menden Willen aller betheiligten Souveräne.*) So ängstlich vermied der Berliner Hof jeden Schein der Hegemonie; der Handelsbund war noch im Werden und Wachsen, man wollte den Widerstand Oesterreichs und des Auslandes nicht noch mehr herausfordern.
Auch England suchte durch Handelsverträge mit den Kleinstaaten das nationale Werk zu stören. Der Gesandte in Berlin, Lord Minto, haßte die beiden großen Bundesmächte mit dem Ingrimm des Radicalen, und wie er den Beschlüssen des Bundestags laut und rücksichtslos entgegentrat, so hielt er auch für Pflicht, die Kleinstaaten vor dem preußischen Joche zu bewahren. Im Parlamente redete schamlos jene britische Handelsmoral, welche mit der Bibel in der rechten, der Opiumpfeife in der linken Hand die Güter der Gesittung über den Erdball verbreitet. "Ihr habt nicht das Recht -- rief man dort den preußischen Staatsmännern zu -- mit anderen deutschen Staaten Verträge zu schließen, die dem englischen Handel zum Nachtheil gereichen!" Indeß war England mit seinem hohen Zoll- tarife ebenso wenig wie Frankreich im Stande, den Deutschen lockende Vortheile zu bieten, und seit der für die britischen Kaufleute so vortheil- haften Rheinschifffahrtsacte begann seine Theilnahme an unserem handels- politischen Streite langsam zu erkalten. Der Gewandtheit des Gesandten Bülow wäre es vielleicht gelungen, die Besorgnisse der britischen Staats- männer etwas zu beschwichtigen, wenn nicht der Preußenhaß der welfischen Staatsmänner in Hannover den Handelsneid Englands von Neuem auf- gestachelt hätte.
In welchem Lichte der preußische Handelsbund der österreichischen Partei des Bundestags erschien, das erhellt aus einigen Briefen Blitters- dorff's. Im März 1833, als die Wage noch schwankte, schrieb er höh- nisch: "es wird sich doch zeigen, ob man die preußischen Finanzen dem politischen Systeme des Herrn Eichhorn opfern wird." Nach der Ent- scheidung bereiste er Mitteldeutschland, sprach mit vielen sächsischen und thüringischen Staatsmännern und berichtete traurig: "Die Zollvereinigung giebt dem Bundessysteme gleichsam den Gnadenstoß." Den gegenseitigen Schutz, welchen die kleinen Staaten bisher durch den Bund empfingen, erhalten sie jetzt durch den Zollverein; auch in anderen politischen Fragen werden sie sich auf Preußen stützen müssen. Alle mitteldeutschen Staats- männer, die ich sprach, gestanden: "Wir konnten nicht anders. Oester- reich hat sich uns versagt. Preußen war ebenso willfährig als beharrlich, hat durch das Zugeständniß des gleichen Stimmrechts alle Bedenken ent- waffnet." Nun bleibt nur übrig, fährt er schmerzlich fort, daß Oesterreich auch in den Zollverein träte. Doch das wird wohl unmöglich sein; denn in dieser Sache kann der wohlgesinnte Ancillon nichts ausrichten gegen
*) Bussieres an du Thil, 21. Jan. Eichhorn, Weisung an die Gesandtschaft in Darmstadt, 7. Febr. 1834.
Beſorgniſſe des Auslandes.
menden Willen aller betheiligten Souveräne.*) So ängſtlich vermied der Berliner Hof jeden Schein der Hegemonie; der Handelsbund war noch im Werden und Wachſen, man wollte den Widerſtand Oeſterreichs und des Auslandes nicht noch mehr herausfordern.
Auch England ſuchte durch Handelsverträge mit den Kleinſtaaten das nationale Werk zu ſtören. Der Geſandte in Berlin, Lord Minto, haßte die beiden großen Bundesmächte mit dem Ingrimm des Radicalen, und wie er den Beſchlüſſen des Bundestags laut und rückſichtslos entgegentrat, ſo hielt er auch für Pflicht, die Kleinſtaaten vor dem preußiſchen Joche zu bewahren. Im Parlamente redete ſchamlos jene britiſche Handelsmoral, welche mit der Bibel in der rechten, der Opiumpfeife in der linken Hand die Güter der Geſittung über den Erdball verbreitet. „Ihr habt nicht das Recht — rief man dort den preußiſchen Staatsmännern zu — mit anderen deutſchen Staaten Verträge zu ſchließen, die dem engliſchen Handel zum Nachtheil gereichen!“ Indeß war England mit ſeinem hohen Zoll- tarife ebenſo wenig wie Frankreich im Stande, den Deutſchen lockende Vortheile zu bieten, und ſeit der für die britiſchen Kaufleute ſo vortheil- haften Rheinſchifffahrtsacte begann ſeine Theilnahme an unſerem handels- politiſchen Streite langſam zu erkalten. Der Gewandtheit des Geſandten Bülow wäre es vielleicht gelungen, die Beſorgniſſe der britiſchen Staats- männer etwas zu beſchwichtigen, wenn nicht der Preußenhaß der welfiſchen Staatsmänner in Hannover den Handelsneid Englands von Neuem auf- geſtachelt hätte.
In welchem Lichte der preußiſche Handelsbund der öſterreichiſchen Partei des Bundestags erſchien, das erhellt aus einigen Briefen Blitters- dorff’s. Im März 1833, als die Wage noch ſchwankte, ſchrieb er höh- niſch: „es wird ſich doch zeigen, ob man die preußiſchen Finanzen dem politiſchen Syſteme des Herrn Eichhorn opfern wird.“ Nach der Ent- ſcheidung bereiſte er Mitteldeutſchland, ſprach mit vielen ſächſiſchen und thüringiſchen Staatsmännern und berichtete traurig: „Die Zollvereinigung giebt dem Bundesſyſteme gleichſam den Gnadenſtoß.“ Den gegenſeitigen Schutz, welchen die kleinen Staaten bisher durch den Bund empfingen, erhalten ſie jetzt durch den Zollverein; auch in anderen politiſchen Fragen werden ſie ſich auf Preußen ſtützen müſſen. Alle mitteldeutſchen Staats- männer, die ich ſprach, geſtanden: „Wir konnten nicht anders. Oeſter- reich hat ſich uns verſagt. Preußen war ebenſo willfährig als beharrlich, hat durch das Zugeſtändniß des gleichen Stimmrechts alle Bedenken ent- waffnet.“ Nun bleibt nur übrig, fährt er ſchmerzlich fort, daß Oeſterreich auch in den Zollverein träte. Doch das wird wohl unmöglich ſein; denn in dieſer Sache kann der wohlgeſinnte Ancillon nichts ausrichten gegen
*) Buſſieres an du Thil, 21. Jan. Eichhorn, Weiſung an die Geſandtſchaft in Darmſtadt, 7. Febr. 1834.
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menden Willen aller betheiligten Souveräne. *) So ängſtlich vermied der
Berliner Hof jeden Schein der Hegemonie; der Handelsbund war noch
im Werden und Wachſen, man wollte den Widerſtand Oeſterreichs und
des Auslandes nicht noch mehr herausfordern.
Auch England ſuchte durch Handelsverträge mit den Kleinſtaaten das
nationale Werk zu ſtören. Der Geſandte in Berlin, Lord Minto, haßte
die beiden großen Bundesmächte mit dem Ingrimm des Radicalen, und
wie er den Beſchlüſſen des Bundestags laut und rückſichtslos entgegentrat,
ſo hielt er auch für Pflicht, die Kleinſtaaten vor dem preußiſchen Joche
zu bewahren. Im Parlamente redete ſchamlos jene britiſche Handelsmoral,
welche mit der Bibel in der rechten, der Opiumpfeife in der linken Hand
die Güter der Geſittung über den Erdball verbreitet. „Ihr habt nicht
das Recht — rief man dort den preußiſchen Staatsmännern zu — mit
anderen deutſchen Staaten Verträge zu ſchließen, die dem engliſchen Handel
zum Nachtheil gereichen!“ Indeß war England mit ſeinem hohen Zoll-
tarife ebenſo wenig wie Frankreich im Stande, den Deutſchen lockende
Vortheile zu bieten, und ſeit der für die britiſchen Kaufleute ſo vortheil-
haften Rheinſchifffahrtsacte begann ſeine Theilnahme an unſerem handels-
politiſchen Streite langſam zu erkalten. Der Gewandtheit des Geſandten
Bülow wäre es vielleicht gelungen, die Beſorgniſſe der britiſchen Staats-
männer etwas zu beſchwichtigen, wenn nicht der Preußenhaß der welfiſchen
Staatsmänner in Hannover den Handelsneid Englands von Neuem auf-
geſtachelt hätte.
In welchem Lichte der preußiſche Handelsbund der öſterreichiſchen
Partei des Bundestags erſchien, das erhellt aus einigen Briefen Blitters-
dorff’s. Im März 1833, als die Wage noch ſchwankte, ſchrieb er höh-
niſch: „es wird ſich doch zeigen, ob man die preußiſchen Finanzen dem
politiſchen Syſteme des Herrn Eichhorn opfern wird.“ Nach der Ent-
ſcheidung bereiſte er Mitteldeutſchland, ſprach mit vielen ſächſiſchen und
thüringiſchen Staatsmännern und berichtete traurig: „Die Zollvereinigung
giebt dem Bundesſyſteme gleichſam den Gnadenſtoß.“ Den gegenſeitigen
Schutz, welchen die kleinen Staaten bisher durch den Bund empfingen,
erhalten ſie jetzt durch den Zollverein; auch in anderen politiſchen Fragen
werden ſie ſich auf Preußen ſtützen müſſen. Alle mitteldeutſchen Staats-
männer, die ich ſprach, geſtanden: „Wir konnten nicht anders. Oeſter-
reich hat ſich uns verſagt. Preußen war ebenſo willfährig als beharrlich,
hat durch das Zugeſtändniß des gleichen Stimmrechts alle Bedenken ent-
waffnet.“ Nun bleibt nur übrig, fährt er ſchmerzlich fort, daß Oeſterreich
auch in den Zollverein träte. Doch das wird wohl unmöglich ſein; denn
in dieſer Sache kann der wohlgeſinnte Ancillon nichts ausrichten gegen
*) Buſſieres an du Thil, 21. Jan. Eichhorn, Weiſung an die Geſandtſchaft in
Darmſtadt, 7. Febr. 1834.
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Treitschke, Heinrich von: Deutsche Geschichte im neunzehnten Jahrhundert. Bd. 4: Bis zum Tode König Friedrich Wilhelms III. Leipzig, 1889, S. 381. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/treitschke_geschichte04_1889/395>, abgerufen am 24.11.2024.
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