Treitschke, Heinrich von: Deutsche Geschichte im neunzehnten Jahrhundert. Bd. 4: Bis zum Tode König Friedrich Wilhelms III. Leipzig, 1889.Börne, Heine und die Schwaben. folgung; und doch hatte er lediglich seine Pflicht als Kritiker gethan undnur mit den ehrlichen Waffen literarischer Polemik gefochten. Die Maß- regeln des Bundestags billigte er keineswegs; auch seine derbe Sprache war anständiger als die hämischen Verdächtigungen, mit denen die Ge- nossen des Jungen Deutschlands ihre Gegner zu besudeln pflegten. Den- noch blieb er fortan fünf Jahre lang die Zielscheibe für den Haß der radi- calen Literatur. Börne verdrehte ihm das Wort im Munde und schrieb das Büchlein "Menzel der Franzosenfresser", obgleich Menzel die Fran- zosen durchaus nicht angegriffen, sondern vielmehr dem vaterlandslosen Deutsch-Juden den verdienten Vorwurf zugeschleudert hatte: niemals würde ein Franzose so tief sinken, sein eigenes Volk vor Fremden in fremder Sprache zu beschimpfen. Die Schrift war Börne's Schwanengesang und wurde einige Jahre hindurch selbst in den Schulen als ein Meisterwerk gepriesen; sie bewies indeß nur, daß der Radicalismus dieses Mannes schlechterdings keinen anderen Inhalt hatte als die öde Verneinung und die Wuth gegen alle Andersdenkenden. "Ist das ein braver Mann -- hieß es da -- der seine Gesinnung gegen ein österreichisch Lächeln, eine preußische Schmeichelei, ein bairisches Achselklopfen und ein jesuitisches Lob verkauft?" Und wieder: "Darum ist ein Feind Gottes, der Menschheit, des Rechtes, der Freiheit und der Liebe wer Frankreich haßt oder es lästert aus schnöder Gewinnsucht." Daß ein Deutscher auch noch andere Gründe haben konnte das begehrliche Kriegsgeschrei der Pariser scharf zurückzuweisen, kam dem Fanatiker gar nicht in den Sinn. Auch ein Schmerzensschrei um das freie, jetzt von den Bundestruppen geknechtete Frankfurt fehlte nicht: die Frank- furter sind Juden neben den christlichen Oesterreichern und Preußen, sie müssen vor ihnen Mores machen! Noch unredlicher verfuhr Heine. Er hatte einst mit Menzel und Jarcke Börne, Heine und die Schwaben. folgung; und doch hatte er lediglich ſeine Pflicht als Kritiker gethan undnur mit den ehrlichen Waffen literariſcher Polemik gefochten. Die Maß- regeln des Bundestags billigte er keineswegs; auch ſeine derbe Sprache war anſtändiger als die hämiſchen Verdächtigungen, mit denen die Ge- noſſen des Jungen Deutſchlands ihre Gegner zu beſudeln pflegten. Den- noch blieb er fortan fünf Jahre lang die Zielſcheibe für den Haß der radi- calen Literatur. Börne verdrehte ihm das Wort im Munde und ſchrieb das Büchlein „Menzel der Franzoſenfreſſer“, obgleich Menzel die Fran- zoſen durchaus nicht angegriffen, ſondern vielmehr dem vaterlandsloſen Deutſch-Juden den verdienten Vorwurf zugeſchleudert hatte: niemals würde ein Franzoſe ſo tief ſinken, ſein eigenes Volk vor Fremden in fremder Sprache zu beſchimpfen. Die Schrift war Börne’s Schwanengeſang und wurde einige Jahre hindurch ſelbſt in den Schulen als ein Meiſterwerk geprieſen; ſie bewies indeß nur, daß der Radicalismus dieſes Mannes ſchlechterdings keinen anderen Inhalt hatte als die öde Verneinung und die Wuth gegen alle Andersdenkenden. „Iſt das ein braver Mann — hieß es da — der ſeine Geſinnung gegen ein öſterreichiſch Lächeln, eine preußiſche Schmeichelei, ein bairiſches Achſelklopfen und ein jeſuitiſches Lob verkauft?“ Und wieder: „Darum iſt ein Feind Gottes, der Menſchheit, des Rechtes, der Freiheit und der Liebe wer Frankreich haßt oder es läſtert aus ſchnöder Gewinnſucht.“ Daß ein Deutſcher auch noch andere Gründe haben konnte das begehrliche Kriegsgeſchrei der Pariſer ſcharf zurückzuweiſen, kam dem Fanatiker gar nicht in den Sinn. Auch ein Schmerzensſchrei um das freie, jetzt von den Bundestruppen geknechtete Frankfurt fehlte nicht: die Frank- furter ſind Juden neben den chriſtlichen Oeſterreichern und Preußen, ſie müſſen vor ihnen Mores machen! Noch unredlicher verfuhr Heine. Er hatte einſt mit Menzel und Jarcke <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <p><pb facs="#f0455" n="441"/><fw place="top" type="header">Börne, Heine und die Schwaben.</fw><lb/> folgung; und doch hatte er lediglich ſeine Pflicht als Kritiker gethan und<lb/> nur mit den ehrlichen Waffen literariſcher Polemik gefochten. Die Maß-<lb/> regeln des Bundestags billigte er keineswegs; auch ſeine derbe Sprache<lb/> war anſtändiger als die hämiſchen Verdächtigungen, mit denen die Ge-<lb/> noſſen des Jungen Deutſchlands ihre Gegner zu beſudeln pflegten. Den-<lb/> noch blieb er fortan fünf Jahre lang die Zielſcheibe für den Haß der radi-<lb/> calen Literatur. 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Börne, Heine und die Schwaben.
folgung; und doch hatte er lediglich ſeine Pflicht als Kritiker gethan und
nur mit den ehrlichen Waffen literariſcher Polemik gefochten. Die Maß-
regeln des Bundestags billigte er keineswegs; auch ſeine derbe Sprache
war anſtändiger als die hämiſchen Verdächtigungen, mit denen die Ge-
noſſen des Jungen Deutſchlands ihre Gegner zu beſudeln pflegten. Den-
noch blieb er fortan fünf Jahre lang die Zielſcheibe für den Haß der radi-
calen Literatur. Börne verdrehte ihm das Wort im Munde und ſchrieb
das Büchlein „Menzel der Franzoſenfreſſer“, obgleich Menzel die Fran-
zoſen durchaus nicht angegriffen, ſondern vielmehr dem vaterlandsloſen
Deutſch-Juden den verdienten Vorwurf zugeſchleudert hatte: niemals würde
ein Franzoſe ſo tief ſinken, ſein eigenes Volk vor Fremden in fremder
Sprache zu beſchimpfen. Die Schrift war Börne’s Schwanengeſang und
wurde einige Jahre hindurch ſelbſt in den Schulen als ein Meiſterwerk
geprieſen; ſie bewies indeß nur, daß der Radicalismus dieſes Mannes
ſchlechterdings keinen anderen Inhalt hatte als die öde Verneinung und
die Wuth gegen alle Andersdenkenden. „Iſt das ein braver Mann — hieß
es da — der ſeine Geſinnung gegen ein öſterreichiſch Lächeln, eine preußiſche
Schmeichelei, ein bairiſches Achſelklopfen und ein jeſuitiſches Lob verkauft?“
Und wieder: „Darum iſt ein Feind Gottes, der Menſchheit, des Rechtes,
der Freiheit und der Liebe wer Frankreich haßt oder es läſtert aus ſchnöder
Gewinnſucht.“ Daß ein Deutſcher auch noch andere Gründe haben konnte
das begehrliche Kriegsgeſchrei der Pariſer ſcharf zurückzuweiſen, kam dem
Fanatiker gar nicht in den Sinn. Auch ein Schmerzensſchrei um das freie,
jetzt von den Bundestruppen geknechtete Frankfurt fehlte nicht: die Frank-
furter ſind Juden neben den chriſtlichen Oeſterreichern und Preußen, ſie
müſſen vor ihnen Mores machen!
Noch unredlicher verfuhr Heine. Er hatte einſt mit Menzel und Jarcke
in der Bonner Burſchenſchaft zuſammengelebt und kannte ihre ſtreng kirch-
liche Geſinnung. Sein Scharfſinn konnte ſich nicht darüber täuſchen, daß
der gegenwärtige Kampf eine Nothwendigkeit war, daß die romantiſchen
und die radicalen Elemente, welche die alte Burſchenſchaft umſchloſſen hatte,
ſich jetzt trennen mußten. Er mußte wiſſen, daß Menzel durchaus ehrlich han-
delte; gleichwohl gab er ſeiner Entgegnung den lügneriſchen Titel: „wider
den Denuncianten.“ Weit vom Schuſſe wie er war, ließ er allen un-
fläthigen Neigungen ſeiner Falſtaffs-Natur die Zügel ſchießen und nannte
den Gegner einen Mouchard, einen Ehrloſen, einen Infamen, einen
Gauner, einen Schurken, eine Memme. Er erreichte ſeinen Zweck; denn
in ſolchen Tagen, die ſich überall durch den Druck der Polizei gequält
fühlten, wirkte kein Schimpf furchtbarer als die Beſchuldigung der Denun-
ciation. Heine’s empörende Verleumdung wurde alsbald von der geſammten
liberalen Preſſe aufgenommen und trotz ihrer handgreiflichen Unwahrheit
ſo hartnäckig wiederholt, daß ſie ſich noch heute in den meiſten Literatur-
geſchichten wiederfindet.
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