bleiben würde als die ganze Idee des Mitteldeutschen Vereins."*) Darauf verwies das Auswärtige Amt dem Gesandten in Dresden, daß er das anmaßende sächsische Schriftstück angenommen habe, und begnügte sich die Beschuldigungen der Denkschrift kurz zu widerlegen.
Unterdessen arbeitete Hannover heimlich an einem Vereine der Küsten- staaten. Am 27. März 1830 kam zu allgemeiner Ueberraschung der Eimbecker Vertrag zu Stande, ein Werk Grote's, die Grundlage des spä- teren norddeutschen Steuervereins. Hannover, Oldenburg, Braunschweig und Kurhessen verpflichteten sich, innerhalb des mitteldeutschen Vereins einen Zollverein mit gemeinschaftlichen niedrigen Zöllen zu bilden. Vor- derhand war Alles freilich noch Entwurf. Daß die Küstenstaaten sich zusammenthaten, erschien nicht ganz unnatürlich; Motz selbst urtheilte mild über den Eimbecker Vertrag. Hannover war nun einmal unfrei der englischen Handelspolitik gegenüber; auch bestand damals weit ver- breitet und festgewurzelt die Meinung, daß die Volkswirthschaft der Nord- seeküste von den preußischen Zuständen sehr weit abweiche -- ein Vor- urtheil, das erst nach zwei Jahrzehnten überwunden wurde. Um so mehr mußte die Theilnahme des Binnenlandes Kurhessen befremden. Die Luft ward schwül in dem unglücklichen Lande. Die Reichenbach befürchtete einen Aufstand; irgend etwas, stellte sie dem Kurfürsten vor, müsse ge- schehen, um das mißhandelte Volk zu beschwichtigen.**) Da nun der Kurfürst nicht mit Preußen gehen wollte, so schloß er den Eimbecker Ver- trag, der mindestens an der hannoverschen Grenze Erleichterungen ver- sprach. --
Das war die Lage der deutschen Volkswirthschaft, als die Juli- revolution herein brach, das alte System in den Hauptstaaten des Mittel- deutschen Handelsvereins über den Haufen warf und also dem Vereine den letzten Stoß gab.
Motz selber sollte den vollständigen Sieg seiner Ideen nicht erleben; er starb, erst vierundfünfzigjährig, am 30. Juni 1830. Er nahm ins Grab die feste Zuversicht, daß Preußens Handelspolitik die eingeschlagenen Bahnen nicht mehr verlassen könne; "mein eigenes Departement macht mir am wenigsten Sorge," sagte er oft in seinen letzten Tagen. Wie gänzlich hatte sich Preußens deutsche Machtstellung verändert in den fünf Jahren, seit dieser Mann den Staatshaushalt leitete! Die ausländische Presse selbst, die sonst so gleichgiltig an den deutschen Dingen vorüber- ging, fing schon an aufzumerken. Wenn diese Staaten, schrieb der Con- stitutionel, schon die Einheit ihrer Handelsinteressen erkennen, so werden sie auch bald entdecken, daß sie dieselben politischen Interessen haben, und
*) Motz an Eichhorn, 29. Nov. 1820.
**) So erzählt Blittersdorff 16. Mai 1830, übereinstimmend mit Maltzan's Be- richten.
III. 8. Der Zollkrieg und die erſten Zollvereine.
bleiben würde als die ganze Idee des Mitteldeutſchen Vereins.“*) Darauf verwies das Auswärtige Amt dem Geſandten in Dresden, daß er das anmaßende ſächſiſche Schriftſtück angenommen habe, und begnügte ſich die Beſchuldigungen der Denkſchrift kurz zu widerlegen.
Unterdeſſen arbeitete Hannover heimlich an einem Vereine der Küſten- ſtaaten. Am 27. März 1830 kam zu allgemeiner Ueberraſchung der Eimbecker Vertrag zu Stande, ein Werk Grote’s, die Grundlage des ſpä- teren norddeutſchen Steuervereins. Hannover, Oldenburg, Braunſchweig und Kurheſſen verpflichteten ſich, innerhalb des mitteldeutſchen Vereins einen Zollverein mit gemeinſchaftlichen niedrigen Zöllen zu bilden. Vor- derhand war Alles freilich noch Entwurf. Daß die Küſtenſtaaten ſich zuſammenthaten, erſchien nicht ganz unnatürlich; Motz ſelbſt urtheilte mild über den Eimbecker Vertrag. Hannover war nun einmal unfrei der engliſchen Handelspolitik gegenüber; auch beſtand damals weit ver- breitet und feſtgewurzelt die Meinung, daß die Volkswirthſchaft der Nord- ſeeküſte von den preußiſchen Zuſtänden ſehr weit abweiche — ein Vor- urtheil, das erſt nach zwei Jahrzehnten überwunden wurde. Um ſo mehr mußte die Theilnahme des Binnenlandes Kurheſſen befremden. Die Luft ward ſchwül in dem unglücklichen Lande. Die Reichenbach befürchtete einen Aufſtand; irgend etwas, ſtellte ſie dem Kurfürſten vor, müſſe ge- ſchehen, um das mißhandelte Volk zu beſchwichtigen.**) Da nun der Kurfürſt nicht mit Preußen gehen wollte, ſo ſchloß er den Eimbecker Ver- trag, der mindeſtens an der hannoverſchen Grenze Erleichterungen ver- ſprach. —
Das war die Lage der deutſchen Volkswirthſchaft, als die Juli- revolution herein brach, das alte Syſtem in den Hauptſtaaten des Mittel- deutſchen Handelsvereins über den Haufen warf und alſo dem Vereine den letzten Stoß gab.
Motz ſelber ſollte den vollſtändigen Sieg ſeiner Ideen nicht erleben; er ſtarb, erſt vierundfünfzigjährig, am 30. Juni 1830. Er nahm ins Grab die feſte Zuverſicht, daß Preußens Handelspolitik die eingeſchlagenen Bahnen nicht mehr verlaſſen könne; „mein eigenes Departement macht mir am wenigſten Sorge,“ ſagte er oft in ſeinen letzten Tagen. Wie gänzlich hatte ſich Preußens deutſche Machtſtellung verändert in den fünf Jahren, ſeit dieſer Mann den Staatshaushalt leitete! Die ausländiſche Preſſe ſelbſt, die ſonſt ſo gleichgiltig an den deutſchen Dingen vorüber- ging, fing ſchon an aufzumerken. Wenn dieſe Staaten, ſchrieb der Con- ſtitutionel, ſchon die Einheit ihrer Handelsintereſſen erkennen, ſo werden ſie auch bald entdecken, daß ſie dieſelben politiſchen Intereſſen haben, und
*) Motz an Eichhorn, 29. Nov. 1820.
**) So erzählt Blittersdorff 16. Mai 1830, übereinſtimmend mit Maltzan’s Be- richten.
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III. 8. Der Zollkrieg und die erſten Zollvereine.
bleiben würde als die ganze Idee des Mitteldeutſchen Vereins.“ *) Darauf
verwies das Auswärtige Amt dem Geſandten in Dresden, daß er das
anmaßende ſächſiſche Schriftſtück angenommen habe, und begnügte ſich die
Beſchuldigungen der Denkſchrift kurz zu widerlegen.
Unterdeſſen arbeitete Hannover heimlich an einem Vereine der Küſten-
ſtaaten. Am 27. März 1830 kam zu allgemeiner Ueberraſchung der
Eimbecker Vertrag zu Stande, ein Werk Grote’s, die Grundlage des ſpä-
teren norddeutſchen Steuervereins. Hannover, Oldenburg, Braunſchweig
und Kurheſſen verpflichteten ſich, innerhalb des mitteldeutſchen Vereins
einen Zollverein mit gemeinſchaftlichen niedrigen Zöllen zu bilden. Vor-
derhand war Alles freilich noch Entwurf. Daß die Küſtenſtaaten ſich
zuſammenthaten, erſchien nicht ganz unnatürlich; Motz ſelbſt urtheilte
mild über den Eimbecker Vertrag. Hannover war nun einmal unfrei
der engliſchen Handelspolitik gegenüber; auch beſtand damals weit ver-
breitet und feſtgewurzelt die Meinung, daß die Volkswirthſchaft der Nord-
ſeeküſte von den preußiſchen Zuſtänden ſehr weit abweiche — ein Vor-
urtheil, das erſt nach zwei Jahrzehnten überwunden wurde. Um ſo mehr
mußte die Theilnahme des Binnenlandes Kurheſſen befremden. Die
Luft ward ſchwül in dem unglücklichen Lande. Die Reichenbach befürchtete
einen Aufſtand; irgend etwas, ſtellte ſie dem Kurfürſten vor, müſſe ge-
ſchehen, um das mißhandelte Volk zu beſchwichtigen. **) Da nun der
Kurfürſt nicht mit Preußen gehen wollte, ſo ſchloß er den Eimbecker Ver-
trag, der mindeſtens an der hannoverſchen Grenze Erleichterungen ver-
ſprach. —
Das war die Lage der deutſchen Volkswirthſchaft, als die Juli-
revolution herein brach, das alte Syſtem in den Hauptſtaaten des Mittel-
deutſchen Handelsvereins über den Haufen warf und alſo dem Vereine
den letzten Stoß gab.
Motz ſelber ſollte den vollſtändigen Sieg ſeiner Ideen nicht erleben;
er ſtarb, erſt vierundfünfzigjährig, am 30. Juni 1830. Er nahm ins
Grab die feſte Zuverſicht, daß Preußens Handelspolitik die eingeſchlagenen
Bahnen nicht mehr verlaſſen könne; „mein eigenes Departement macht
mir am wenigſten Sorge,“ ſagte er oft in ſeinen letzten Tagen. Wie
gänzlich hatte ſich Preußens deutſche Machtſtellung verändert in den fünf
Jahren, ſeit dieſer Mann den Staatshaushalt leitete! Die ausländiſche
Preſſe ſelbſt, die ſonſt ſo gleichgiltig an den deutſchen Dingen vorüber-
ging, fing ſchon an aufzumerken. Wenn dieſe Staaten, ſchrieb der Con-
ſtitutionel, ſchon die Einheit ihrer Handelsintereſſen erkennen, ſo werden
ſie auch bald entdecken, daß ſie dieſelben politiſchen Intereſſen haben, und
*) Motz an Eichhorn, 29. Nov. 1820.
**) So erzählt Blittersdorff 16. Mai 1830, übereinſtimmend mit Maltzan’s Be-
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Treitschke, Heinrich von: Deutsche Geschichte im neunzehnten Jahrhundert. Bd. 3: Bis zur Juli-Revolution. Leipzig, 1885, S. 680. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/treitschke_geschichte03_1885/696>, abgerufen am 25.11.2024.
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