gethan, um den Art. 19 der Bundesakte auszuführen und uns also den Preußen in die Hände geliefert.*)
Nunmehr nahm Preußen den Handschuh auf. Der Berliner Hof hatte den ersten Verhandlungen der mitteldeutschen Staaten mit der ge- wohnten ruhigen Zurückhaltung zugesehen. Ein sächsisch-thüringischer Ver- ein war unschädlich; erst durch Hannovers Zutritt gewann der Verein eine gefährliche Ausdehnung. Man wollte in Berlin nicht glauben, daß dies nahe befreundete Cabinet, dem Preußen soeben jene neuen Straßenzüge und Handelserleichterungen angeboten hatte, einem gegen Preußen gerich- teten Bunde sich anschließen werde. Da trat Hannover zu den Verbün- deten über, während Bernstorff noch eine freundliche Antwort auf sein Anerbieten erwartete. Sofort verschwand jeder Zweifel über den Cha- rakter des Vereins. Motz in seiner feurig kühnen Weise forderte sogleich, daß man die Gegner als Gegner behandle, und erklärte: "Sollte dieser Verein zu Stande kommen, so ist Preußen in der Lage, sein Zollsystem für abgeschlossen zu halten, und keineswegs in der Lage, diesen neutralen Verein seiner Absicht gemäß unter imponirenden Bedingungen aufzu- nehmen."**)
Obgleich bisher nur dürftige Nachrichten über die Pläne des Vereins eingelaufen waren, so errieth der Finanzminister doch auf den ersten Blick, daß die Zerstörung des preußischen Durchfuhrhandels in der Absicht der Verbündeten liege. Deshalb, fuhr er fort, muß der Transit fortan mehr als bisher im Lande gehalten, der Straßenbau rüstig gefördert, nament- lich die Chaussirung der wichtigen Straße von Magdeburg nach Zeitz rasch vollendet werden. Die nach Hannover gerichteten Anerbietungen sind als nicht geschehen zu betrachten. Noch entschiedener spricht er in einem Schreiben an Bernstorff "Es ist gewiß ein bemerkenswerthes Zeichen der Zeit, daß in der Mitte und vorzugsweise im Norden Deutschlands, im Schooße des Deutschen Bundes und dennoch unter der Fahne Oester- reichs, für den ostensibeln Zweck einer angeblichen Vervollkommnung der Verhältnisse dieses Bundes eine Coalition sich bildet, welche Preußen von ihren Plänen und Berathungen ausschließt und auf alle Weise zu er- kennen giebt, nicht nur, daß sie eine Ausführung und Erweiterung all- gemeiner Bundesmaximen auch ohne Preußens Theilnahme für möglich hält, sondern auch, daß Preußen eben als störendes Princip jener Aus- führung und Erweiterung zu betrachten, und deshalb die Aufstellung einer förmlichen Oppositionsmasse gegen dasselbe anräthlich sei." Darum dürfen
*) Blittersdorff's Berichte, 2. März, 20. Mai 1829.
**) Motz und Schuckmann an das Auswärtige Amt, 22. Mai 1828.
Preußen nimmt den Kampf auf.
gethan, um den Art. 19 der Bundesakte auszuführen und uns alſo den Preußen in die Hände geliefert.*)
Nunmehr nahm Preußen den Handſchuh auf. Der Berliner Hof hatte den erſten Verhandlungen der mitteldeutſchen Staaten mit der ge- wohnten ruhigen Zurückhaltung zugeſehen. Ein ſächſiſch-thüringiſcher Ver- ein war unſchädlich; erſt durch Hannovers Zutritt gewann der Verein eine gefährliche Ausdehnung. Man wollte in Berlin nicht glauben, daß dies nahe befreundete Cabinet, dem Preußen ſoeben jene neuen Straßenzüge und Handelserleichterungen angeboten hatte, einem gegen Preußen gerich- teten Bunde ſich anſchließen werde. Da trat Hannover zu den Verbün- deten über, während Bernſtorff noch eine freundliche Antwort auf ſein Anerbieten erwartete. Sofort verſchwand jeder Zweifel über den Cha- rakter des Vereins. Motz in ſeiner feurig kühnen Weiſe forderte ſogleich, daß man die Gegner als Gegner behandle, und erklärte: „Sollte dieſer Verein zu Stande kommen, ſo iſt Preußen in der Lage, ſein Zollſyſtem für abgeſchloſſen zu halten, und keineswegs in der Lage, dieſen neutralen Verein ſeiner Abſicht gemäß unter imponirenden Bedingungen aufzu- nehmen.“**)
Obgleich bisher nur dürftige Nachrichten über die Pläne des Vereins eingelaufen waren, ſo errieth der Finanzminiſter doch auf den erſten Blick, daß die Zerſtörung des preußiſchen Durchfuhrhandels in der Abſicht der Verbündeten liege. Deshalb, fuhr er fort, muß der Tranſit fortan mehr als bisher im Lande gehalten, der Straßenbau rüſtig gefördert, nament- lich die Chauſſirung der wichtigen Straße von Magdeburg nach Zeitz raſch vollendet werden. Die nach Hannover gerichteten Anerbietungen ſind als nicht geſchehen zu betrachten. Noch entſchiedener ſpricht er in einem Schreiben an Bernſtorff „Es iſt gewiß ein bemerkenswerthes Zeichen der Zeit, daß in der Mitte und vorzugsweiſe im Norden Deutſchlands, im Schooße des Deutſchen Bundes und dennoch unter der Fahne Oeſter- reichs, für den oſtenſibeln Zweck einer angeblichen Vervollkommnung der Verhältniſſe dieſes Bundes eine Coalition ſich bildet, welche Preußen von ihren Plänen und Berathungen ausſchließt und auf alle Weiſe zu er- kennen giebt, nicht nur, daß ſie eine Ausführung und Erweiterung all- gemeiner Bundesmaximen auch ohne Preußens Theilnahme für möglich hält, ſondern auch, daß Preußen eben als ſtörendes Princip jener Aus- führung und Erweiterung zu betrachten, und deshalb die Aufſtellung einer förmlichen Oppoſitionsmaſſe gegen daſſelbe anräthlich ſei.“ Darum dürfen
*) Blittersdorff’s Berichte, 2. März, 20. Mai 1829.
**) Motz und Schuckmann an das Auswärtige Amt, 22. Mai 1828.
<TEI><text><body><divn="1"><divn="2"><p><pbfacs="#f0677"n="661"/><fwplace="top"type="header">Preußen nimmt den Kampf auf.</fw><lb/>
gethan, um den Art. 19 der Bundesakte auszuführen und uns alſo den<lb/>
Preußen in die Hände geliefert.<noteplace="foot"n="*)">Blittersdorff’s Berichte, 2. März, 20. Mai 1829.</note></p><lb/><milestonerendition="#hr"unit="section"/><p>Nunmehr nahm Preußen den Handſchuh auf. Der Berliner Hof<lb/>
hatte den erſten Verhandlungen der mitteldeutſchen Staaten mit der ge-<lb/>
wohnten ruhigen Zurückhaltung zugeſehen. Ein ſächſiſch-thüringiſcher Ver-<lb/>
ein war unſchädlich; erſt durch Hannovers Zutritt gewann der Verein<lb/>
eine gefährliche Ausdehnung. Man wollte in Berlin nicht glauben, daß<lb/>
dies nahe befreundete Cabinet, dem Preußen ſoeben jene neuen Straßenzüge<lb/>
und Handelserleichterungen angeboten hatte, einem gegen Preußen gerich-<lb/>
teten Bunde ſich anſchließen werde. Da trat Hannover zu den Verbün-<lb/>
deten über, während Bernſtorff noch eine freundliche Antwort auf ſein<lb/>
Anerbieten erwartete. Sofort verſchwand jeder Zweifel über den Cha-<lb/>
rakter des Vereins. Motz in ſeiner feurig kühnen Weiſe forderte ſogleich,<lb/>
daß man die Gegner als Gegner behandle, und erklärte: „Sollte dieſer<lb/>
Verein zu Stande kommen, ſo iſt Preußen in der Lage, ſein Zollſyſtem<lb/>
für abgeſchloſſen zu halten, und keineswegs in der Lage, dieſen neutralen<lb/>
Verein ſeiner Abſicht gemäß unter imponirenden Bedingungen aufzu-<lb/>
nehmen.“<noteplace="foot"n="**)">Motz und Schuckmann an das Auswärtige Amt, 22. Mai 1828.</note></p><lb/><p>Obgleich bisher nur dürftige Nachrichten über die Pläne des Vereins<lb/>
eingelaufen waren, ſo errieth der Finanzminiſter doch auf den erſten Blick,<lb/>
daß die Zerſtörung des preußiſchen Durchfuhrhandels in der Abſicht der<lb/>
Verbündeten liege. Deshalb, fuhr er fort, muß der Tranſit fortan mehr<lb/>
als bisher im Lande gehalten, der Straßenbau rüſtig gefördert, nament-<lb/>
lich die Chauſſirung der wichtigen Straße von Magdeburg nach Zeitz<lb/>
raſch vollendet werden. Die nach Hannover gerichteten Anerbietungen<lb/>ſind als nicht geſchehen zu betrachten. Noch entſchiedener ſpricht er in<lb/>
einem Schreiben an Bernſtorff „Es iſt gewiß ein bemerkenswerthes Zeichen<lb/>
der Zeit, daß in der Mitte und vorzugsweiſe im Norden Deutſchlands,<lb/>
im Schooße des Deutſchen Bundes und dennoch unter der Fahne Oeſter-<lb/>
reichs, für den oſtenſibeln Zweck einer angeblichen Vervollkommnung der<lb/>
Verhältniſſe dieſes Bundes eine Coalition ſich bildet, welche Preußen von<lb/>
ihren Plänen und Berathungen ausſchließt und auf alle Weiſe zu er-<lb/>
kennen giebt, nicht nur, daß ſie eine Ausführung und Erweiterung all-<lb/>
gemeiner Bundesmaximen auch ohne Preußens Theilnahme für möglich<lb/>
hält, ſondern auch, daß Preußen eben als ſtörendes Princip jener Aus-<lb/>
führung und Erweiterung zu betrachten, und deshalb die Aufſtellung einer<lb/>
förmlichen Oppoſitionsmaſſe gegen daſſelbe anräthlich ſei.“ Darum dürfen<lb/></p></div></div></body></text></TEI>
[661/0677]
Preußen nimmt den Kampf auf.
gethan, um den Art. 19 der Bundesakte auszuführen und uns alſo den
Preußen in die Hände geliefert. *)
Nunmehr nahm Preußen den Handſchuh auf. Der Berliner Hof
hatte den erſten Verhandlungen der mitteldeutſchen Staaten mit der ge-
wohnten ruhigen Zurückhaltung zugeſehen. Ein ſächſiſch-thüringiſcher Ver-
ein war unſchädlich; erſt durch Hannovers Zutritt gewann der Verein
eine gefährliche Ausdehnung. Man wollte in Berlin nicht glauben, daß
dies nahe befreundete Cabinet, dem Preußen ſoeben jene neuen Straßenzüge
und Handelserleichterungen angeboten hatte, einem gegen Preußen gerich-
teten Bunde ſich anſchließen werde. Da trat Hannover zu den Verbün-
deten über, während Bernſtorff noch eine freundliche Antwort auf ſein
Anerbieten erwartete. Sofort verſchwand jeder Zweifel über den Cha-
rakter des Vereins. Motz in ſeiner feurig kühnen Weiſe forderte ſogleich,
daß man die Gegner als Gegner behandle, und erklärte: „Sollte dieſer
Verein zu Stande kommen, ſo iſt Preußen in der Lage, ſein Zollſyſtem
für abgeſchloſſen zu halten, und keineswegs in der Lage, dieſen neutralen
Verein ſeiner Abſicht gemäß unter imponirenden Bedingungen aufzu-
nehmen.“ **)
Obgleich bisher nur dürftige Nachrichten über die Pläne des Vereins
eingelaufen waren, ſo errieth der Finanzminiſter doch auf den erſten Blick,
daß die Zerſtörung des preußiſchen Durchfuhrhandels in der Abſicht der
Verbündeten liege. Deshalb, fuhr er fort, muß der Tranſit fortan mehr
als bisher im Lande gehalten, der Straßenbau rüſtig gefördert, nament-
lich die Chauſſirung der wichtigen Straße von Magdeburg nach Zeitz
raſch vollendet werden. Die nach Hannover gerichteten Anerbietungen
ſind als nicht geſchehen zu betrachten. Noch entſchiedener ſpricht er in
einem Schreiben an Bernſtorff „Es iſt gewiß ein bemerkenswerthes Zeichen
der Zeit, daß in der Mitte und vorzugsweiſe im Norden Deutſchlands,
im Schooße des Deutſchen Bundes und dennoch unter der Fahne Oeſter-
reichs, für den oſtenſibeln Zweck einer angeblichen Vervollkommnung der
Verhältniſſe dieſes Bundes eine Coalition ſich bildet, welche Preußen von
ihren Plänen und Berathungen ausſchließt und auf alle Weiſe zu er-
kennen giebt, nicht nur, daß ſie eine Ausführung und Erweiterung all-
gemeiner Bundesmaximen auch ohne Preußens Theilnahme für möglich
hält, ſondern auch, daß Preußen eben als ſtörendes Princip jener Aus-
führung und Erweiterung zu betrachten, und deshalb die Aufſtellung einer
förmlichen Oppoſitionsmaſſe gegen daſſelbe anräthlich ſei.“ Darum dürfen
*) Blittersdorff’s Berichte, 2. März, 20. Mai 1829.
**) Motz und Schuckmann an das Auswärtige Amt, 22. Mai 1828.
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Treitschke, Heinrich von: Deutsche Geschichte im neunzehnten Jahrhundert. Bd. 3: Bis zur Juli-Revolution. Leipzig, 1885, S. 661. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/treitschke_geschichte03_1885/677>, abgerufen am 22.11.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.