. Jetzt kannte er keine Schonung mehr; er ließ ſogar Wirth’s Frau verfolgen, weil ſie die Vertheidigungsrede ihres Gatten verbreitet hatte, gab den Richtern durch Handſchreiben Anweiſungen wie ſie urtheilen ſollten, und ward auch nicht milder geſtimmt, als der trau- rige Kerkertod eines preußiſchen Studenten Kolligs ganz München mit Schrecken erfüllte.*) Ein Sendſchreiben „Stimme aus dem Kerker an König Ludwig“ von dem radicalen Journaliſten Coremans erbitterte den Mon- archen tief; darin ſtand zu leſen, durch ſeine Gedichte habe ſich der könig- liche Poet „ſelbſt zum erſten Opponenten im Lande erklärt“. Unter den 142 bairiſchen Demagogen, die im Jahre 1834 ihres Urtheils harrten, war auch der Würzburger Altbürgermeiſter Behr, vor Zeiten Ludwig’s Ver- trauter. Der hatte in einer wortreichen „Dringenden Erinnerung“ den Landtag von 1831 aufgefordert, die Reviſion der Verfaſſung und die Ver- eidigung des Heeres zu beantragen; die Schrift enthielt viel Thorheit, aber kein ſtrafbares Wort. Gleichwohl wurde der zweiundſechzigjährige Mann verurtheilt, vor dem Bilde des Königs knieend Abbitte zu leiſten — eine em- pörende Strafe, die dem gekrönten Dichter beſonders nöthig ſchien — und dann zu vieljähriger Haft auf die Paſſauer Feſtung geführt. Ein Gnaden- geſuch ſchlug der König ab, gerade weil er dem Verurtheilten früher ſo viel Vertrauen erzeigt habe.**) Dieſelbe ſchimpfliche Strafe mußte der arglos geſchwätzige Dr. Eiſenmann erleiden; in ſeiner Wohnung wollte die Polizei einen Sammetmantel gefunden haben, den ſie für das Krönungskleid des künftigen Frankenherzogs hielt. Beiden Unglücklichen wurde im Kerker die Kraft des Leibes und der Seele gebrochen. Vergeblich bat der Landtag um Amneſtie für die politiſchen Verbrecher, und mit begreiflichem Ingrimm donnerte die Flüchtlingspreſſe wider das orientaliſche Strafverfahren des bairiſchen Sultans. Da Ludwig gar ſo hart verfuhr, ſo betrachtete man ſelbſt Oken’s Entlaſſung, die allein in der Unverträglichkeit des Natur- forſchers ihren Grund hatte, als eine politiſche Gewaltthat. Eine Ode von Schultheiß ſagte: der Dichterfürſt
Trieb aber lichtſcheu bald den Lichtheld Achtlos hinweg aus der finſtern Mönchsſtadt.
*) Dönhoff’s Bericht, 17. Dec. 1837.
**) Dönhoff’s Bericht, 25. Juni 1836.
<TEI><text><body><divn="1"><divn="2"><p><pbfacs="#f0627"n="613"/><fwplace="top"type="header">Die Abbitten vor König Ludwig’s Bilde.</fw><lb/>
für das Bilderwerk „Das maleriſche und romantiſche Deutſchland“ den<lb/>
Band über die Oſtſee, ein unſchuldiges Reiſegeplauder, das zumeiſt von Land-<lb/>ſchaften, Mondſchein und lieblichen Mädchen handelte. Wer den Durch-<lb/>ſchnitt unſerer Demagogen, der wirklichen wie der vermeintlichen, furchtlos<lb/>
betrachtete, der mußte einſehen, daß die Thatkraft des germaniſchen Cha-<lb/>
rakters in den Geheimbünden nicht zu Tage trat, und eine Revolution<lb/>
von unten den Bundestag ſchwerlich überwältigen konnte.</p><lb/><p>Weit härter als in Preußen wüthete diesmal die Verfolgung in Baiern,<lb/>
denn König Ludwig glaubte von den Liberalen, die ihn einſt vergöttert<lb/>
hatten, verrathen zu ſein. Jetzt kannte er keine Schonung mehr; er ließ<lb/>ſogar Wirth’s Frau verfolgen, weil ſie die Vertheidigungsrede ihres Gatten<lb/>
verbreitet hatte, gab den Richtern durch Handſchreiben Anweiſungen wie<lb/>ſie urtheilen ſollten, und ward auch nicht milder geſtimmt, als der trau-<lb/>
rige Kerkertod eines preußiſchen Studenten Kolligs ganz München mit<lb/>
Schrecken erfüllte.<noteplace="foot"n="*)">Dönhoff’s Bericht, 17. Dec. 1837.</note> Ein Sendſchreiben „Stimme aus dem Kerker an König<lb/>
Ludwig“ von dem radicalen Journaliſten Coremans erbitterte den Mon-<lb/>
archen tief; darin ſtand zu leſen, durch ſeine Gedichte habe ſich der könig-<lb/>
liche Poet „ſelbſt zum erſten Opponenten im Lande erklärt“. Unter den<lb/>
142 bairiſchen Demagogen, die im Jahre 1834 ihres Urtheils harrten,<lb/>
war auch der Würzburger Altbürgermeiſter Behr, vor Zeiten Ludwig’s Ver-<lb/>
trauter. Der hatte in einer wortreichen „Dringenden Erinnerung“ den<lb/>
Landtag von 1831 aufgefordert, die Reviſion der Verfaſſung und die Ver-<lb/>
eidigung des Heeres zu beantragen; die Schrift enthielt viel Thorheit, aber<lb/>
kein ſtrafbares Wort. Gleichwohl wurde der zweiundſechzigjährige Mann<lb/>
verurtheilt, vor dem Bilde des Königs knieend Abbitte zu leiſten — eine em-<lb/>
pörende Strafe, die dem gekrönten Dichter beſonders nöthig ſchien — und<lb/>
dann zu vieljähriger Haft auf die Paſſauer Feſtung geführt. Ein Gnaden-<lb/>
geſuch ſchlug der König ab, gerade weil er dem Verurtheilten früher ſo viel<lb/>
Vertrauen erzeigt habe.<noteplace="foot"n="**)">Dönhoff’s Bericht, 25. Juni 1836.</note> Dieſelbe ſchimpfliche Strafe mußte der arglos<lb/>
geſchwätzige <hirendition="#aq">Dr.</hi> Eiſenmann erleiden; in ſeiner Wohnung wollte die Polizei<lb/>
einen Sammetmantel gefunden haben, den ſie für das Krönungskleid des<lb/>
künftigen Frankenherzogs hielt. Beiden Unglücklichen wurde im Kerker die<lb/>
Kraft des Leibes und der Seele gebrochen. Vergeblich bat der Landtag<lb/>
um Amneſtie für die politiſchen Verbrecher, und mit begreiflichem Ingrimm<lb/>
donnerte die Flüchtlingspreſſe wider das orientaliſche Strafverfahren des<lb/>
bairiſchen Sultans. Da Ludwig gar ſo hart verfuhr, ſo betrachtete man<lb/>ſelbſt Oken’s Entlaſſung, die allein in der Unverträglichkeit des Natur-<lb/>
forſchers ihren Grund hatte, als eine politiſche Gewaltthat. Eine Ode von<lb/>
Schultheiß ſagte: der Dichterfürſt</p><lb/><lgtype="poem"><l>Trieb aber lichtſcheu bald den Lichtheld</l><lb/><l>Achtlos hinweg aus der finſtern Mönchsſtadt.</l></lg><lb/></div></div></body></text></TEI>
[613/0627]
Die Abbitten vor König Ludwig’s Bilde.
für das Bilderwerk „Das maleriſche und romantiſche Deutſchland“ den
Band über die Oſtſee, ein unſchuldiges Reiſegeplauder, das zumeiſt von Land-
ſchaften, Mondſchein und lieblichen Mädchen handelte. Wer den Durch-
ſchnitt unſerer Demagogen, der wirklichen wie der vermeintlichen, furchtlos
betrachtete, der mußte einſehen, daß die Thatkraft des germaniſchen Cha-
rakters in den Geheimbünden nicht zu Tage trat, und eine Revolution
von unten den Bundestag ſchwerlich überwältigen konnte.
Weit härter als in Preußen wüthete diesmal die Verfolgung in Baiern,
denn König Ludwig glaubte von den Liberalen, die ihn einſt vergöttert
hatten, verrathen zu ſein. Jetzt kannte er keine Schonung mehr; er ließ
ſogar Wirth’s Frau verfolgen, weil ſie die Vertheidigungsrede ihres Gatten
verbreitet hatte, gab den Richtern durch Handſchreiben Anweiſungen wie
ſie urtheilen ſollten, und ward auch nicht milder geſtimmt, als der trau-
rige Kerkertod eines preußiſchen Studenten Kolligs ganz München mit
Schrecken erfüllte. *) Ein Sendſchreiben „Stimme aus dem Kerker an König
Ludwig“ von dem radicalen Journaliſten Coremans erbitterte den Mon-
archen tief; darin ſtand zu leſen, durch ſeine Gedichte habe ſich der könig-
liche Poet „ſelbſt zum erſten Opponenten im Lande erklärt“. Unter den
142 bairiſchen Demagogen, die im Jahre 1834 ihres Urtheils harrten,
war auch der Würzburger Altbürgermeiſter Behr, vor Zeiten Ludwig’s Ver-
trauter. Der hatte in einer wortreichen „Dringenden Erinnerung“ den
Landtag von 1831 aufgefordert, die Reviſion der Verfaſſung und die Ver-
eidigung des Heeres zu beantragen; die Schrift enthielt viel Thorheit, aber
kein ſtrafbares Wort. Gleichwohl wurde der zweiundſechzigjährige Mann
verurtheilt, vor dem Bilde des Königs knieend Abbitte zu leiſten — eine em-
pörende Strafe, die dem gekrönten Dichter beſonders nöthig ſchien — und
dann zu vieljähriger Haft auf die Paſſauer Feſtung geführt. Ein Gnaden-
geſuch ſchlug der König ab, gerade weil er dem Verurtheilten früher ſo viel
Vertrauen erzeigt habe. **) Dieſelbe ſchimpfliche Strafe mußte der arglos
geſchwätzige Dr. Eiſenmann erleiden; in ſeiner Wohnung wollte die Polizei
einen Sammetmantel gefunden haben, den ſie für das Krönungskleid des
künftigen Frankenherzogs hielt. Beiden Unglücklichen wurde im Kerker die
Kraft des Leibes und der Seele gebrochen. Vergeblich bat der Landtag
um Amneſtie für die politiſchen Verbrecher, und mit begreiflichem Ingrimm
donnerte die Flüchtlingspreſſe wider das orientaliſche Strafverfahren des
bairiſchen Sultans. Da Ludwig gar ſo hart verfuhr, ſo betrachtete man
ſelbſt Oken’s Entlaſſung, die allein in der Unverträglichkeit des Natur-
forſchers ihren Grund hatte, als eine politiſche Gewaltthat. Eine Ode von
Schultheiß ſagte: der Dichterfürſt
Trieb aber lichtſcheu bald den Lichtheld
Achtlos hinweg aus der finſtern Mönchsſtadt.
*) Dönhoff’s Bericht, 17. Dec. 1837.
**) Dönhoff’s Bericht, 25. Juni 1836.
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Treitschke, Heinrich von: Deutsche Geschichte im neunzehnten Jahrhundert. Bd. 4: Bis zum Tode König Friedrich Wilhelms III. Leipzig, 1889, S. 613. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/treitschke_geschichte04_1889/627>, abgerufen am 27.11.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.