daß er den Versicherungen des General Bey Glauben geschenkt habe und nunmehr auf Frieden hoffe. Dann schloß er: "in diesem Sinne wird der General Bey die Gefälligkeit haben, meinen alten und großherzigen Freund den König von Preußen zu benachrichtigen und ihm zugleich mit- theilen, daß ich mich ausdrücklich nach dem Zustande seiner kostbaren Ge- sundheit erkundigt habe."*)
In Adrianopel geriethen die Verhandlungen, als sie fast dem Ab- schluß nahe schienen, nach orientalischem Herkommen plötzlich ins Stocken. Da ließ Diebitsch seine Truppen einige Bewegungen unternehmen und drohte gegen Stambul aufzubrechen, falls man bis zum 13. September nicht im Reinen sei. Die Pforte erschrak und lud die Gesandten von England, Frankreich, Preußen zu einer Berathung ein; der k. k. Inter- nuntius wurde kaum noch beachtet, ihm hatte Müffling ins Gesicht ge- sagt, Oesterreich habe durch seine doppelte Sprache jedes Vertrauen in Petersburg verloren. Auf die Bitte des Sultans entschloß sich dann Royer "als Nachfolger Müffling's", wie Machmud sagte, selber nach Adrianopel zu gehen; dort bewog er am 14. Sept. die türkischen Bevoll- mächtigten zur Unterzeichnung des Friedens.**) Die russischen Offiziere umringten den Preußen im Lager, sprachen dem Könige ihre Dankbarkeit und Ehrfurcht aus. Mit gutem Grunde; die älteren mindestens wußten, daß Preußen sie aus einer peinlichen Verlegenheit errettet hatte.
Die Bedingungen des Friedens entsprachen dem dauernden Macht- verhältniß der Kriegführenden; denn hätte man die Waffen wieder auf- genommen, so wäre zwar Diebitsch's Heer vielleicht zu Grunde gegangen, aber der Czar verfügte noch über eine Reserve-Armee, der Sultan nicht, ein dritter Waffengang konnte also nach menschlichem Ermessen den Türken nur neue Niederlagen und einen härteren Frieden bringen. Ueber das Maß der wirklichen militärischen Vortheile, welche der Sieger augenblick- lich errungen hatte, gingen die Bestimmungen des Vertrags von Adria- nopel allerdings weit hinaus. Rußland erlangte die vollständige Erfül- lung der Verträge von Bukarest und Akkerman mit einigen wesentlichen Verschärfungen, sodann mehrere Grenzplätze am Kaukasus und die freie Schifffahrt durch die Dardanellenstraße, endlich eine Kriegsentschädigung, die, obwohl nachher auf 7 Mill. Ducaten herabgesetzt, noch immer schwer genug blieb, um die Pforte vom Petersburger Hofe abhängig zu machen. Es war ein großer Schritt vorwärts zu der unausbleiblichen Vernichtung der Türkenherrschaft in Europa. Die Donaufürstenthümer erhielten lebens- längliche Hospodare und eigene Truppen, sie wurden von den Türken gänzlich geräumt und standen, da sie nur noch einen Tribut an die Pforte zu zahlen
*) Rede des Sultans in der Audienz vom 3. Sept. 1829, von Müffling auf- gezeichnet.
**) Ministerialschreiben an Maltzahn, 3. Okt. 1829.
Friede von Adrianopel.
daß er den Verſicherungen des General Bey Glauben geſchenkt habe und nunmehr auf Frieden hoffe. Dann ſchloß er: „in dieſem Sinne wird der General Bey die Gefälligkeit haben, meinen alten und großherzigen Freund den König von Preußen zu benachrichtigen und ihm zugleich mit- theilen, daß ich mich ausdrücklich nach dem Zuſtande ſeiner koſtbaren Ge- ſundheit erkundigt habe.“*)
In Adrianopel geriethen die Verhandlungen, als ſie faſt dem Ab- ſchluß nahe ſchienen, nach orientaliſchem Herkommen plötzlich ins Stocken. Da ließ Diebitſch ſeine Truppen einige Bewegungen unternehmen und drohte gegen Stambul aufzubrechen, falls man bis zum 13. September nicht im Reinen ſei. Die Pforte erſchrak und lud die Geſandten von England, Frankreich, Preußen zu einer Berathung ein; der k. k. Inter- nuntius wurde kaum noch beachtet, ihm hatte Müffling ins Geſicht ge- ſagt, Oeſterreich habe durch ſeine doppelte Sprache jedes Vertrauen in Petersburg verloren. Auf die Bitte des Sultans entſchloß ſich dann Royer „als Nachfolger Müffling’s“, wie Machmud ſagte, ſelber nach Adrianopel zu gehen; dort bewog er am 14. Sept. die türkiſchen Bevoll- mächtigten zur Unterzeichnung des Friedens.**) Die ruſſiſchen Offiziere umringten den Preußen im Lager, ſprachen dem Könige ihre Dankbarkeit und Ehrfurcht aus. Mit gutem Grunde; die älteren mindeſtens wußten, daß Preußen ſie aus einer peinlichen Verlegenheit errettet hatte.
Die Bedingungen des Friedens entſprachen dem dauernden Macht- verhältniß der Kriegführenden; denn hätte man die Waffen wieder auf- genommen, ſo wäre zwar Diebitſch’s Heer vielleicht zu Grunde gegangen, aber der Czar verfügte noch über eine Reſerve-Armee, der Sultan nicht, ein dritter Waffengang konnte alſo nach menſchlichem Ermeſſen den Türken nur neue Niederlagen und einen härteren Frieden bringen. Ueber das Maß der wirklichen militäriſchen Vortheile, welche der Sieger augenblick- lich errungen hatte, gingen die Beſtimmungen des Vertrags von Adria- nopel allerdings weit hinaus. Rußland erlangte die vollſtändige Erfül- lung der Verträge von Bukareſt und Akkerman mit einigen weſentlichen Verſchärfungen, ſodann mehrere Grenzplätze am Kaukaſus und die freie Schifffahrt durch die Dardanellenſtraße, endlich eine Kriegsentſchädigung, die, obwohl nachher auf 7 Mill. Ducaten herabgeſetzt, noch immer ſchwer genug blieb, um die Pforte vom Petersburger Hofe abhängig zu machen. Es war ein großer Schritt vorwärts zu der unausbleiblichen Vernichtung der Türkenherrſchaft in Europa. Die Donaufürſtenthümer erhielten lebens- längliche Hospodare und eigene Truppen, ſie wurden von den Türken gänzlich geräumt und ſtanden, da ſie nur noch einen Tribut an die Pforte zu zahlen
*) Rede des Sultans in der Audienz vom 3. Sept. 1829, von Müffling auf- gezeichnet.
**) Miniſterialſchreiben an Maltzahn, 3. Okt. 1829.
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Friede von Adrianopel.
daß er den Verſicherungen des General Bey Glauben geſchenkt habe und
nunmehr auf Frieden hoffe. Dann ſchloß er: „in dieſem Sinne wird
der General Bey die Gefälligkeit haben, meinen alten und großherzigen
Freund den König von Preußen zu benachrichtigen und ihm zugleich mit-
theilen, daß ich mich ausdrücklich nach dem Zuſtande ſeiner koſtbaren Ge-
ſundheit erkundigt habe.“ *)
In Adrianopel geriethen die Verhandlungen, als ſie faſt dem Ab-
ſchluß nahe ſchienen, nach orientaliſchem Herkommen plötzlich ins Stocken.
Da ließ Diebitſch ſeine Truppen einige Bewegungen unternehmen und
drohte gegen Stambul aufzubrechen, falls man bis zum 13. September
nicht im Reinen ſei. Die Pforte erſchrak und lud die Geſandten von
England, Frankreich, Preußen zu einer Berathung ein; der k. k. Inter-
nuntius wurde kaum noch beachtet, ihm hatte Müffling ins Geſicht ge-
ſagt, Oeſterreich habe durch ſeine doppelte Sprache jedes Vertrauen in
Petersburg verloren. Auf die Bitte des Sultans entſchloß ſich dann
Royer „als Nachfolger Müffling’s“, wie Machmud ſagte, ſelber nach
Adrianopel zu gehen; dort bewog er am 14. Sept. die türkiſchen Bevoll-
mächtigten zur Unterzeichnung des Friedens. **) Die ruſſiſchen Offiziere
umringten den Preußen im Lager, ſprachen dem Könige ihre Dankbarkeit
und Ehrfurcht aus. Mit gutem Grunde; die älteren mindeſtens wußten,
daß Preußen ſie aus einer peinlichen Verlegenheit errettet hatte.
Die Bedingungen des Friedens entſprachen dem dauernden Macht-
verhältniß der Kriegführenden; denn hätte man die Waffen wieder auf-
genommen, ſo wäre zwar Diebitſch’s Heer vielleicht zu Grunde gegangen,
aber der Czar verfügte noch über eine Reſerve-Armee, der Sultan nicht,
ein dritter Waffengang konnte alſo nach menſchlichem Ermeſſen den Türken
nur neue Niederlagen und einen härteren Frieden bringen. Ueber das
Maß der wirklichen militäriſchen Vortheile, welche der Sieger augenblick-
lich errungen hatte, gingen die Beſtimmungen des Vertrags von Adria-
nopel allerdings weit hinaus. Rußland erlangte die vollſtändige Erfül-
lung der Verträge von Bukareſt und Akkerman mit einigen weſentlichen
Verſchärfungen, ſodann mehrere Grenzplätze am Kaukaſus und die freie
Schifffahrt durch die Dardanellenſtraße, endlich eine Kriegsentſchädigung,
die, obwohl nachher auf 7 Mill. Ducaten herabgeſetzt, noch immer ſchwer
genug blieb, um die Pforte vom Petersburger Hofe abhängig zu machen.
Es war ein großer Schritt vorwärts zu der unausbleiblichen Vernichtung
der Türkenherrſchaft in Europa. Die Donaufürſtenthümer erhielten lebens-
längliche Hospodare und eigene Truppen, ſie wurden von den Türken gänzlich
geräumt und ſtanden, da ſie nur noch einen Tribut an die Pforte zu zahlen
*) Rede des Sultans in der Audienz vom 3. Sept. 1829, von Müffling auf-
gezeichnet.
**) Miniſterialſchreiben an Maltzahn, 3. Okt. 1829.
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Treitschke, Heinrich von: Deutsche Geschichte im neunzehnten Jahrhundert. Bd. 3: Bis zur Juli-Revolution. Leipzig, 1885, S. 745. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/treitschke_geschichte03_1885/761>, abgerufen am 25.11.2024.
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