Bei ausländischen Kritikern, freundlichen und feindseligen, hat der ganze Ton meines Buchs Befremden erregt, und ich konnte nichts anders erwarten. Ich schreibe für Deutsche. Es mag noch viel Wasser unseren Rhein hinabfließen, bis die Fremden uns erlauben, von unserem Vater- lande mit demselben Stolze zu reden, der die nationalen Geschichtswerke der Engländer und Franzosen von jeher ausgezeichnet hat. Einmal doch wird man sich im Auslande an die Gesinnungen des neuen Deutschlands gewöhnen müssen.
Dieser Band schildert im Eingang mehrere rühmliche Erfolge, am Schlusse zwei verhängnißvolle Fehler der preußischen Politik. Gleichwohl wird der Leser, wie ich hoffe, die Erkenntniß gewinnen, daß zu Ende des Jahrzehnts die Wirrniß der deutschen Dinge sich zu lichten beginnt: Preußen tritt fortan ganz in den Vordergrund der vaterländischen Ge- schichte, sein Thun und Lassen bestimmt die Schicksale der Nation.
Berlin, 30. November 1889.
Heinrich von Treitschke.
Vorwort.
Bei ausländiſchen Kritikern, freundlichen und feindſeligen, hat der ganze Ton meines Buchs Befremden erregt, und ich konnte nichts anders erwarten. Ich ſchreibe für Deutſche. Es mag noch viel Waſſer unſeren Rhein hinabfließen, bis die Fremden uns erlauben, von unſerem Vater- lande mit demſelben Stolze zu reden, der die nationalen Geſchichtswerke der Engländer und Franzoſen von jeher ausgezeichnet hat. Einmal doch wird man ſich im Auslande an die Geſinnungen des neuen Deutſchlands gewöhnen müſſen.
Dieſer Band ſchildert im Eingang mehrere rühmliche Erfolge, am Schluſſe zwei verhängnißvolle Fehler der preußiſchen Politik. Gleichwohl wird der Leſer, wie ich hoffe, die Erkenntniß gewinnen, daß zu Ende des Jahrzehnts die Wirrniß der deutſchen Dinge ſich zu lichten beginnt: Preußen tritt fortan ganz in den Vordergrund der vaterländiſchen Ge- ſchichte, ſein Thun und Laſſen beſtimmt die Schickſale der Nation.
Berlin, 30. November 1889.
Heinrich von Treitſchke.
<TEI><text><body><divn="1"><pbfacs="#f0012"n="VI"/><fwplace="top"type="header">Vorwort.</fw><lb/><p>Bei ausländiſchen Kritikern, freundlichen und feindſeligen, hat der<lb/>
ganze Ton meines Buchs Befremden erregt, und ich konnte nichts anders<lb/>
erwarten. Ich ſchreibe für Deutſche. Es mag noch viel Waſſer unſeren<lb/>
Rhein hinabfließen, bis die Fremden uns erlauben, von unſerem Vater-<lb/>
lande mit demſelben Stolze zu reden, der die nationalen Geſchichtswerke<lb/>
der Engländer und Franzoſen von jeher ausgezeichnet hat. Einmal doch<lb/>
wird man ſich im Auslande an die Geſinnungen des neuen Deutſchlands<lb/>
gewöhnen müſſen.</p><lb/><p>Dieſer Band ſchildert im Eingang mehrere rühmliche Erfolge, am<lb/>
Schluſſe zwei verhängnißvolle Fehler der preußiſchen Politik. Gleichwohl<lb/>
wird der Leſer, wie ich hoffe, die Erkenntniß gewinnen, daß zu Ende des<lb/>
Jahrzehnts die Wirrniß der deutſchen Dinge ſich zu lichten beginnt:<lb/>
Preußen tritt fortan ganz in den Vordergrund der vaterländiſchen Ge-<lb/>ſchichte, ſein Thun und Laſſen beſtimmt die Schickſale der Nation.</p><lb/><p><hirendition="#g">Berlin</hi>, 30. November 1889.</p><lb/><p><hirendition="#et"><hirendition="#b">Heinrich von Treitſchke.</hi></hi></p></div><lb/></body></text></TEI>
[VI/0012]
Vorwort.
Bei ausländiſchen Kritikern, freundlichen und feindſeligen, hat der
ganze Ton meines Buchs Befremden erregt, und ich konnte nichts anders
erwarten. Ich ſchreibe für Deutſche. Es mag noch viel Waſſer unſeren
Rhein hinabfließen, bis die Fremden uns erlauben, von unſerem Vater-
lande mit demſelben Stolze zu reden, der die nationalen Geſchichtswerke
der Engländer und Franzoſen von jeher ausgezeichnet hat. Einmal doch
wird man ſich im Auslande an die Geſinnungen des neuen Deutſchlands
gewöhnen müſſen.
Dieſer Band ſchildert im Eingang mehrere rühmliche Erfolge, am
Schluſſe zwei verhängnißvolle Fehler der preußiſchen Politik. Gleichwohl
wird der Leſer, wie ich hoffe, die Erkenntniß gewinnen, daß zu Ende des
Jahrzehnts die Wirrniß der deutſchen Dinge ſich zu lichten beginnt:
Preußen tritt fortan ganz in den Vordergrund der vaterländiſchen Ge-
ſchichte, ſein Thun und Laſſen beſtimmt die Schickſale der Nation.
Berlin, 30. November 1889.
Heinrich von Treitſchke.
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Treitschke, Heinrich von: Deutsche Geschichte im neunzehnten Jahrhundert. Bd. 4: Bis zum Tode König Friedrich Wilhelms III. Leipzig, 1889, S. VI. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/treitschke_geschichte04_1889/12>, abgerufen am 24.11.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.