rarischer Widersacher entgegengetreten war, und als der Pariser Messager (Februar 1831) ihn einen Führer der preußischen Linken nannte, hielt er sich verpflichtet öffentlich ein Zeugniß abzulegen für die königliche Gesin- nung der Preußen. "Ihre Ausdrücke: rechte und linke Seite, linkes und rechtes Centrum -- so antwortete er -- sind unsern Verhältnissen völlig fremd. Wir haben seit dem Tilsiter Frieden reißende Fortschritte gemacht, und das ohne Revolution, ohne Kammern, ja selbst ohne Preßfreiheit; aber immer das Volk mit dem König und der König mit dem Volk. Müßte man nun nicht seiner gesunden Sinne beraubt sein, um zu wähnen, wir würden von nun an besser vorwärts kommen mit einer Revolution? Darum bin ich auch meinestheils sehr sicher, immer auf der Seite des Königs zu sein, wenn ich auf der Seite der einsichtsvollen Männer des Volkes bin." Das liberale Pariser Blatt unterschlug diese Erwiderung, und als sie dann in einer Berliner Zeitung erschien, da schimpfte die süddeutsche liberale Presse auf die Knechtsgesinnung des preußischen Hof- pfaffen, der die unwissende Anmaßung der Franzosen so würdig zurück- gewiesen hatte.
Zum Schrecken Metternich's wurde nunmehr auch Wilhelm Humboldt in den Staatsrath zurück berufen. Eben in den Tagen da die ersten Schreckensnachrichten aus Paris eintrafen, hatte er das neue Museum der öffentlichen Benutzung übergeben. Der König zeigte sich hoch er- freut über die sinnige Auswahl der Gemälde, über die schönen, von Rauch meisterhaft restaurirten antiken Bildwerke, und er beschloß auf Hum- boldt's Vorschlag, die Erweiterung der Sammlungen nicht einem Manne, sondern einer Commission von Künstlern anzuvertrauen. Sein dank- bares Herz drängte ihn aber auch, das alte Unrecht aus den Karlsbader Tagen zu sühnen, zumal da der Kronprinz und Witzleben sich des Ge- kränkten eifrig annahmen. Politisch bedeutete diese Ernennung jetzt nur noch wenig. Humboldt lebte der Welt entfremdet; immer wieder klangen ihm die Worte durch den Sinn, die ihm einst seine Gattin in Sorrent zugerufen:
Was in Liebe war verbunden, Treu in Liebe ward erfunden, Findet sich im Weltenall.
Seine Gedanken galten dem dunklen Jenseits, das er sich doch, wie alle großen Köpfe, mit dem Diesseits fest verknüpft dachte, und da er in dem mäch- tigen Gewebe der Geschichte die Personen und die allgemeinen Ereignisse als Zettel und Einschlag, die Personen aber als die entscheidende Macht ansah, so kam ihm schließlich Alles darauf an, welche geistigen Kräfte der Mensch aus dieser Welt mit sich fortnehme: "ich kann es nicht für gleich- giltig halten, ob man vor dem Dahingehen zur wahren Klarheit des im Leben in Ideen Erstrebten gelangt oder nicht." Diese Hoffnung auf die Ewigkeit des Schauens und Erkennens nahm seine Seele ganz ein; was
IV. 3. Preußens Mittelſtellung.
rariſcher Widerſacher entgegengetreten war, und als der Pariſer Meſſager (Februar 1831) ihn einen Führer der preußiſchen Linken nannte, hielt er ſich verpflichtet öffentlich ein Zeugniß abzulegen für die königliche Geſin- nung der Preußen. „Ihre Ausdrücke: rechte und linke Seite, linkes und rechtes Centrum — ſo antwortete er — ſind unſern Verhältniſſen völlig fremd. Wir haben ſeit dem Tilſiter Frieden reißende Fortſchritte gemacht, und das ohne Revolution, ohne Kammern, ja ſelbſt ohne Preßfreiheit; aber immer das Volk mit dem König und der König mit dem Volk. Müßte man nun nicht ſeiner geſunden Sinne beraubt ſein, um zu wähnen, wir würden von nun an beſſer vorwärts kommen mit einer Revolution? Darum bin ich auch meinestheils ſehr ſicher, immer auf der Seite des Königs zu ſein, wenn ich auf der Seite der einſichtsvollen Männer des Volkes bin.“ Das liberale Pariſer Blatt unterſchlug dieſe Erwiderung, und als ſie dann in einer Berliner Zeitung erſchien, da ſchimpfte die ſüddeutſche liberale Preſſe auf die Knechtsgeſinnung des preußiſchen Hof- pfaffen, der die unwiſſende Anmaßung der Franzoſen ſo würdig zurück- gewieſen hatte.
Zum Schrecken Metternich’s wurde nunmehr auch Wilhelm Humboldt in den Staatsrath zurück berufen. Eben in den Tagen da die erſten Schreckensnachrichten aus Paris eintrafen, hatte er das neue Muſeum der öffentlichen Benutzung übergeben. Der König zeigte ſich hoch er- freut über die ſinnige Auswahl der Gemälde, über die ſchönen, von Rauch meiſterhaft reſtaurirten antiken Bildwerke, und er beſchloß auf Hum- boldt’s Vorſchlag, die Erweiterung der Sammlungen nicht einem Manne, ſondern einer Commiſſion von Künſtlern anzuvertrauen. Sein dank- bares Herz drängte ihn aber auch, das alte Unrecht aus den Karlsbader Tagen zu ſühnen, zumal da der Kronprinz und Witzleben ſich des Ge- kränkten eifrig annahmen. Politiſch bedeutete dieſe Ernennung jetzt nur noch wenig. Humboldt lebte der Welt entfremdet; immer wieder klangen ihm die Worte durch den Sinn, die ihm einſt ſeine Gattin in Sorrent zugerufen:
Was in Liebe war verbunden, Treu in Liebe ward erfunden, Findet ſich im Weltenall.
Seine Gedanken galten dem dunklen Jenſeits, das er ſich doch, wie alle großen Köpfe, mit dem Dieſſeits feſt verknüpft dachte, und da er in dem mäch- tigen Gewebe der Geſchichte die Perſonen und die allgemeinen Ereigniſſe als Zettel und Einſchlag, die Perſonen aber als die entſcheidende Macht anſah, ſo kam ihm ſchließlich Alles darauf an, welche geiſtigen Kräfte der Menſch aus dieſer Welt mit ſich fortnehme: „ich kann es nicht für gleich- giltig halten, ob man vor dem Dahingehen zur wahren Klarheit des im Leben in Ideen Erſtrebten gelangt oder nicht.“ Dieſe Hoffnung auf die Ewigkeit des Schauens und Erkennens nahm ſeine Seele ganz ein; was
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[194/0208]
IV. 3. Preußens Mittelſtellung.
rariſcher Widerſacher entgegengetreten war, und als der Pariſer Meſſager
(Februar 1831) ihn einen Führer der preußiſchen Linken nannte, hielt er
ſich verpflichtet öffentlich ein Zeugniß abzulegen für die königliche Geſin-
nung der Preußen. „Ihre Ausdrücke: rechte und linke Seite, linkes und
rechtes Centrum — ſo antwortete er — ſind unſern Verhältniſſen völlig
fremd. Wir haben ſeit dem Tilſiter Frieden reißende Fortſchritte gemacht,
und das ohne Revolution, ohne Kammern, ja ſelbſt ohne Preßfreiheit;
aber immer das Volk mit dem König und der König mit dem Volk.
Müßte man nun nicht ſeiner geſunden Sinne beraubt ſein, um zu wähnen,
wir würden von nun an beſſer vorwärts kommen mit einer Revolution?
Darum bin ich auch meinestheils ſehr ſicher, immer auf der Seite des
Königs zu ſein, wenn ich auf der Seite der einſichtsvollen Männer des
Volkes bin.“ Das liberale Pariſer Blatt unterſchlug dieſe Erwiderung,
und als ſie dann in einer Berliner Zeitung erſchien, da ſchimpfte die
ſüddeutſche liberale Preſſe auf die Knechtsgeſinnung des preußiſchen Hof-
pfaffen, der die unwiſſende Anmaßung der Franzoſen ſo würdig zurück-
gewieſen hatte.
Zum Schrecken Metternich’s wurde nunmehr auch Wilhelm Humboldt
in den Staatsrath zurück berufen. Eben in den Tagen da die erſten
Schreckensnachrichten aus Paris eintrafen, hatte er das neue Muſeum
der öffentlichen Benutzung übergeben. Der König zeigte ſich hoch er-
freut über die ſinnige Auswahl der Gemälde, über die ſchönen, von Rauch
meiſterhaft reſtaurirten antiken Bildwerke, und er beſchloß auf Hum-
boldt’s Vorſchlag, die Erweiterung der Sammlungen nicht einem Manne,
ſondern einer Commiſſion von Künſtlern anzuvertrauen. Sein dank-
bares Herz drängte ihn aber auch, das alte Unrecht aus den Karlsbader
Tagen zu ſühnen, zumal da der Kronprinz und Witzleben ſich des Ge-
kränkten eifrig annahmen. Politiſch bedeutete dieſe Ernennung jetzt nur
noch wenig. Humboldt lebte der Welt entfremdet; immer wieder klangen
ihm die Worte durch den Sinn, die ihm einſt ſeine Gattin in Sorrent
zugerufen:
Was in Liebe war verbunden,
Treu in Liebe ward erfunden,
Findet ſich im Weltenall.
Seine Gedanken galten dem dunklen Jenſeits, das er ſich doch, wie alle
großen Köpfe, mit dem Dieſſeits feſt verknüpft dachte, und da er in dem mäch-
tigen Gewebe der Geſchichte die Perſonen und die allgemeinen Ereigniſſe
als Zettel und Einſchlag, die Perſonen aber als die entſcheidende Macht
anſah, ſo kam ihm ſchließlich Alles darauf an, welche geiſtigen Kräfte der
Menſch aus dieſer Welt mit ſich fortnehme: „ich kann es nicht für gleich-
giltig halten, ob man vor dem Dahingehen zur wahren Klarheit des im
Leben in Ideen Erſtrebten gelangt oder nicht.“ Dieſe Hoffnung auf die
Ewigkeit des Schauens und Erkennens nahm ſeine Seele ganz ein; was
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Treitschke, Heinrich von: Deutsche Geschichte im neunzehnten Jahrhundert. Bd. 4: Bis zum Tode König Friedrich Wilhelms III. Leipzig, 1889, S. 194. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/treitschke_geschichte04_1889/208>, abgerufen am 23.07.2024.
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