bruchs angeklagt werden. Von den Beschlüssen des Bundestags sprach man nur mit zorniger Verachtung; selbst Ignaz Rudhart, der wieder mit dem herzerwärmenden Feuer seiner Beredsamkeit für die Sache des gemäßigten Liberalismus eintrat, schlug Baierns Bundespflichten sehr niedrig an und forderte die unbeschränkte Preßfreiheit.
Nach langen, erbitterten Kämpfen sah der König endlich ein, daß er den verhaßten Minister nicht mehr halten konnte. Schenk wurde in die Provinz versetzt und den Ständen eine neue, sehr gemäßigte Preßver- ordnung vorgelegt: sie gab die Besprechung bairischer Angelegenheiten völlig frei und widersprach also schnurstracks den neuen, durch Baiern selbst veranlaßten Bundesbeschlüssen. Auch dies genügte der Kammer noch nicht; die Köpfe hatten sich schon so sehr erhitzt, daß sogar Präsident Seuffert, der Diplomat des Hauses rundab erklärte: "Alles oder nichts!" Die Kammer der Reichsräthe aber wollte den Abgeordneten auf ihrer ab- schüssigen Bahn nicht folgen, und so blieb denn der gewaltige Lärm schließlich ohne jedes Ergebniß. Die Krone behielt freie Hand gegenüber der Presse. Ebenso unerquicklich verlief der langwierige Streit wegen der Urlaubsverweigerung; zu einem Verzicht auf sein verfassungsmäßiges Recht ließ sich der König nicht bewegen.
Darüber vergingen Monate; erst in ihrer hundertsten Sitzung begann die Kammer die Berathung des Budgets und bewährte sogleich ihre Ge- sinnungstüchtigkeit durch umfassende Streichungen, obgleich Armansperg durch seine übersparsame Verwaltung das Deficit von fast 3 Millionen Gulden beseitigt und einen Ueberschuß von 7 Millionen gewonnen hatte. Die ohnehin viel zu knapp bemessenen Ausgaben für das verwahrloste Heer sollten noch einmal beschnitten werden. Auch die Vereidigung des Heeres auf die Verfassung wurde beantragt. Diese thörichte Forderung galt selbst unter den Gemäßigten für einen unantastbaren Glaubenssatz des liberalen Katechismus; indeß war Rudhart klug genug zu erklären, daß er dem verfassungstreuen Monarchen kein Mißtrauen aussprechen wolle, und so gelang es den Antrag noch zu beseitigen. Aber auch die Civilliste des Königs dachten die Liberalen um fast ein Viertel zu kürzen, und die Verhandlungen darüber mußten den Monarchen tief kränken, da Jedermann wußte, daß er von seinem Einkommen nichts für sich, Alles für die Kunst verwendete. Für die Kunstpflege, die unter König Ludwig doch allein dem bairischen Staatsleben Würde und Inhalt gab, zeigte der aufgeklärte Liberalismus wenig Verständniß; fast alle Ausgaben für Neubauten wurden verworfen. Die mächtigen Quadermauern der Pinakothek ragten schon aus dem Erdboden heraus; dennoch verweigerte die Kammer -- vielleicht nach dem Buchstaben, doch sicherlich gegen den Geist der Verfassung -- die Mittel zur Fortführung des Werkes. Ein liberaler Redner rief triumphirend: möge dieser Bau liegen bleiben "als eine Ruine der Gesetzmäßigkeit!" -- und der König sah sich ge-
IV. 4. Landtage und Feſte in Oberdeutſchland.
bruchs angeklagt werden. Von den Beſchlüſſen des Bundestags ſprach man nur mit zorniger Verachtung; ſelbſt Ignaz Rudhart, der wieder mit dem herzerwärmenden Feuer ſeiner Beredſamkeit für die Sache des gemäßigten Liberalismus eintrat, ſchlug Baierns Bundespflichten ſehr niedrig an und forderte die unbeſchränkte Preßfreiheit.
Nach langen, erbitterten Kämpfen ſah der König endlich ein, daß er den verhaßten Miniſter nicht mehr halten konnte. Schenk wurde in die Provinz verſetzt und den Ständen eine neue, ſehr gemäßigte Preßver- ordnung vorgelegt: ſie gab die Beſprechung bairiſcher Angelegenheiten völlig frei und widerſprach alſo ſchnurſtracks den neuen, durch Baiern ſelbſt veranlaßten Bundesbeſchlüſſen. Auch dies genügte der Kammer noch nicht; die Köpfe hatten ſich ſchon ſo ſehr erhitzt, daß ſogar Präſident Seuffert, der Diplomat des Hauſes rundab erklärte: „Alles oder nichts!“ Die Kammer der Reichsräthe aber wollte den Abgeordneten auf ihrer ab- ſchüſſigen Bahn nicht folgen, und ſo blieb denn der gewaltige Lärm ſchließlich ohne jedes Ergebniß. Die Krone behielt freie Hand gegenüber der Preſſe. Ebenſo unerquicklich verlief der langwierige Streit wegen der Urlaubsverweigerung; zu einem Verzicht auf ſein verfaſſungsmäßiges Recht ließ ſich der König nicht bewegen.
Darüber vergingen Monate; erſt in ihrer hundertſten Sitzung begann die Kammer die Berathung des Budgets und bewährte ſogleich ihre Ge- ſinnungstüchtigkeit durch umfaſſende Streichungen, obgleich Armansperg durch ſeine überſparſame Verwaltung das Deficit von faſt 3 Millionen Gulden beſeitigt und einen Ueberſchuß von 7 Millionen gewonnen hatte. Die ohnehin viel zu knapp bemeſſenen Ausgaben für das verwahrloſte Heer ſollten noch einmal beſchnitten werden. Auch die Vereidigung des Heeres auf die Verfaſſung wurde beantragt. Dieſe thörichte Forderung galt ſelbſt unter den Gemäßigten für einen unantaſtbaren Glaubensſatz des liberalen Katechismus; indeß war Rudhart klug genug zu erklären, daß er dem verfaſſungstreuen Monarchen kein Mißtrauen ausſprechen wolle, und ſo gelang es den Antrag noch zu beſeitigen. Aber auch die Civilliſte des Königs dachten die Liberalen um faſt ein Viertel zu kürzen, und die Verhandlungen darüber mußten den Monarchen tief kränken, da Jedermann wußte, daß er von ſeinem Einkommen nichts für ſich, Alles für die Kunſt verwendete. Für die Kunſtpflege, die unter König Ludwig doch allein dem bairiſchen Staatsleben Würde und Inhalt gab, zeigte der aufgeklärte Liberalismus wenig Verſtändniß; faſt alle Ausgaben für Neubauten wurden verworfen. Die mächtigen Quadermauern der Pinakothek ragten ſchon aus dem Erdboden heraus; dennoch verweigerte die Kammer — vielleicht nach dem Buchſtaben, doch ſicherlich gegen den Geiſt der Verfaſſung — die Mittel zur Fortführung des Werkes. Ein liberaler Redner rief triumphirend: möge dieſer Bau liegen bleiben „als eine Ruine der Geſetzmäßigkeit!“ — und der König ſah ſich ge-
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IV. 4. Landtage und Feſte in Oberdeutſchland.
bruchs angeklagt werden. Von den Beſchlüſſen des Bundestags ſprach
man nur mit zorniger Verachtung; ſelbſt Ignaz Rudhart, der wieder
mit dem herzerwärmenden Feuer ſeiner Beredſamkeit für die Sache des
gemäßigten Liberalismus eintrat, ſchlug Baierns Bundespflichten ſehr
niedrig an und forderte die unbeſchränkte Preßfreiheit.
Nach langen, erbitterten Kämpfen ſah der König endlich ein, daß er
den verhaßten Miniſter nicht mehr halten konnte. Schenk wurde in die
Provinz verſetzt und den Ständen eine neue, ſehr gemäßigte Preßver-
ordnung vorgelegt: ſie gab die Beſprechung bairiſcher Angelegenheiten
völlig frei und widerſprach alſo ſchnurſtracks den neuen, durch Baiern
ſelbſt veranlaßten Bundesbeſchlüſſen. Auch dies genügte der Kammer noch
nicht; die Köpfe hatten ſich ſchon ſo ſehr erhitzt, daß ſogar Präſident Seuffert,
der Diplomat des Hauſes rundab erklärte: „Alles oder nichts!“ Die
Kammer der Reichsräthe aber wollte den Abgeordneten auf ihrer ab-
ſchüſſigen Bahn nicht folgen, und ſo blieb denn der gewaltige Lärm
ſchließlich ohne jedes Ergebniß. Die Krone behielt freie Hand gegenüber
der Preſſe. Ebenſo unerquicklich verlief der langwierige Streit wegen der
Urlaubsverweigerung; zu einem Verzicht auf ſein verfaſſungsmäßiges
Recht ließ ſich der König nicht bewegen.
Darüber vergingen Monate; erſt in ihrer hundertſten Sitzung begann
die Kammer die Berathung des Budgets und bewährte ſogleich ihre Ge-
ſinnungstüchtigkeit durch umfaſſende Streichungen, obgleich Armansperg
durch ſeine überſparſame Verwaltung das Deficit von faſt 3 Millionen
Gulden beſeitigt und einen Ueberſchuß von 7 Millionen gewonnen hatte.
Die ohnehin viel zu knapp bemeſſenen Ausgaben für das verwahrloſte
Heer ſollten noch einmal beſchnitten werden. Auch die Vereidigung des
Heeres auf die Verfaſſung wurde beantragt. Dieſe thörichte Forderung
galt ſelbſt unter den Gemäßigten für einen unantaſtbaren Glaubensſatz
des liberalen Katechismus; indeß war Rudhart klug genug zu erklären,
daß er dem verfaſſungstreuen Monarchen kein Mißtrauen ausſprechen
wolle, und ſo gelang es den Antrag noch zu beſeitigen. Aber auch die
Civilliſte des Königs dachten die Liberalen um faſt ein Viertel zu kürzen,
und die Verhandlungen darüber mußten den Monarchen tief kränken,
da Jedermann wußte, daß er von ſeinem Einkommen nichts für ſich,
Alles für die Kunſt verwendete. Für die Kunſtpflege, die unter König
Ludwig doch allein dem bairiſchen Staatsleben Würde und Inhalt gab,
zeigte der aufgeklärte Liberalismus wenig Verſtändniß; faſt alle Ausgaben
für Neubauten wurden verworfen. Die mächtigen Quadermauern der
Pinakothek ragten ſchon aus dem Erdboden heraus; dennoch verweigerte
die Kammer — vielleicht nach dem Buchſtaben, doch ſicherlich gegen den
Geiſt der Verfaſſung — die Mittel zur Fortführung des Werkes. Ein
liberaler Redner rief triumphirend: möge dieſer Bau liegen bleiben
„als eine Ruine der Geſetzmäßigkeit!“ — und der König ſah ſich ge-
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Treitschke, Heinrich von: Deutsche Geschichte im neunzehnten Jahrhundert. Bd. 4: Bis zum Tode König Friedrich Wilhelms III. Leipzig, 1889, S. 244. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/treitschke_geschichte04_1889/258>, abgerufen am 24.11.2024.
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