Karlsruhe senden; das würde den Argwohn der süddeutschen Kronen er- regen; der Karlsruher Hof thäte wohl sich zunächst mit Hofmann in Darmstadt, einer der kräftigsten Stützen des Vereins, vertraulich zu be- sprechen; alsdann können die eigentlichen Verhandlungen beginnen, aber nur in Berlin und nur durch hochgestellte Staatsmänner, nicht durch Subalterne.*) Dann ließ der König die sämmtlichen den Gesandtschaften in den Zollvereinsstaaten zugegangenen Instructionen dem Vertreter Badens vorlegen, und Frankenberg fand sie "alle in dem Geiste der Correctheit und Offenheit, welcher das preußische Cabinet charakterisirt, abgefaßt."
Endlich im Sommer 1834 kam Böckh nach Berlin. Die Confe- renzen währten den Juni und Juli hindurch, sie stießen aber auf so mannichfache Schwierigkeiten, daß noch bis zum Jahresschlusse zwischen den Cabinetten verhandelt werden mußte. Der Karlsruher Hof lebte in dem Wahne, der Zollverein werde um Badens willen eine bedeutende Herabsetzung seines Tarifes zugestehen; es währte lange, bis man von solcher Ueberhebung zurückkam. Dann wieder der Streit um die Neckar- zölle. Noch im December ließ der König den Großherzog dringend um einige Nachgiebigkeit bitten: "Preußen hat nur das alleinige aber höchst wichtige Interesse, ein reines Verhältniß zwischen den deutschen Regierungen hergestellt und allen Stoff zum Hader und Streit entfernt zu sehen." Schließlich mußte man doch diese Streitfrage aus den Verhandlungen aus- scheiden, die Lösung auf bessere Zeiten vertagen. Die größte Schwierig- keit lag in der schmalen langgestreckten Gestalt des badischen Landes. Führte man hier die Zollvereinsgesetze in voller Strenge ein, so wurde fast das gesammte Staatsgebiet zum Grenzbezirke. Baden verlangte daher, daß an der leicht zu bewachenden Rheingrenze der Grenzbezirk nur die Breite einer Wegstunde haben sollte; sonst würde der größte Theil des Landesverkehrs den lästigen Beschränkungen der Grenzcontrole unter- liegen. Sofort forderte Sachsen die gleiche Vergünstigung für seine erz- gebirgischen Grenzen. Erst am 12. Mai 1835 kam der Vertrag zu Stande. Baden erhielt einen schmalen Grenzbezirk, und in der zwölften Stunde hatte Eichhorn der widerstrebenden Finanzpartei noch ein letztes Zuge- ständniß entrungen: die badischen Tabaksbauer sollten eine Rückvergütung empfangen für die nach der Schweiz ausgeführten Tabaksblätter. Da die Nachversteuerung in Sachsen und Thüringen schlechte Ergebnisse ge- bracht hatte, so beschloß man diesmal die Kaufleute zu überraschen. Schon in der Nacht vom 17. zum 18. Mai wurden die neuen Zölle an den badischen Grenzämtern eingeführt, während das Volk von dem Berliner Vertrage noch kaum wußte; die Regierung versprach den Ersatz der Zah- lungen, falls der Landtag den Vertrag nicht billige.
Dieser entschlossene Schritt brachte nicht nur den Zollvereinskassen
*) Frankenberg's Bericht, 1. Jan. 1834.
IV. 6. Der Deutſche Zollverein.
Karlsruhe ſenden; das würde den Argwohn der ſüddeutſchen Kronen er- regen; der Karlsruher Hof thäte wohl ſich zunächſt mit Hofmann in Darmſtadt, einer der kräftigſten Stützen des Vereins, vertraulich zu be- ſprechen; alsdann können die eigentlichen Verhandlungen beginnen, aber nur in Berlin und nur durch hochgeſtellte Staatsmänner, nicht durch Subalterne.*) Dann ließ der König die ſämmtlichen den Geſandtſchaften in den Zollvereinsſtaaten zugegangenen Inſtructionen dem Vertreter Badens vorlegen, und Frankenberg fand ſie „alle in dem Geiſte der Correctheit und Offenheit, welcher das preußiſche Cabinet charakteriſirt, abgefaßt.“
Endlich im Sommer 1834 kam Böckh nach Berlin. Die Confe- renzen währten den Juni und Juli hindurch, ſie ſtießen aber auf ſo mannichfache Schwierigkeiten, daß noch bis zum Jahresſchluſſe zwiſchen den Cabinetten verhandelt werden mußte. Der Karlsruher Hof lebte in dem Wahne, der Zollverein werde um Badens willen eine bedeutende Herabſetzung ſeines Tarifes zugeſtehen; es währte lange, bis man von ſolcher Ueberhebung zurückkam. Dann wieder der Streit um die Neckar- zölle. Noch im December ließ der König den Großherzog dringend um einige Nachgiebigkeit bitten: „Preußen hat nur das alleinige aber höchſt wichtige Intereſſe, ein reines Verhältniß zwiſchen den deutſchen Regierungen hergeſtellt und allen Stoff zum Hader und Streit entfernt zu ſehen.“ Schließlich mußte man doch dieſe Streitfrage aus den Verhandlungen aus- ſcheiden, die Löſung auf beſſere Zeiten vertagen. Die größte Schwierig- keit lag in der ſchmalen langgeſtreckten Geſtalt des badiſchen Landes. Führte man hier die Zollvereinsgeſetze in voller Strenge ein, ſo wurde faſt das geſammte Staatsgebiet zum Grenzbezirke. Baden verlangte daher, daß an der leicht zu bewachenden Rheingrenze der Grenzbezirk nur die Breite einer Wegſtunde haben ſollte; ſonſt würde der größte Theil des Landesverkehrs den läſtigen Beſchränkungen der Grenzcontrole unter- liegen. Sofort forderte Sachſen die gleiche Vergünſtigung für ſeine erz- gebirgiſchen Grenzen. Erſt am 12. Mai 1835 kam der Vertrag zu Stande. Baden erhielt einen ſchmalen Grenzbezirk, und in der zwölften Stunde hatte Eichhorn der widerſtrebenden Finanzpartei noch ein letztes Zuge- ſtändniß entrungen: die badiſchen Tabaksbauer ſollten eine Rückvergütung empfangen für die nach der Schweiz ausgeführten Tabaksblätter. Da die Nachverſteuerung in Sachſen und Thüringen ſchlechte Ergebniſſe ge- bracht hatte, ſo beſchloß man diesmal die Kaufleute zu überraſchen. Schon in der Nacht vom 17. zum 18. Mai wurden die neuen Zölle an den badiſchen Grenzämtern eingeführt, während das Volk von dem Berliner Vertrage noch kaum wußte; die Regierung verſprach den Erſatz der Zah- lungen, falls der Landtag den Vertrag nicht billige.
Dieſer entſchloſſene Schritt brachte nicht nur den Zollvereinskaſſen
*) Frankenberg’s Bericht, 1. Jan. 1834.
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IV. 6. Der Deutſche Zollverein.
Karlsruhe ſenden; das würde den Argwohn der ſüddeutſchen Kronen er-
regen; der Karlsruher Hof thäte wohl ſich zunächſt mit Hofmann in
Darmſtadt, einer der kräftigſten Stützen des Vereins, vertraulich zu be-
ſprechen; alsdann können die eigentlichen Verhandlungen beginnen, aber
nur in Berlin und nur durch hochgeſtellte Staatsmänner, nicht durch
Subalterne. *) Dann ließ der König die ſämmtlichen den Geſandtſchaften in
den Zollvereinsſtaaten zugegangenen Inſtructionen dem Vertreter Badens
vorlegen, und Frankenberg fand ſie „alle in dem Geiſte der Correctheit
und Offenheit, welcher das preußiſche Cabinet charakteriſirt, abgefaßt.“
Endlich im Sommer 1834 kam Böckh nach Berlin. Die Confe-
renzen währten den Juni und Juli hindurch, ſie ſtießen aber auf ſo
mannichfache Schwierigkeiten, daß noch bis zum Jahresſchluſſe zwiſchen
den Cabinetten verhandelt werden mußte. Der Karlsruher Hof lebte in
dem Wahne, der Zollverein werde um Badens willen eine bedeutende
Herabſetzung ſeines Tarifes zugeſtehen; es währte lange, bis man von
ſolcher Ueberhebung zurückkam. Dann wieder der Streit um die Neckar-
zölle. Noch im December ließ der König den Großherzog dringend um
einige Nachgiebigkeit bitten: „Preußen hat nur das alleinige aber höchſt
wichtige Intereſſe, ein reines Verhältniß zwiſchen den deutſchen Regierungen
hergeſtellt und allen Stoff zum Hader und Streit entfernt zu ſehen.“
Schließlich mußte man doch dieſe Streitfrage aus den Verhandlungen aus-
ſcheiden, die Löſung auf beſſere Zeiten vertagen. Die größte Schwierig-
keit lag in der ſchmalen langgeſtreckten Geſtalt des badiſchen Landes.
Führte man hier die Zollvereinsgeſetze in voller Strenge ein, ſo wurde
faſt das geſammte Staatsgebiet zum Grenzbezirke. Baden verlangte daher,
daß an der leicht zu bewachenden Rheingrenze der Grenzbezirk nur die
Breite einer Wegſtunde haben ſollte; ſonſt würde der größte Theil des
Landesverkehrs den läſtigen Beſchränkungen der Grenzcontrole unter-
liegen. Sofort forderte Sachſen die gleiche Vergünſtigung für ſeine erz-
gebirgiſchen Grenzen. Erſt am 12. Mai 1835 kam der Vertrag zu Stande.
Baden erhielt einen ſchmalen Grenzbezirk, und in der zwölften Stunde
hatte Eichhorn der widerſtrebenden Finanzpartei noch ein letztes Zuge-
ſtändniß entrungen: die badiſchen Tabaksbauer ſollten eine Rückvergütung
empfangen für die nach der Schweiz ausgeführten Tabaksblätter. Da
die Nachverſteuerung in Sachſen und Thüringen ſchlechte Ergebniſſe ge-
bracht hatte, ſo beſchloß man diesmal die Kaufleute zu überraſchen. Schon
in der Nacht vom 17. zum 18. Mai wurden die neuen Zölle an den
badiſchen Grenzämtern eingeführt, während das Volk von dem Berliner
Vertrage noch kaum wußte; die Regierung verſprach den Erſatz der Zah-
lungen, falls der Landtag den Vertrag nicht billige.
Dieſer entſchloſſene Schritt brachte nicht nur den Zollvereinskaſſen
*) Frankenberg’s Bericht, 1. Jan. 1834.
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Treitschke, Heinrich von: Deutsche Geschichte im neunzehnten Jahrhundert. Bd. 4: Bis zum Tode König Friedrich Wilhelms III. Leipzig, 1889, S. 396. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/treitschke_geschichte04_1889/410>, abgerufen am 24.11.2024.
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