zugleich und verwundet. An dem Tage, da der König von Preußen in seinem Staate die Reichsstandschaft begründet, wird der gesetzliche Deutsche wieder aufathmen; er hat die Versicherung, daß bei der Freiheitsent- wickelung Gesetz wohnen werde, daß unseren Dynastien ihre Ehre ver- bleibe, daß aber auch fortan die Bundesversammlung in ihre Berech- nungen die leitenden Ideen aufnehmen und allmählich dem Grundgesetze einverleiben werde, welche das gute heimische Recht sicher stellen vor jeder verderblichen Einwirkung, sei's von Osten oder von Westen." --
Für solche Pläne einer Verjüngung des Bundestags fehlten für jetzt noch alle Vorbedingungen. Preußens Bundespolitik ging, wie sie es mußte, zunächst nur darauf aus, Deutschlands innere und äußere Sicherheit in so drangvoller Zeit zu befestigen. Dem Hofe des Palais Royal gegenüber hielten sich die kleinen deutschen Cabinette allesammt untadelhaft, weit patriotischer als ihre liberalen Unterthanen. Bei einigen mochte der Haß gegen die Revolution, bei anderen die noch frische Er- innerung an das Schicksal Friedrich August's von Sachsen mitwirken, die Mehrzahl war wirklich national gesinnt. Als General Sebastiani unter der Hand bei dem bairischen, dem württembergischen Gesandten und dem Karlsruher Hofe anfragte, ob nicht ein neuer Rheinbund oder doch eine Neutralität Süddeutschlands möglich sei, da ward er überall scharf abgewiesen, und die kleinen Höfe berichteten das Geschehene getreulich den deutschen Großmächten.*) König Ludwig von Baiern war in dieser Zeit, da die Zollverhandlungen sich so glücklich abgewickelt hatten, Feuer und Flamme für Preußen und versicherte dem Könige Friedrich Wilhelm, als er seinen Sohn auf die Berliner Hochschule sendete, wiederholt: sein Thronfolger solle dort sich mit denselben Gesinnungen für Preußen er- füllen, "die mich durchdringen, für Preußen, was mehrmalen Baiern meinem Hause erhielt, der ich nur in engem Verbande mit Preußen Teutschlands Heil sehe".**) Auch der König von Württemberg hatte mit den Trias-Träumen früherer Jahre gründlich gebrochen; die hohle Rhe- torik der Liberalen widerte seinen nüchternen Geist mehr und mehr an. Als er im Juni 1831 mit Ludwig Philipp in Straßburg zusammentraf, verhielt er sich sehr schweigsam und sagte schließlich dem Franzosen rund heraus, an einen neuen Rheinbund sei gar nicht zu denken.***)
Diese achtungswerthe Gesinnung der kleinen Höfe hinderte freilich nicht, daß jeder durchgreifende Bundesbeschluß, nach altem Frankfurter Brauche, auf eigensinnigen Widerspruch stieß. Am 18. Sept. 1830 ver- sammelte Münch, im Einverständniß mit Nagler, die Bundesgesandten
*) K. Ludwig v. Baiern an K. Friedrich Wilhelm 17. März 1831. Otterstedt's Bericht, 12. December 1830. Arnim's Bericht, Karlsruhe 8. Januar 1831.
**) K. Ludwig v. Baiern an K. Friedrich Wilhelm 30. Sept., 2. Nov. 1830.
***) Berichte Salviati's 27. Juni, Otterstedt's 21. 26. Juni 1831.
14*
Frankreich und die deutſchen Höfe.
zugleich und verwundet. An dem Tage, da der König von Preußen in ſeinem Staate die Reichsſtandſchaft begründet, wird der geſetzliche Deutſche wieder aufathmen; er hat die Verſicherung, daß bei der Freiheitsent- wickelung Geſetz wohnen werde, daß unſeren Dynaſtien ihre Ehre ver- bleibe, daß aber auch fortan die Bundesverſammlung in ihre Berech- nungen die leitenden Ideen aufnehmen und allmählich dem Grundgeſetze einverleiben werde, welche das gute heimiſche Recht ſicher ſtellen vor jeder verderblichen Einwirkung, ſei’s von Oſten oder von Weſten.“ —
Für ſolche Pläne einer Verjüngung des Bundestags fehlten für jetzt noch alle Vorbedingungen. Preußens Bundespolitik ging, wie ſie es mußte, zunächſt nur darauf aus, Deutſchlands innere und äußere Sicherheit in ſo drangvoller Zeit zu befeſtigen. Dem Hofe des Palais Royal gegenüber hielten ſich die kleinen deutſchen Cabinette alleſammt untadelhaft, weit patriotiſcher als ihre liberalen Unterthanen. Bei einigen mochte der Haß gegen die Revolution, bei anderen die noch friſche Er- innerung an das Schickſal Friedrich Auguſt’s von Sachſen mitwirken, die Mehrzahl war wirklich national geſinnt. Als General Sebaſtiani unter der Hand bei dem bairiſchen, dem württembergiſchen Geſandten und dem Karlsruher Hofe anfragte, ob nicht ein neuer Rheinbund oder doch eine Neutralität Süddeutſchlands möglich ſei, da ward er überall ſcharf abgewieſen, und die kleinen Höfe berichteten das Geſchehene getreulich den deutſchen Großmächten.*) König Ludwig von Baiern war in dieſer Zeit, da die Zollverhandlungen ſich ſo glücklich abgewickelt hatten, Feuer und Flamme für Preußen und verſicherte dem Könige Friedrich Wilhelm, als er ſeinen Sohn auf die Berliner Hochſchule ſendete, wiederholt: ſein Thronfolger ſolle dort ſich mit denſelben Geſinnungen für Preußen er- füllen, „die mich durchdringen, für Preußen, was mehrmalen Baiern meinem Hauſe erhielt, der ich nur in engem Verbande mit Preußen Teutſchlands Heil ſehe“.**) Auch der König von Württemberg hatte mit den Trias-Träumen früherer Jahre gründlich gebrochen; die hohle Rhe- torik der Liberalen widerte ſeinen nüchternen Geiſt mehr und mehr an. Als er im Juni 1831 mit Ludwig Philipp in Straßburg zuſammentraf, verhielt er ſich ſehr ſchweigſam und ſagte ſchließlich dem Franzoſen rund heraus, an einen neuen Rheinbund ſei gar nicht zu denken.***)
Dieſe achtungswerthe Geſinnung der kleinen Höfe hinderte freilich nicht, daß jeder durchgreifende Bundesbeſchluß, nach altem Frankfurter Brauche, auf eigenſinnigen Widerſpruch ſtieß. Am 18. Sept. 1830 ver- ſammelte Münch, im Einverſtändniß mit Nagler, die Bundesgeſandten
*) K. Ludwig v. Baiern an K. Friedrich Wilhelm 17. März 1831. Otterſtedt’s Bericht, 12. December 1830. Arnim’s Bericht, Karlsruhe 8. Januar 1831.
**) K. Ludwig v. Baiern an K. Friedrich Wilhelm 30. Sept., 2. Nov. 1830.
***) Berichte Salviati’s 27. Juni, Otterſtedt’s 21. 26. Juni 1831.
14*
<TEI><text><body><divn="1"><divn="2"><p><pbfacs="#f0225"n="211"/><fwplace="top"type="header">Frankreich und die deutſchen Höfe.</fw><lb/>
zugleich und verwundet. An dem Tage, da der König von Preußen in<lb/>ſeinem Staate die Reichsſtandſchaft begründet, wird der geſetzliche Deutſche<lb/>
wieder aufathmen; er hat die Verſicherung, daß bei der Freiheitsent-<lb/>
wickelung Geſetz wohnen werde, daß unſeren Dynaſtien ihre Ehre ver-<lb/>
bleibe, daß aber auch fortan die Bundesverſammlung in ihre Berech-<lb/>
nungen die leitenden Ideen aufnehmen und allmählich dem Grundgeſetze<lb/>
einverleiben werde, welche das gute heimiſche Recht ſicher ſtellen vor jeder<lb/>
verderblichen Einwirkung, ſei’s von Oſten oder von Weſten.“—</p><lb/><milestonerendition="#hr"unit="section"/><p>Für ſolche Pläne einer Verjüngung des Bundestags fehlten für<lb/>
jetzt noch alle Vorbedingungen. Preußens Bundespolitik ging, wie ſie<lb/>
es mußte, zunächſt nur darauf aus, Deutſchlands innere und äußere<lb/>
Sicherheit in ſo drangvoller Zeit zu befeſtigen. Dem Hofe des Palais<lb/>
Royal gegenüber hielten ſich die kleinen deutſchen Cabinette alleſammt<lb/>
untadelhaft, weit patriotiſcher als ihre liberalen Unterthanen. Bei einigen<lb/>
mochte der Haß gegen die Revolution, bei anderen die noch friſche Er-<lb/>
innerung an das Schickſal Friedrich Auguſt’s von Sachſen mitwirken,<lb/>
die Mehrzahl war wirklich national geſinnt. Als General Sebaſtiani<lb/>
unter der Hand bei dem bairiſchen, dem württembergiſchen Geſandten<lb/>
und dem Karlsruher Hofe anfragte, ob nicht ein neuer Rheinbund oder<lb/>
doch eine Neutralität Süddeutſchlands möglich ſei, da ward er überall ſcharf<lb/>
abgewieſen, und die kleinen Höfe berichteten das Geſchehene getreulich<lb/>
den deutſchen Großmächten.<noteplace="foot"n="*)">K. Ludwig v. Baiern an K. Friedrich Wilhelm 17. März 1831. Otterſtedt’s<lb/>
Bericht, 12. December 1830. Arnim’s Bericht, Karlsruhe 8. Januar 1831.</note> König Ludwig von Baiern war in dieſer<lb/>
Zeit, da die Zollverhandlungen ſich ſo glücklich abgewickelt hatten, Feuer<lb/>
und Flamme für Preußen und verſicherte dem Könige Friedrich Wilhelm,<lb/>
als er ſeinen Sohn auf die Berliner Hochſchule ſendete, wiederholt: ſein<lb/>
Thronfolger ſolle dort ſich mit denſelben Geſinnungen für Preußen er-<lb/>
füllen, „die mich durchdringen, für Preußen, was mehrmalen Baiern<lb/>
meinem Hauſe erhielt, der ich nur in engem Verbande mit Preußen<lb/>
Teutſchlands Heil ſehe“.<noteplace="foot"n="**)">K. Ludwig v. Baiern an K. Friedrich Wilhelm 30. Sept., 2. Nov. 1830.</note> Auch der König von Württemberg hatte mit<lb/>
den Trias-Träumen früherer Jahre gründlich gebrochen; die hohle Rhe-<lb/>
torik der Liberalen widerte ſeinen nüchternen Geiſt mehr und mehr an.<lb/>
Als er im Juni 1831 mit Ludwig Philipp in Straßburg zuſammentraf,<lb/>
verhielt er ſich ſehr ſchweigſam und ſagte ſchließlich dem Franzoſen rund<lb/>
heraus, an einen neuen Rheinbund ſei gar nicht zu denken.<noteplace="foot"n="***)">Berichte Salviati’s 27. Juni, Otterſtedt’s 21. 26. Juni 1831.</note></p><lb/><p>Dieſe achtungswerthe Geſinnung der kleinen Höfe hinderte freilich<lb/>
nicht, daß jeder durchgreifende Bundesbeſchluß, nach altem Frankfurter<lb/>
Brauche, auf eigenſinnigen Widerſpruch ſtieß. Am 18. Sept. 1830 ver-<lb/>ſammelte Münch, im Einverſtändniß mit Nagler, die Bundesgeſandten<lb/><fwplace="bottom"type="sig">14*</fw><lb/></p></div></div></body></text></TEI>
[211/0225]
Frankreich und die deutſchen Höfe.
zugleich und verwundet. An dem Tage, da der König von Preußen in
ſeinem Staate die Reichsſtandſchaft begründet, wird der geſetzliche Deutſche
wieder aufathmen; er hat die Verſicherung, daß bei der Freiheitsent-
wickelung Geſetz wohnen werde, daß unſeren Dynaſtien ihre Ehre ver-
bleibe, daß aber auch fortan die Bundesverſammlung in ihre Berech-
nungen die leitenden Ideen aufnehmen und allmählich dem Grundgeſetze
einverleiben werde, welche das gute heimiſche Recht ſicher ſtellen vor jeder
verderblichen Einwirkung, ſei’s von Oſten oder von Weſten.“ —
Für ſolche Pläne einer Verjüngung des Bundestags fehlten für
jetzt noch alle Vorbedingungen. Preußens Bundespolitik ging, wie ſie
es mußte, zunächſt nur darauf aus, Deutſchlands innere und äußere
Sicherheit in ſo drangvoller Zeit zu befeſtigen. Dem Hofe des Palais
Royal gegenüber hielten ſich die kleinen deutſchen Cabinette alleſammt
untadelhaft, weit patriotiſcher als ihre liberalen Unterthanen. Bei einigen
mochte der Haß gegen die Revolution, bei anderen die noch friſche Er-
innerung an das Schickſal Friedrich Auguſt’s von Sachſen mitwirken,
die Mehrzahl war wirklich national geſinnt. Als General Sebaſtiani
unter der Hand bei dem bairiſchen, dem württembergiſchen Geſandten
und dem Karlsruher Hofe anfragte, ob nicht ein neuer Rheinbund oder
doch eine Neutralität Süddeutſchlands möglich ſei, da ward er überall ſcharf
abgewieſen, und die kleinen Höfe berichteten das Geſchehene getreulich
den deutſchen Großmächten. *) König Ludwig von Baiern war in dieſer
Zeit, da die Zollverhandlungen ſich ſo glücklich abgewickelt hatten, Feuer
und Flamme für Preußen und verſicherte dem Könige Friedrich Wilhelm,
als er ſeinen Sohn auf die Berliner Hochſchule ſendete, wiederholt: ſein
Thronfolger ſolle dort ſich mit denſelben Geſinnungen für Preußen er-
füllen, „die mich durchdringen, für Preußen, was mehrmalen Baiern
meinem Hauſe erhielt, der ich nur in engem Verbande mit Preußen
Teutſchlands Heil ſehe“. **) Auch der König von Württemberg hatte mit
den Trias-Träumen früherer Jahre gründlich gebrochen; die hohle Rhe-
torik der Liberalen widerte ſeinen nüchternen Geiſt mehr und mehr an.
Als er im Juni 1831 mit Ludwig Philipp in Straßburg zuſammentraf,
verhielt er ſich ſehr ſchweigſam und ſagte ſchließlich dem Franzoſen rund
heraus, an einen neuen Rheinbund ſei gar nicht zu denken. ***)
Dieſe achtungswerthe Geſinnung der kleinen Höfe hinderte freilich
nicht, daß jeder durchgreifende Bundesbeſchluß, nach altem Frankfurter
Brauche, auf eigenſinnigen Widerſpruch ſtieß. Am 18. Sept. 1830 ver-
ſammelte Münch, im Einverſtändniß mit Nagler, die Bundesgeſandten
*) K. Ludwig v. Baiern an K. Friedrich Wilhelm 17. März 1831. Otterſtedt’s
Bericht, 12. December 1830. Arnim’s Bericht, Karlsruhe 8. Januar 1831.
**) K. Ludwig v. Baiern an K. Friedrich Wilhelm 30. Sept., 2. Nov. 1830.
***) Berichte Salviati’s 27. Juni, Otterſtedt’s 21. 26. Juni 1831.
14*
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Treitschke, Heinrich von: Deutsche Geschichte im neunzehnten Jahrhundert. Bd. 4: Bis zum Tode König Friedrich Wilhelms III. Leipzig, 1889, S. 211. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/treitschke_geschichte04_1889/225>, abgerufen am 26.11.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.