man sich auch drehen und wenden mochte, das am 1. März 1832 in Kraft tretende neue badische Preßgesetz widersprach offenbar dem Bundes- rechte, das die Censur verlangte. Der Widerspruch ward dadurch wahr- lich nicht gemildert, daß die Karlsruher Regierung im März 1832 die neuesten Bundesbeschlüsse veröffentlichte und zugleich erklärte, daneben solle ihr Preßgesetz -- also das Gegentheil der bundesrechtlichen Vorschriften -- in Geltung bleiben. Dem ehrlichen Großherzog war bei diesem zwei- deutigen Treiben übel zu Muthe. Unter vier Augen betheuerte er dem preußischen Gesandten: auf Verlangen des Bundestags werde er das be- denkliche Gesetz gern abändern.*) Wie durfte er auch hoffen, eine so un- haltbare Stellung gegen den Willen der Gesammtheit der übrigen Bundes- staaten zu behaupten?
Mittlerweile wiederholte Rotteck im Landtage seine schon seit Jahren festgehaltene Forderung, die ihm vor Allen die Gunst des Landvolkes verschafft hatte, er verlangte die Aufhebung der Frohnden und Zehnten. Der Antrag ergab sich nothwendig aus den veränderten Zuständen der Landwirthschaft; aber wie radical, wie parteiisch ward er begründet. Es war Deutschlands Glück und Ruhm, daß der Uebergang in die neuen ländlichen Besitzverhältnisse sich bei uns, nach Preußens Vorgang, überall auf gesetzlichem Wege, durch billige Entschädigung der Berechtigten, nicht, wie in Frankreich und Spanien, durch Raub und Gewalt vollzogen hatte. Diesen schönen Vorzug seines Vaterlandes vermochte der Lehrer des Ver- nunftrechts nicht zu begreifen; er sah in den alten, durch langen Besitz- stand geheiligten grundherrlichen Rechten nichts als frevelhaftes Unrecht und fand es sehr sonderbar, daß die Deutschen blos an eine Ablösung zu denken wagten. Nur als ein Zugeständniß an die deutsche Gutmüthig- keit beantragte er eine unbillig niedrige Entschädigung und meinte traurig, "ein Franzose oder Ueberrheiner" werde dies noch viel zu hoch finden.
Dawider erhoben sich alsbald die in ihrem Vermögen schwer bedrohten Grundherren der ersten Kammer. Das Haus Löwenstein verwahrte am Bundestage wie am Karlsruher Hofe feierlich seine grundherrlichen Rechte. Die Minister aber gaben dem Drängen der zweiten Kammer nach; sie befanden sich wieder in arger Verlegenheit, zumal Türckheim, der vor Jahren die grundherrlichen Rechte des Adels lebhaft vertheidigt hatte und jetzt doch fühlte, daß Baden nicht hinter den Nachbarländern zurückbleiben dürfe.**) Als die erste Kammer das Gesetz über die Ablösung des Neu- bruch-Zehntens verworfen hatte, da erhob sich Rotteck zornglühend: Der vereinte Wille der Regierung und des Volkes ist also gescheitert "an dem Veto einer Handvoll Junker!" Nach dem Codex seines Vernunftrechts war ja das Zweikammersystem nur eine verwerfliche, die Natur ver-
*) Otterstedt's Bericht, 28. Febr. 1832.
**) Türckheim an Blittersdorff, 29. Sept. 1831.
IV. 4. Landtage und Feſte in Oberdeutſchland.
man ſich auch drehen und wenden mochte, das am 1. März 1832 in Kraft tretende neue badiſche Preßgeſetz widerſprach offenbar dem Bundes- rechte, das die Cenſur verlangte. Der Widerſpruch ward dadurch wahr- lich nicht gemildert, daß die Karlsruher Regierung im März 1832 die neueſten Bundesbeſchlüſſe veröffentlichte und zugleich erklärte, daneben ſolle ihr Preßgeſetz — alſo das Gegentheil der bundesrechtlichen Vorſchriften — in Geltung bleiben. Dem ehrlichen Großherzog war bei dieſem zwei- deutigen Treiben übel zu Muthe. Unter vier Augen betheuerte er dem preußiſchen Geſandten: auf Verlangen des Bundestags werde er das be- denkliche Geſetz gern abändern.*) Wie durfte er auch hoffen, eine ſo un- haltbare Stellung gegen den Willen der Geſammtheit der übrigen Bundes- ſtaaten zu behaupten?
Mittlerweile wiederholte Rotteck im Landtage ſeine ſchon ſeit Jahren feſtgehaltene Forderung, die ihm vor Allen die Gunſt des Landvolkes verſchafft hatte, er verlangte die Aufhebung der Frohnden und Zehnten. Der Antrag ergab ſich nothwendig aus den veränderten Zuſtänden der Landwirthſchaft; aber wie radical, wie parteiiſch ward er begründet. Es war Deutſchlands Glück und Ruhm, daß der Uebergang in die neuen ländlichen Beſitzverhältniſſe ſich bei uns, nach Preußens Vorgang, überall auf geſetzlichem Wege, durch billige Entſchädigung der Berechtigten, nicht, wie in Frankreich und Spanien, durch Raub und Gewalt vollzogen hatte. Dieſen ſchönen Vorzug ſeines Vaterlandes vermochte der Lehrer des Ver- nunftrechts nicht zu begreifen; er ſah in den alten, durch langen Beſitz- ſtand geheiligten grundherrlichen Rechten nichts als frevelhaftes Unrecht und fand es ſehr ſonderbar, daß die Deutſchen blos an eine Ablöſung zu denken wagten. Nur als ein Zugeſtändniß an die deutſche Gutmüthig- keit beantragte er eine unbillig niedrige Entſchädigung und meinte traurig, „ein Franzoſe oder Ueberrheiner“ werde dies noch viel zu hoch finden.
Dawider erhoben ſich alsbald die in ihrem Vermögen ſchwer bedrohten Grundherren der erſten Kammer. Das Haus Löwenſtein verwahrte am Bundestage wie am Karlsruher Hofe feierlich ſeine grundherrlichen Rechte. Die Miniſter aber gaben dem Drängen der zweiten Kammer nach; ſie befanden ſich wieder in arger Verlegenheit, zumal Türckheim, der vor Jahren die grundherrlichen Rechte des Adels lebhaft vertheidigt hatte und jetzt doch fühlte, daß Baden nicht hinter den Nachbarländern zurückbleiben dürfe.**) Als die erſte Kammer das Geſetz über die Ablöſung des Neu- bruch-Zehntens verworfen hatte, da erhob ſich Rotteck zornglühend: Der vereinte Wille der Regierung und des Volkes iſt alſo geſcheitert „an dem Veto einer Handvoll Junker!“ Nach dem Codex ſeines Vernunftrechts war ja das Zweikammerſyſtem nur eine verwerfliche, die Natur ver-
*) Otterſtedt’s Bericht, 28. Febr. 1832.
**) Türckheim an Blittersdorff, 29. Sept. 1831.
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IV. 4. Landtage und Feſte in Oberdeutſchland.
man ſich auch drehen und wenden mochte, das am 1. März 1832 in
Kraft tretende neue badiſche Preßgeſetz widerſprach offenbar dem Bundes-
rechte, das die Cenſur verlangte. Der Widerſpruch ward dadurch wahr-
lich nicht gemildert, daß die Karlsruher Regierung im März 1832 die
neueſten Bundesbeſchlüſſe veröffentlichte und zugleich erklärte, daneben
ſolle ihr Preßgeſetz — alſo das Gegentheil der bundesrechtlichen Vorſchriften
— in Geltung bleiben. Dem ehrlichen Großherzog war bei dieſem zwei-
deutigen Treiben übel zu Muthe. Unter vier Augen betheuerte er dem
preußiſchen Geſandten: auf Verlangen des Bundestags werde er das be-
denkliche Geſetz gern abändern. *) Wie durfte er auch hoffen, eine ſo un-
haltbare Stellung gegen den Willen der Geſammtheit der übrigen Bundes-
ſtaaten zu behaupten?
Mittlerweile wiederholte Rotteck im Landtage ſeine ſchon ſeit Jahren
feſtgehaltene Forderung, die ihm vor Allen die Gunſt des Landvolkes
verſchafft hatte, er verlangte die Aufhebung der Frohnden und Zehnten.
Der Antrag ergab ſich nothwendig aus den veränderten Zuſtänden der
Landwirthſchaft; aber wie radical, wie parteiiſch ward er begründet. Es
war Deutſchlands Glück und Ruhm, daß der Uebergang in die neuen
ländlichen Beſitzverhältniſſe ſich bei uns, nach Preußens Vorgang, überall
auf geſetzlichem Wege, durch billige Entſchädigung der Berechtigten, nicht,
wie in Frankreich und Spanien, durch Raub und Gewalt vollzogen hatte.
Dieſen ſchönen Vorzug ſeines Vaterlandes vermochte der Lehrer des Ver-
nunftrechts nicht zu begreifen; er ſah in den alten, durch langen Beſitz-
ſtand geheiligten grundherrlichen Rechten nichts als frevelhaftes Unrecht
und fand es ſehr ſonderbar, daß die Deutſchen blos an eine Ablöſung
zu denken wagten. Nur als ein Zugeſtändniß an die deutſche Gutmüthig-
keit beantragte er eine unbillig niedrige Entſchädigung und meinte traurig,
„ein Franzoſe oder Ueberrheiner“ werde dies noch viel zu hoch finden.
Dawider erhoben ſich alsbald die in ihrem Vermögen ſchwer bedrohten
Grundherren der erſten Kammer. Das Haus Löwenſtein verwahrte am
Bundestage wie am Karlsruher Hofe feierlich ſeine grundherrlichen Rechte.
Die Miniſter aber gaben dem Drängen der zweiten Kammer nach; ſie
befanden ſich wieder in arger Verlegenheit, zumal Türckheim, der vor
Jahren die grundherrlichen Rechte des Adels lebhaft vertheidigt hatte und
jetzt doch fühlte, daß Baden nicht hinter den Nachbarländern zurückbleiben
dürfe. **) Als die erſte Kammer das Geſetz über die Ablöſung des Neu-
bruch-Zehntens verworfen hatte, da erhob ſich Rotteck zornglühend: Der
vereinte Wille der Regierung und des Volkes iſt alſo geſcheitert „an dem
Veto einer Handvoll Junker!“ Nach dem Codex ſeines Vernunftrechts
war ja das Zweikammerſyſtem nur eine verwerfliche, die Natur ver-
*) Otterſtedt’s Bericht, 28. Febr. 1832.
**) Türckheim an Blittersdorff, 29. Sept. 1831.
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Treitschke, Heinrich von: Deutsche Geschichte im neunzehnten Jahrhundert. Bd. 4: Bis zum Tode König Friedrich Wilhelms III. Leipzig, 1889, S. 234. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/treitschke_geschichte04_1889/248>, abgerufen am 28.11.2024.
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