der römischen Curie und der wuchernden Fülle der deutschen Territorial- gewalten, sich gezwungen sahen das Fürstenthum gegen die Städte zu be- günstigen, so mußten die Hohenzollern jetzt den Liberalismus bekämpfen. Der preußische Hof wollte gegen Rußlands Wünsche seine verständige europäische Friedenspolitik weiterführen, ohne das unentbehrliche Bündniß der Ostmächte zu zersprengen; er wollte gegen Oesterreichs Willen die praktische deutsche Einheit, den Zollverein aufrechthalten, ohne den für jetzt ebenfalls unentbehrlichen Deutschen Bund zu zerstören; und wie konnte er diese zweifache schwierige Aufgabe lösen, wenn er nicht in den armseligen Händeln der zur Polizei herabgesunkenen Bundespolitik dem Wiener Hofe einiges nachgab? An den Liberalen, den Feinden des Zoll- vereins, den Freunden Polens fand er keine Stütze. Genug, Alvensleben ging mit Metternich und Münch, der als einziger Vertreter des Bundes- tages den Conferenzen beiwohnte, meist zusammen. Nur zu offenbarem Verfassungsbruch verweigerte er seine Mitwirkung; selbst die in Metter- nich's Augen schlechthin verwerfliche Oeffentlichkeit der Landtage wollte der preußische Hof nur beschränken, nicht beseitigen, da sie einmal in den neuen Staatsgrundgesetzen zugestanden sei.*)
Unter den Ministern der kleinen Staaten that sich du Thil durch seinen monarchischen Feuereifer hervor; schwer gereizt durch den Ueber- muth des letzten Landtags hatte er die kühnsten Aeußerungen seiner Darm- städter Abgeordneten in einem Verzeichniß zusammengestellt und hoffte, die Conferenz werde diesen Syllabus liberaler Irrlehren feierlich ver- dammen. Auch der dänische Minister Reventlow-Criminil dachte streng conservativ wie der Bundesgesandte Pechlin und König Friedrich VI. selbst. Als während der Wiener Conferenz die neuen, wahrlich sehr bescheidenen dänischen Provinzialstände eingeführt wurden, hielt der Kopenhager Hof für nöthig den deutschen Mächten ausdrücklich zu versichern: es sei "der bestimmte Wille Sr. Majestät, das monarchische Princip in allen Stücken unverletzt aufrechtzuhalten und weder in der Gesetzgebungsgewalt noch im Besteuerungsrechte etwas von den Befugnissen der Krone aufzugeben"; er habe "demgemäß den übertriebenen Beschränkungsplänen gegen die sou- veräne Macht, die unsere Zeit so gefahrvoll für die Ruhe der Völker be- zeichnen, Schranken gesetzt."**) Minister v. Berg folgte dem Vertreter des befreundeten dänischen Hofes unbedenklich, da Oldenburg noch keine Ver- fassung besaß. Auf seinen alten Vertrauten, den Mecklenburger Plessen durfte Metternich immer zählen, und sogar Bürgermeister Smidt von Bremen hielt sich jetzt zu der österreichischen Partei, weil die Handels- politik der Hanseaten den werdenden preußischen Zollverein mit Hilfe der
*) Ancillon, Weisung an Alvensleben, 27. Jan. 1834.
**) Rundschreiben des dänischen Ministers des Auswärtigen über die neuen Stände, 27. Mai 1834.
IV. 5. Wiederbefeſtigung der alten Gewalten.
der römiſchen Curie und der wuchernden Fülle der deutſchen Territorial- gewalten, ſich gezwungen ſahen das Fürſtenthum gegen die Städte zu be- günſtigen, ſo mußten die Hohenzollern jetzt den Liberalismus bekämpfen. Der preußiſche Hof wollte gegen Rußlands Wünſche ſeine verſtändige europäiſche Friedenspolitik weiterführen, ohne das unentbehrliche Bündniß der Oſtmächte zu zerſprengen; er wollte gegen Oeſterreichs Willen die praktiſche deutſche Einheit, den Zollverein aufrechthalten, ohne den für jetzt ebenfalls unentbehrlichen Deutſchen Bund zu zerſtören; und wie konnte er dieſe zweifache ſchwierige Aufgabe löſen, wenn er nicht in den armſeligen Händeln der zur Polizei herabgeſunkenen Bundespolitik dem Wiener Hofe einiges nachgab? An den Liberalen, den Feinden des Zoll- vereins, den Freunden Polens fand er keine Stütze. Genug, Alvensleben ging mit Metternich und Münch, der als einziger Vertreter des Bundes- tages den Conferenzen beiwohnte, meiſt zuſammen. Nur zu offenbarem Verfaſſungsbruch verweigerte er ſeine Mitwirkung; ſelbſt die in Metter- nich’s Augen ſchlechthin verwerfliche Oeffentlichkeit der Landtage wollte der preußiſche Hof nur beſchränken, nicht beſeitigen, da ſie einmal in den neuen Staatsgrundgeſetzen zugeſtanden ſei.*)
Unter den Miniſtern der kleinen Staaten that ſich du Thil durch ſeinen monarchiſchen Feuereifer hervor; ſchwer gereizt durch den Ueber- muth des letzten Landtags hatte er die kühnſten Aeußerungen ſeiner Darm- ſtädter Abgeordneten in einem Verzeichniß zuſammengeſtellt und hoffte, die Conferenz werde dieſen Syllabus liberaler Irrlehren feierlich ver- dammen. Auch der däniſche Miniſter Reventlow-Criminil dachte ſtreng conſervativ wie der Bundesgeſandte Pechlin und König Friedrich VI. ſelbſt. Als während der Wiener Conferenz die neuen, wahrlich ſehr beſcheidenen däniſchen Provinzialſtände eingeführt wurden, hielt der Kopenhager Hof für nöthig den deutſchen Mächten ausdrücklich zu verſichern: es ſei „der beſtimmte Wille Sr. Majeſtät, das monarchiſche Princip in allen Stücken unverletzt aufrechtzuhalten und weder in der Geſetzgebungsgewalt noch im Beſteuerungsrechte etwas von den Befugniſſen der Krone aufzugeben“; er habe „demgemäß den übertriebenen Beſchränkungsplänen gegen die ſou- veräne Macht, die unſere Zeit ſo gefahrvoll für die Ruhe der Völker be- zeichnen, Schranken geſetzt.“**) Miniſter v. Berg folgte dem Vertreter des befreundeten däniſchen Hofes unbedenklich, da Oldenburg noch keine Ver- faſſung beſaß. Auf ſeinen alten Vertrauten, den Mecklenburger Pleſſen durfte Metternich immer zählen, und ſogar Bürgermeiſter Smidt von Bremen hielt ſich jetzt zu der öſterreichiſchen Partei, weil die Handels- politik der Hanſeaten den werdenden preußiſchen Zollverein mit Hilfe der
*) Ancillon, Weiſung an Alvensleben, 27. Jan. 1834.
**) Rundſchreiben des däniſchen Miniſters des Auswärtigen über die neuen Stände, 27. Mai 1834.
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der römiſchen Curie und der wuchernden Fülle der deutſchen Territorial-
gewalten, ſich gezwungen ſahen das Fürſtenthum gegen die Städte zu be-
günſtigen, ſo mußten die Hohenzollern jetzt den Liberalismus bekämpfen.
Der preußiſche Hof wollte gegen Rußlands Wünſche ſeine verſtändige
europäiſche Friedenspolitik weiterführen, ohne das unentbehrliche Bündniß
der Oſtmächte zu zerſprengen; er wollte gegen Oeſterreichs Willen die
praktiſche deutſche Einheit, den Zollverein aufrechthalten, ohne den für
jetzt ebenfalls unentbehrlichen Deutſchen Bund zu zerſtören; und wie
konnte er dieſe zweifache ſchwierige Aufgabe löſen, wenn er nicht in den
armſeligen Händeln der zur Polizei herabgeſunkenen Bundespolitik dem
Wiener Hofe einiges nachgab? An den Liberalen, den Feinden des Zoll-
vereins, den Freunden Polens fand er keine Stütze. Genug, Alvensleben
ging mit Metternich und Münch, der als einziger Vertreter des Bundes-
tages den Conferenzen beiwohnte, meiſt zuſammen. Nur zu offenbarem
Verfaſſungsbruch verweigerte er ſeine Mitwirkung; ſelbſt die in Metter-
nich’s Augen ſchlechthin verwerfliche Oeffentlichkeit der Landtage wollte
der preußiſche Hof nur beſchränken, nicht beſeitigen, da ſie einmal in den
neuen Staatsgrundgeſetzen zugeſtanden ſei. *)
Unter den Miniſtern der kleinen Staaten that ſich du Thil durch
ſeinen monarchiſchen Feuereifer hervor; ſchwer gereizt durch den Ueber-
muth des letzten Landtags hatte er die kühnſten Aeußerungen ſeiner Darm-
ſtädter Abgeordneten in einem Verzeichniß zuſammengeſtellt und hoffte,
die Conferenz werde dieſen Syllabus liberaler Irrlehren feierlich ver-
dammen. Auch der däniſche Miniſter Reventlow-Criminil dachte ſtreng
conſervativ wie der Bundesgeſandte Pechlin und König Friedrich VI. ſelbſt.
Als während der Wiener Conferenz die neuen, wahrlich ſehr beſcheidenen
däniſchen Provinzialſtände eingeführt wurden, hielt der Kopenhager Hof
für nöthig den deutſchen Mächten ausdrücklich zu verſichern: es ſei „der
beſtimmte Wille Sr. Majeſtät, das monarchiſche Princip in allen Stücken
unverletzt aufrechtzuhalten und weder in der Geſetzgebungsgewalt noch im
Beſteuerungsrechte etwas von den Befugniſſen der Krone aufzugeben“;
er habe „demgemäß den übertriebenen Beſchränkungsplänen gegen die ſou-
veräne Macht, die unſere Zeit ſo gefahrvoll für die Ruhe der Völker be-
zeichnen, Schranken geſetzt.“ **) Miniſter v. Berg folgte dem Vertreter des
befreundeten däniſchen Hofes unbedenklich, da Oldenburg noch keine Ver-
faſſung beſaß. Auf ſeinen alten Vertrauten, den Mecklenburger Pleſſen
durfte Metternich immer zählen, und ſogar Bürgermeiſter Smidt von
Bremen hielt ſich jetzt zu der öſterreichiſchen Partei, weil die Handels-
politik der Hanſeaten den werdenden preußiſchen Zollverein mit Hilfe der
*) Ancillon, Weiſung an Alvensleben, 27. Jan. 1834.
**) Rundſchreiben des däniſchen Miniſters des Auswärtigen über die neuen Stände,
27. Mai 1834.
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Treitschke, Heinrich von: Deutsche Geschichte im neunzehnten Jahrhundert. Bd. 4: Bis zum Tode König Friedrich Wilhelms III. Leipzig, 1889, S. 340. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/treitschke_geschichte04_1889/354>, abgerufen am 23.07.2024.
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