Landesverfassung dadurch nicht abgeändert würde. Im gleichen Sinne sprach sich der Herzog von Meiningen aus. Auch der Prinz-Mitregent von Sachsen verwahrte ausdrücklich die Gerechtsame seiner Landstände, als er die Bundesbeschlüsse veröffentlichte. Seine Minister zeigten sich sehr ängstlich; denn die Nachrichten aus Frankfurt hatten im Lande große Unzufriedenheit erregt, die Sachsenzeitung empfahl schon den Bund mit Frankreich gegen die deutschen Großmächte, im Vogtlande verbreitete ein neugebildeter Preßverein radicale Schriften, und in den geweihten Hallen der Dresdener Adlichen Ressource wagte Otto v. Watzdorf sogar einen Protest gegen die Sechs Artikel zur Unterzeichnung auszulegen.*)
König Ludwig von Baiern schwankte lange bevor er mit sich ins Reine kam. Schmerzlich überrascht durch das aufrührerische Treiben seiner Pfälzer hatte er sich endlich, auf Metternich's und Ancillon's dringenden Rath, zur Strenge entschlossen und den Feldmarschall Wrede mit einer ansehnlichen Truppenmacht nach der unruhigen Provinz gesendet. Alsbald zeigte sich, wie wenig revolutionäre Kraft hinter den prahlerischen Reden der Dema- gogen stand. Der alte Kriegsmann trat fest und versöhnlich auf; er ver- sprach Berücksichtigung aller begründeten Klagen, ließ die Vereine schließen, die Freiheitsbäume beseitigen, zahlreiche Verhaftungen vornehmen und stellte ohne ernstlichen Widerstand die Ordnung wieder her. Unterdessen feierten auch die Franken zu Gaibach ein lärmendes Waldfest, begeisterte junge Leute hoben in der Lust des Weines den liberalen Bürgermeister Behr auf ihre Schultern und begrüßten ihn als "unseren Frankenkönig". Auch dort wurde mit Untersuchungen und Verhaftungen scharf eingeschritten. Der König verbarg sein Mißtrauen nicht, er argwöhnte sogar einen Anschlag wider sein Leben, und als ihm die Würzburger in einer schwülstigen Adresse "Gut und Blut des ganzen Volkes der Baiern" zum Kampfe gegen den Bundestag anboten, da wies er die Eingabe mit ungnädigen Worten zurück.
Ebenso scharf ließ er eine Vorstellung "constitutionell getreuer Staats- bürger" aus der Rheinpfalz abfertigen, ein freches Machwerk, aus dem noch einmal der ganze Bodensatz der radicalen Phrase emporwirbelte. Die Pfälzer sagten: "Bürgerkrieg, so lautet die Losung des Bundestags. Wie konnte der Rheinbaiern gesetzestreue und freiheitliebende Brust un- erschüttert bleiben bei der schrecklichen, ungeheueren, fast unglaublichen Nachricht: der Bundestag hat die deutschen Constitutionen vernichtet! Was soll uns Oesterreich? Dieser alte, morsche, von Würmern zerfressene hohle Stamm? Welche Vortheile kann das absolute Preußen dem con- stitutionellen Baiern bieten? Dieses falsche Rohr, das dem durch die Hand sticht, der sich darauf stützen will? Wie wird Rußland Baierns Rechte schirmen? Dieser glühende Moloch des Despotismus, dem in heid-
*) Jordan's Berichte, 29. Juli, 4. August 1832.
IV. 5. Wiederbefeſtigung der alten Gewalten.
Landesverfaſſung dadurch nicht abgeändert würde. Im gleichen Sinne ſprach ſich der Herzog von Meiningen aus. Auch der Prinz-Mitregent von Sachſen verwahrte ausdrücklich die Gerechtſame ſeiner Landſtände, als er die Bundesbeſchlüſſe veröffentlichte. Seine Miniſter zeigten ſich ſehr ängſtlich; denn die Nachrichten aus Frankfurt hatten im Lande große Unzufriedenheit erregt, die Sachſenzeitung empfahl ſchon den Bund mit Frankreich gegen die deutſchen Großmächte, im Vogtlande verbreitete ein neugebildeter Preßverein radicale Schriften, und in den geweihten Hallen der Dresdener Adlichen Reſſource wagte Otto v. Watzdorf ſogar einen Proteſt gegen die Sechs Artikel zur Unterzeichnung auszulegen.*)
König Ludwig von Baiern ſchwankte lange bevor er mit ſich ins Reine kam. Schmerzlich überraſcht durch das aufrühreriſche Treiben ſeiner Pfälzer hatte er ſich endlich, auf Metternich’s und Ancillon’s dringenden Rath, zur Strenge entſchloſſen und den Feldmarſchall Wrede mit einer anſehnlichen Truppenmacht nach der unruhigen Provinz geſendet. Alsbald zeigte ſich, wie wenig revolutionäre Kraft hinter den prahleriſchen Reden der Dema- gogen ſtand. Der alte Kriegsmann trat feſt und verſöhnlich auf; er ver- ſprach Berückſichtigung aller begründeten Klagen, ließ die Vereine ſchließen, die Freiheitsbäume beſeitigen, zahlreiche Verhaftungen vornehmen und ſtellte ohne ernſtlichen Widerſtand die Ordnung wieder her. Unterdeſſen feierten auch die Franken zu Gaibach ein lärmendes Waldfeſt, begeiſterte junge Leute hoben in der Luſt des Weines den liberalen Bürgermeiſter Behr auf ihre Schultern und begrüßten ihn als „unſeren Frankenkönig“. Auch dort wurde mit Unterſuchungen und Verhaftungen ſcharf eingeſchritten. Der König verbarg ſein Mißtrauen nicht, er argwöhnte ſogar einen Anſchlag wider ſein Leben, und als ihm die Würzburger in einer ſchwülſtigen Adreſſe „Gut und Blut des ganzen Volkes der Baiern“ zum Kampfe gegen den Bundestag anboten, da wies er die Eingabe mit ungnädigen Worten zurück.
Ebenſo ſcharf ließ er eine Vorſtellung „conſtitutionell getreuer Staats- bürger“ aus der Rheinpfalz abfertigen, ein freches Machwerk, aus dem noch einmal der ganze Bodenſatz der radicalen Phraſe emporwirbelte. Die Pfälzer ſagten: „Bürgerkrieg, ſo lautet die Loſung des Bundestags. Wie konnte der Rheinbaiern geſetzestreue und freiheitliebende Bruſt un- erſchüttert bleiben bei der ſchrecklichen, ungeheueren, faſt unglaublichen Nachricht: der Bundestag hat die deutſchen Conſtitutionen vernichtet! Was ſoll uns Oeſterreich? Dieſer alte, morſche, von Würmern zerfreſſene hohle Stamm? Welche Vortheile kann das abſolute Preußen dem con- ſtitutionellen Baiern bieten? Dieſes falſche Rohr, das dem durch die Hand ſticht, der ſich darauf ſtützen will? Wie wird Rußland Baierns Rechte ſchirmen? Dieſer glühende Moloch des Despotismus, dem in heid-
*) Jordan’s Berichte, 29. Juli, 4. Auguſt 1832.
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Landesverfaſſung dadurch nicht abgeändert würde. Im gleichen Sinne
ſprach ſich der Herzog von Meiningen aus. Auch der Prinz-Mitregent
von Sachſen verwahrte ausdrücklich die Gerechtſame ſeiner Landſtände,
als er die Bundesbeſchlüſſe veröffentlichte. Seine Miniſter zeigten ſich
ſehr ängſtlich; denn die Nachrichten aus Frankfurt hatten im Lande große
Unzufriedenheit erregt, die Sachſenzeitung empfahl ſchon den Bund mit
Frankreich gegen die deutſchen Großmächte, im Vogtlande verbreitete ein
neugebildeter Preßverein radicale Schriften, und in den geweihten Hallen
der Dresdener Adlichen Reſſource wagte Otto v. Watzdorf ſogar einen
Proteſt gegen die Sechs Artikel zur Unterzeichnung auszulegen. *)
König Ludwig von Baiern ſchwankte lange bevor er mit ſich ins Reine
kam. Schmerzlich überraſcht durch das aufrühreriſche Treiben ſeiner Pfälzer
hatte er ſich endlich, auf Metternich’s und Ancillon’s dringenden Rath, zur
Strenge entſchloſſen und den Feldmarſchall Wrede mit einer anſehnlichen
Truppenmacht nach der unruhigen Provinz geſendet. Alsbald zeigte ſich,
wie wenig revolutionäre Kraft hinter den prahleriſchen Reden der Dema-
gogen ſtand. Der alte Kriegsmann trat feſt und verſöhnlich auf; er ver-
ſprach Berückſichtigung aller begründeten Klagen, ließ die Vereine ſchließen,
die Freiheitsbäume beſeitigen, zahlreiche Verhaftungen vornehmen und ſtellte
ohne ernſtlichen Widerſtand die Ordnung wieder her. Unterdeſſen feierten
auch die Franken zu Gaibach ein lärmendes Waldfeſt, begeiſterte junge
Leute hoben in der Luſt des Weines den liberalen Bürgermeiſter Behr
auf ihre Schultern und begrüßten ihn als „unſeren Frankenkönig“. Auch
dort wurde mit Unterſuchungen und Verhaftungen ſcharf eingeſchritten.
Der König verbarg ſein Mißtrauen nicht, er argwöhnte ſogar einen Anſchlag
wider ſein Leben, und als ihm die Würzburger in einer ſchwülſtigen
Adreſſe „Gut und Blut des ganzen Volkes der Baiern“ zum Kampfe gegen
den Bundestag anboten, da wies er die Eingabe mit ungnädigen Worten
zurück.
Ebenſo ſcharf ließ er eine Vorſtellung „conſtitutionell getreuer Staats-
bürger“ aus der Rheinpfalz abfertigen, ein freches Machwerk, aus dem
noch einmal der ganze Bodenſatz der radicalen Phraſe emporwirbelte.
Die Pfälzer ſagten: „Bürgerkrieg, ſo lautet die Loſung des Bundestags.
Wie konnte der Rheinbaiern geſetzestreue und freiheitliebende Bruſt un-
erſchüttert bleiben bei der ſchrecklichen, ungeheueren, faſt unglaublichen
Nachricht: der Bundestag hat die deutſchen Conſtitutionen vernichtet! Was
ſoll uns Oeſterreich? Dieſer alte, morſche, von Würmern zerfreſſene
hohle Stamm? Welche Vortheile kann das abſolute Preußen dem con-
ſtitutionellen Baiern bieten? Dieſes falſche Rohr, das dem durch die
Hand ſticht, der ſich darauf ſtützen will? Wie wird Rußland Baierns
Rechte ſchirmen? Dieſer glühende Moloch des Despotismus, dem in heid-
*) Jordan’s Berichte, 29. Juli, 4. Auguſt 1832.
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Treitschke, Heinrich von: Deutsche Geschichte im neunzehnten Jahrhundert. Bd. 4: Bis zum Tode König Friedrich Wilhelms III. Leipzig, 1889, S. 276. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/treitschke_geschichte04_1889/290>, abgerufen am 24.11.2024.
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