Hellenen fast gleichkam; die brütende Wildheit des Volkes der Autos da Fe und der Stiergefechte entlud sich noch einmal. Die tausende liberaler Flüchtlinge, welche König Ferdinand einst in die Fremde getrieben, fochten jetzt heimgekehrt, Mina voran, unter den Fahnen der Cristinos und kühlten den alten Haß im Blute der Carlisten. Die Klöster versilberten ihre unermeßlichen Schätze zum Besten des katholischen Königs, bis der Tauschwerth der Edelsteine auf dem Amsterdamer Diamantenmarkte durch das übermäßige Angebot gedrückt wurde. Hüben und drüben maßlose Wuth und die ganze Kunst romanischer Verlogenheit: wenn man den Kriegsbe- richten der Cristinos Glauben schenkte, so waren in vier Jahren schon mehr Carlisten getödet worden, als das gesammte Baskenland an Ein- wohnern besaß.
Da die stille Zeit sonst an aufregenden Ereignissen nichts bot, so warf sich der verhaltene Parteihaß der Nachbarvölker auf diese scheußlichen Kämpfe, die dem Leben Mitteleuropas doch ganz fern lagen. Mit Eifer verschlang man die Märchennachrichten aus den Pyrenäen, jeder Liberale mußte sich für die Cristinos erklären. Als endlich, nach beschämenden Niederlagen, der glückliche Espartero die Truppen der Königin zum Siege führte, da wurde dieser zweifelhafte Held von den gesammten Liberalen Europas so überschwänglich gepriesen, wie einst Bolivar oder Riego; zu- mal in Deutschland schlug die fremdbrüderliche Begeisterung wieder hohe Wellen. Mancher liberale kursächsische Lehrer quälte seine armen Buben, die von Dennewitz und der Katzbach kein Wort erfuhren, mit den unaus- sprechlichen Namen aller der Schlachtfelder, auf denen der unvergleichliche Herzog von Victoria gesiegt haben sollte.
Aber auch Don Carlos fand warme Verehrer, an den Höfen, unter dem Adel, überall wo die weitverzweigte internationale Legitimisten-Partei ihre Genossen hatte. Moritz v. Haber, ein Sohn des einflußreichen jüdi- schen Hofbankiers in Karlsruhe, diente ihm als Geschäftsreisender. Aus allen Ländern eilten ihm Freiwillige zu, darunter manche, die sich dereinst noch einen Namen machen sollten. Aus Frankreich kam Bazaine, aus Oester- reich der abenteuernde Prinz Schwarzenberg, der sich selbst "den Landsknecht" nannte, aus Deutschland der Militärschriftsteller v. Rahden. Auch den feu- rigen jungen August v. Göben litt es nicht länger in der friedlichen Garnison zu Neu-Ruppin; Thatendurst, royalistische Begeisterung und ein leidenschaft- licher Haß gegen England trieben ihn hinaus in das Heer der Carlisten, wo er, vom Unglück ebenso beharrlich verfolgt wie späterhin vom Glücke, unter namenlosen Kämpfen und Leiden schon die Heldengröße des künftigen Feld- herrn bewährte. Am meisten Aufsehen erregte der schöne, übermüthige Wildfang Fürst Felix Lichnowsky. Der hatte unter den Berliner Damen, nebenbei auch unter den Juwelieren und Pfandleihern so ungewöhnliche Ver- heerungen angerichtet, daß er sich in der Armee nicht mehr halten konnte. Umsonst versuchte Prinz Wilhelm ihm eine Stelle in der preußischen
IV. 8. Stille Jahre.
Hellenen faſt gleichkam; die brütende Wildheit des Volkes der Autos da Fe und der Stiergefechte entlud ſich noch einmal. Die tauſende liberaler Flüchtlinge, welche König Ferdinand einſt in die Fremde getrieben, fochten jetzt heimgekehrt, Mina voran, unter den Fahnen der Criſtinos und kühlten den alten Haß im Blute der Carliſten. Die Klöſter verſilberten ihre unermeßlichen Schätze zum Beſten des katholiſchen Königs, bis der Tauſchwerth der Edelſteine auf dem Amſterdamer Diamantenmarkte durch das übermäßige Angebot gedrückt wurde. Hüben und drüben maßloſe Wuth und die ganze Kunſt romaniſcher Verlogenheit: wenn man den Kriegsbe- richten der Criſtinos Glauben ſchenkte, ſo waren in vier Jahren ſchon mehr Carliſten getödet worden, als das geſammte Baskenland an Ein- wohnern beſaß.
Da die ſtille Zeit ſonſt an aufregenden Ereigniſſen nichts bot, ſo warf ſich der verhaltene Parteihaß der Nachbarvölker auf dieſe ſcheußlichen Kämpfe, die dem Leben Mitteleuropas doch ganz fern lagen. Mit Eifer verſchlang man die Märchennachrichten aus den Pyrenäen, jeder Liberale mußte ſich für die Criſtinos erklären. Als endlich, nach beſchämenden Niederlagen, der glückliche Espartero die Truppen der Königin zum Siege führte, da wurde dieſer zweifelhafte Held von den geſammten Liberalen Europas ſo überſchwänglich geprieſen, wie einſt Bolivar oder Riego; zu- mal in Deutſchland ſchlug die fremdbrüderliche Begeiſterung wieder hohe Wellen. Mancher liberale kurſächſiſche Lehrer quälte ſeine armen Buben, die von Dennewitz und der Katzbach kein Wort erfuhren, mit den unaus- ſprechlichen Namen aller der Schlachtfelder, auf denen der unvergleichliche Herzog von Victoria geſiegt haben ſollte.
Aber auch Don Carlos fand warme Verehrer, an den Höfen, unter dem Adel, überall wo die weitverzweigte internationale Legitimiſten-Partei ihre Genoſſen hatte. Moritz v. Haber, ein Sohn des einflußreichen jüdi- ſchen Hofbankiers in Karlsruhe, diente ihm als Geſchäftsreiſender. Aus allen Ländern eilten ihm Freiwillige zu, darunter manche, die ſich dereinſt noch einen Namen machen ſollten. Aus Frankreich kam Bazaine, aus Oeſter- reich der abenteuernde Prinz Schwarzenberg, der ſich ſelbſt „den Landsknecht“ nannte, aus Deutſchland der Militärſchriftſteller v. Rahden. Auch den feu- rigen jungen Auguſt v. Göben litt es nicht länger in der friedlichen Garniſon zu Neu-Ruppin; Thatendurſt, royaliſtiſche Begeiſterung und ein leidenſchaft- licher Haß gegen England trieben ihn hinaus in das Heer der Carliſten, wo er, vom Unglück ebenſo beharrlich verfolgt wie ſpäterhin vom Glücke, unter namenloſen Kämpfen und Leiden ſchon die Heldengröße des künftigen Feld- herrn bewährte. Am meiſten Aufſehen erregte der ſchöne, übermüthige Wildfang Fürſt Felix Lichnowsky. Der hatte unter den Berliner Damen, nebenbei auch unter den Juwelieren und Pfandleihern ſo ungewöhnliche Ver- heerungen angerichtet, daß er ſich in der Armee nicht mehr halten konnte. Umſonſt verſuchte Prinz Wilhelm ihm eine Stelle in der preußiſchen
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[504/0518]
IV. 8. Stille Jahre.
Hellenen faſt gleichkam; die brütende Wildheit des Volkes der Autos da Fe
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Flüchtlinge, welche König Ferdinand einſt in die Fremde getrieben, fochten
jetzt heimgekehrt, Mina voran, unter den Fahnen der Criſtinos und
kühlten den alten Haß im Blute der Carliſten. Die Klöſter verſilberten
ihre unermeßlichen Schätze zum Beſten des katholiſchen Königs, bis der
Tauſchwerth der Edelſteine auf dem Amſterdamer Diamantenmarkte durch
das übermäßige Angebot gedrückt wurde. Hüben und drüben maßloſe Wuth
und die ganze Kunſt romaniſcher Verlogenheit: wenn man den Kriegsbe-
richten der Criſtinos Glauben ſchenkte, ſo waren in vier Jahren ſchon
mehr Carliſten getödet worden, als das geſammte Baskenland an Ein-
wohnern beſaß.
Da die ſtille Zeit ſonſt an aufregenden Ereigniſſen nichts bot, ſo
warf ſich der verhaltene Parteihaß der Nachbarvölker auf dieſe ſcheußlichen
Kämpfe, die dem Leben Mitteleuropas doch ganz fern lagen. Mit Eifer
verſchlang man die Märchennachrichten aus den Pyrenäen, jeder Liberale
mußte ſich für die Criſtinos erklären. Als endlich, nach beſchämenden
Niederlagen, der glückliche Espartero die Truppen der Königin zum Siege
führte, da wurde dieſer zweifelhafte Held von den geſammten Liberalen
Europas ſo überſchwänglich geprieſen, wie einſt Bolivar oder Riego; zu-
mal in Deutſchland ſchlug die fremdbrüderliche Begeiſterung wieder hohe
Wellen. Mancher liberale kurſächſiſche Lehrer quälte ſeine armen Buben,
die von Dennewitz und der Katzbach kein Wort erfuhren, mit den unaus-
ſprechlichen Namen aller der Schlachtfelder, auf denen der unvergleichliche
Herzog von Victoria geſiegt haben ſollte.
Aber auch Don Carlos fand warme Verehrer, an den Höfen, unter
dem Adel, überall wo die weitverzweigte internationale Legitimiſten-Partei
ihre Genoſſen hatte. Moritz v. Haber, ein Sohn des einflußreichen jüdi-
ſchen Hofbankiers in Karlsruhe, diente ihm als Geſchäftsreiſender. Aus
allen Ländern eilten ihm Freiwillige zu, darunter manche, die ſich dereinſt
noch einen Namen machen ſollten. Aus Frankreich kam Bazaine, aus Oeſter-
reich der abenteuernde Prinz Schwarzenberg, der ſich ſelbſt „den Landsknecht“
nannte, aus Deutſchland der Militärſchriftſteller v. Rahden. Auch den feu-
rigen jungen Auguſt v. Göben litt es nicht länger in der friedlichen Garniſon
zu Neu-Ruppin; Thatendurſt, royaliſtiſche Begeiſterung und ein leidenſchaft-
licher Haß gegen England trieben ihn hinaus in das Heer der Carliſten, wo
er, vom Unglück ebenſo beharrlich verfolgt wie ſpäterhin vom Glücke, unter
namenloſen Kämpfen und Leiden ſchon die Heldengröße des künftigen Feld-
herrn bewährte. Am meiſten Aufſehen erregte der ſchöne, übermüthige
Wildfang Fürſt Felix Lichnowsky. Der hatte unter den Berliner Damen,
nebenbei auch unter den Juwelieren und Pfandleihern ſo ungewöhnliche Ver-
heerungen angerichtet, daß er ſich in der Armee nicht mehr halten konnte.
Umſonſt verſuchte Prinz Wilhelm ihm eine Stelle in der preußiſchen
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Treitschke, Heinrich von: Deutsche Geschichte im neunzehnten Jahrhundert. Bd. 4: Bis zum Tode König Friedrich Wilhelms III. Leipzig, 1889, S. 504. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/treitschke_geschichte04_1889/518>, abgerufen am 24.11.2024.
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