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Treitschke, Heinrich von: Deutsche Geschichte im neunzehnten Jahrhundert. Bd. 4: Bis zum Tode König Friedrich Wilhelms III. Leipzig, 1889.

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Beschlüsse über Censur und Universitäten.
mildes Urtheil über einige Demagogen gefällt hatte.*) Manche andere
Wünsche der reaktionären Heißsporne mußten unberücksichtigt bleiben; wie
hätte man auch einen einhelligen Beschluß über die Beschränkung der
Schwurgerichte oder ähnliche Vorschläge durchsetzen können.

Auch die Mediatisirten, die in Süddeutschland, zumal in Baden und
Württemberg, guten Grund zur Klage hatten, klopften vergeblich an die
Thüre der Conferenz. Sie verlangten in einer Eingabe (1. Febr. 1834)
die ihnen früher versprochenen Curiatstimmen am Bundestage, ferner
eine authentische Interpretation des Art. 14 der Bundesakte, endlich ein
selbständiges Tribunal, das ihnen die dort verheißenen Rechte sichern sollte.
Preußen hatte diesen mediatisirten Herren immer jene Großmuth, welche
dem Starken ziemt, erwiesen. Der Kronprinz war ihr treuer Gönner.
Er hielt für Ehrenpflicht aller früheren Reichsstände, "den als Opfer der
Gewalt und Habsucht gefallenen ehemaligen Mitständen" freundlich ent-
gegenzukommen, und wünschte geradezu, daß einige Gebiete der Mediatisirten
-- nicht ihre neuen Entschädigungslande, wohl aber "die Länder, welche so
lange deutsche Geschichte reicht, von demselben Hause regiert wurden -- als
wahre Mediat-Fürstenthümer oder -Grafschaften nach unseren Landesgesetzen
von ihren alten Landesherren als Lehensträgern unserer Krone, nicht als
Unterthanen" beherrscht werden sollten.**) Ganz so weit, bis zur Bildung
kleiner Staaten im Staate, wollte das nüchterne preußische Beamtenthum
freilich nicht gehen; immerhin gewährte die königliche Instruktion vom
30. Mai 1820 dem hohen Reichsadel eine angesehene Stellung, die ihm
billigerweise genügen konnte, und obgleich es auch in Preußen nicht an
Beschwerden fehlten, so hegte er doch ein gutes Zutrauen zu der Gerech-
tigkeit der Hohenzollern.

Zehn der mediatisirten Fürsten und Grafen wendeten sich daher noch
vor Eröffnung der Conferenz an König Friedrich Wilhelm und beschworen
ihn, ihr in der That wohlberechtigtes Gesuch zu unterstützen. Der König
war auch nicht abgeneigt und antwortete freundlich; doch eine feste Zusage
konnte er nicht geben, weil die in der Bundesakte verheißenen Curiat-
stimmen den Mediatisirten nur durch einstimmigen Beschluß gewährt werden
durften. Mit Sicherheit ließ sich vorhersehen, daß der mediatisirte Reichs-
adel, der sich auf den Landtagen stets so streng conservativ gehalten hatte,
am Bundestage für die beiden Großmächte stimmen würde; ebendeßhalb
waren seine alten Feinde, die süddeutschen Mittelstaaten fest entschlossen das
Versprechen der Bundesakte nicht einzulösen.***) Zum Unglück führte über-

*) Alvensleben's Bericht, 14. Febr. 1834.
**) Separat-Votum des Kronprinzen zu dem Berichte des Staatsministeriums über
die Rechtsverhältnisse der Mediatisirten, Juli 1824.
***) Eingabe der Fürsten von Hohenlohe, Löwenstein, Leiningen u. Gen. an K. Friedrich
Wilhelm, Nov. 1833. Antwort, 13. Febr. 1834. Ancillon, Weisung an Alvensleben,
13. Febr. 1834.

Beſchlüſſe über Cenſur und Univerſitäten.
mildes Urtheil über einige Demagogen gefällt hatte.*) Manche andere
Wünſche der reaktionären Heißſporne mußten unberückſichtigt bleiben; wie
hätte man auch einen einhelligen Beſchluß über die Beſchränkung der
Schwurgerichte oder ähnliche Vorſchläge durchſetzen können.

Auch die Mediatiſirten, die in Süddeutſchland, zumal in Baden und
Württemberg, guten Grund zur Klage hatten, klopften vergeblich an die
Thüre der Conferenz. Sie verlangten in einer Eingabe (1. Febr. 1834)
die ihnen früher verſprochenen Curiatſtimmen am Bundestage, ferner
eine authentiſche Interpretation des Art. 14 der Bundesakte, endlich ein
ſelbſtändiges Tribunal, das ihnen die dort verheißenen Rechte ſichern ſollte.
Preußen hatte dieſen mediatiſirten Herren immer jene Großmuth, welche
dem Starken ziemt, erwieſen. Der Kronprinz war ihr treuer Gönner.
Er hielt für Ehrenpflicht aller früheren Reichsſtände, „den als Opfer der
Gewalt und Habſucht gefallenen ehemaligen Mitſtänden“ freundlich ent-
gegenzukommen, und wünſchte geradezu, daß einige Gebiete der Mediatiſirten
— nicht ihre neuen Entſchädigungslande, wohl aber „die Länder, welche ſo
lange deutſche Geſchichte reicht, von demſelben Hauſe regiert wurden — als
wahre Mediat-Fürſtenthümer oder -Grafſchaften nach unſeren Landesgeſetzen
von ihren alten Landesherren als Lehensträgern unſerer Krone, nicht als
Unterthanen“ beherrſcht werden ſollten.**) Ganz ſo weit, bis zur Bildung
kleiner Staaten im Staate, wollte das nüchterne preußiſche Beamtenthum
freilich nicht gehen; immerhin gewährte die königliche Inſtruktion vom
30. Mai 1820 dem hohen Reichsadel eine angeſehene Stellung, die ihm
billigerweiſe genügen konnte, und obgleich es auch in Preußen nicht an
Beſchwerden fehlten, ſo hegte er doch ein gutes Zutrauen zu der Gerech-
tigkeit der Hohenzollern.

Zehn der mediatiſirten Fürſten und Grafen wendeten ſich daher noch
vor Eröffnung der Conferenz an König Friedrich Wilhelm und beſchworen
ihn, ihr in der That wohlberechtigtes Geſuch zu unterſtützen. Der König
war auch nicht abgeneigt und antwortete freundlich; doch eine feſte Zuſage
konnte er nicht geben, weil die in der Bundesakte verheißenen Curiat-
ſtimmen den Mediatiſirten nur durch einſtimmigen Beſchluß gewährt werden
durften. Mit Sicherheit ließ ſich vorherſehen, daß der mediatiſirte Reichs-
adel, der ſich auf den Landtagen ſtets ſo ſtreng conſervativ gehalten hatte,
am Bundestage für die beiden Großmächte ſtimmen würde; ebendeßhalb
waren ſeine alten Feinde, die ſüddeutſchen Mittelſtaaten feſt entſchloſſen das
Verſprechen der Bundesakte nicht einzulöſen.***) Zum Unglück führte über-

*) Alvensleben’s Bericht, 14. Febr. 1834.
**) Separat-Votum des Kronprinzen zu dem Berichte des Staatsminiſteriums über
die Rechtsverhältniſſe der Mediatiſirten, Juli 1824.
***) Eingabe der Fürſten von Hohenlohe, Löwenſtein, Leiningen u. Gen. an K. Friedrich
Wilhelm, Nov. 1833. Antwort, 13. Febr. 1834. Ancillon, Weiſung an Alvensleben,
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[345/0359] Beſchlüſſe über Cenſur und Univerſitäten. mildes Urtheil über einige Demagogen gefällt hatte. *) Manche andere Wünſche der reaktionären Heißſporne mußten unberückſichtigt bleiben; wie hätte man auch einen einhelligen Beſchluß über die Beſchränkung der Schwurgerichte oder ähnliche Vorſchläge durchſetzen können. Auch die Mediatiſirten, die in Süddeutſchland, zumal in Baden und Württemberg, guten Grund zur Klage hatten, klopften vergeblich an die Thüre der Conferenz. Sie verlangten in einer Eingabe (1. Febr. 1834) die ihnen früher verſprochenen Curiatſtimmen am Bundestage, ferner eine authentiſche Interpretation des Art. 14 der Bundesakte, endlich ein ſelbſtändiges Tribunal, das ihnen die dort verheißenen Rechte ſichern ſollte. Preußen hatte dieſen mediatiſirten Herren immer jene Großmuth, welche dem Starken ziemt, erwieſen. Der Kronprinz war ihr treuer Gönner. Er hielt für Ehrenpflicht aller früheren Reichsſtände, „den als Opfer der Gewalt und Habſucht gefallenen ehemaligen Mitſtänden“ freundlich ent- gegenzukommen, und wünſchte geradezu, daß einige Gebiete der Mediatiſirten — nicht ihre neuen Entſchädigungslande, wohl aber „die Länder, welche ſo lange deutſche Geſchichte reicht, von demſelben Hauſe regiert wurden — als wahre Mediat-Fürſtenthümer oder -Grafſchaften nach unſeren Landesgeſetzen von ihren alten Landesherren als Lehensträgern unſerer Krone, nicht als Unterthanen“ beherrſcht werden ſollten. **) Ganz ſo weit, bis zur Bildung kleiner Staaten im Staate, wollte das nüchterne preußiſche Beamtenthum freilich nicht gehen; immerhin gewährte die königliche Inſtruktion vom 30. Mai 1820 dem hohen Reichsadel eine angeſehene Stellung, die ihm billigerweiſe genügen konnte, und obgleich es auch in Preußen nicht an Beſchwerden fehlten, ſo hegte er doch ein gutes Zutrauen zu der Gerech- tigkeit der Hohenzollern. Zehn der mediatiſirten Fürſten und Grafen wendeten ſich daher noch vor Eröffnung der Conferenz an König Friedrich Wilhelm und beſchworen ihn, ihr in der That wohlberechtigtes Geſuch zu unterſtützen. Der König war auch nicht abgeneigt und antwortete freundlich; doch eine feſte Zuſage konnte er nicht geben, weil die in der Bundesakte verheißenen Curiat- ſtimmen den Mediatiſirten nur durch einſtimmigen Beſchluß gewährt werden durften. Mit Sicherheit ließ ſich vorherſehen, daß der mediatiſirte Reichs- adel, der ſich auf den Landtagen ſtets ſo ſtreng conſervativ gehalten hatte, am Bundestage für die beiden Großmächte ſtimmen würde; ebendeßhalb waren ſeine alten Feinde, die ſüddeutſchen Mittelſtaaten feſt entſchloſſen das Verſprechen der Bundesakte nicht einzulöſen. ***) Zum Unglück führte über- *) Alvensleben’s Bericht, 14. Febr. 1834. **) Separat-Votum des Kronprinzen zu dem Berichte des Staatsminiſteriums über die Rechtsverhältniſſe der Mediatiſirten, Juli 1824. ***) Eingabe der Fürſten von Hohenlohe, Löwenſtein, Leiningen u. Gen. an K. Friedrich Wilhelm, Nov. 1833. Antwort, 13. Febr. 1834. Ancillon, Weiſung an Alvensleben, 13. Febr. 1834.

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Zitationshilfe: Treitschke, Heinrich von: Deutsche Geschichte im neunzehnten Jahrhundert. Bd. 4: Bis zum Tode König Friedrich Wilhelms III. Leipzig, 1889, S. 345. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/treitschke_geschichte04_1889/359>, abgerufen am 24.11.2024.