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Treitschke, Heinrich von: Deutsche Geschichte im neunzehnten Jahrhundert. Bd. 3: Bis zur Juli-Revolution. Leipzig, 1885.

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Motz's Zollvereinspläne.
Mainlinie zusammenhingen, ließ sich eine Erweiterung des Zollsystems
über die kleinen Enclaven hinaus nicht absehen.

Erst durch Motz wurde der Bannkreis dieser norddeutschen Ideen durch-
brochen. Hierin und in der Beseitigung des Deficits, die eine Handels-
politik großen Stiles erst ermöglichte, liegt sein bleibendes Verdienst. Er
zuerst unter den preußischen Staatsmännern verfiel auf die Frage: ob
nicht in dem wunderlichen Durcheinander unserer Kleinstaaterei der Um-
weg vielleicht rascher zum Ziele führe als die gerade Linie? ob man nicht
die Nachbarn, die nicht zu überzeugen waren, vielmehr umgehen und um-
klammern müsse? Der kühne Spieler kam mit seinen Bauern auf dem
Brette nicht vorwärts und ließ darum die Springer vorgehen. Er faßte
sich das Herz, sobald eine günstige Stunde kam, über Kurhessen und die
anderen unmittelbaren Nachbarn hinweg den süddeutschen Staaten die
Hand zu reichen. In einer Zeit, da die amtliche deutsche Welt den
ewigen Bund zwischen Oesterreich und Preußen für ein unverbrüch-
liches Gesetz ansah, ging er gradeswegs auf das Ziel los, das gesammte
Deutschland mit Ausschluß Oesterreichs durch das unzertrennliche Band
wirthschaftlicher Interessen unter der Führung Preußens für immer zu
vereinigen und also die Befreiung von der Herrschaft des Hauses Loth-
ringen vorzubereiten. Sobald dieser Entschluß fest stand, war das Eis
gebrochen. Der steile Weg war betreten, der die Handelspolitik Preußens
rasch von Erfolg zu Erfolg führen sollte.

Der Schlüssel zum Verständniß dieser segensreichen Wendung unserer
Geschicke liegt in dem verkümmerten Stillleben der norddeutschen Klein-
staaten. --


Motz’s Zollvereinspläne.
Mainlinie zuſammenhingen, ließ ſich eine Erweiterung des Zollſyſtems
über die kleinen Enclaven hinaus nicht abſehen.

Erſt durch Motz wurde der Bannkreis dieſer norddeutſchen Ideen durch-
brochen. Hierin und in der Beſeitigung des Deficits, die eine Handels-
politik großen Stiles erſt ermöglichte, liegt ſein bleibendes Verdienſt. Er
zuerſt unter den preußiſchen Staatsmännern verfiel auf die Frage: ob
nicht in dem wunderlichen Durcheinander unſerer Kleinſtaaterei der Um-
weg vielleicht raſcher zum Ziele führe als die gerade Linie? ob man nicht
die Nachbarn, die nicht zu überzeugen waren, vielmehr umgehen und um-
klammern müſſe? Der kühne Spieler kam mit ſeinen Bauern auf dem
Brette nicht vorwärts und ließ darum die Springer vorgehen. Er faßte
ſich das Herz, ſobald eine günſtige Stunde kam, über Kurheſſen und die
anderen unmittelbaren Nachbarn hinweg den ſüddeutſchen Staaten die
Hand zu reichen. In einer Zeit, da die amtliche deutſche Welt den
ewigen Bund zwiſchen Oeſterreich und Preußen für ein unverbrüch-
liches Geſetz anſah, ging er gradeswegs auf das Ziel los, das geſammte
Deutſchland mit Ausſchluß Oeſterreichs durch das unzertrennliche Band
wirthſchaftlicher Intereſſen unter der Führung Preußens für immer zu
vereinigen und alſo die Befreiung von der Herrſchaft des Hauſes Loth-
ringen vorzubereiten. Sobald dieſer Entſchluß feſt ſtand, war das Eis
gebrochen. Der ſteile Weg war betreten, der die Handelspolitik Preußens
raſch von Erfolg zu Erfolg führen ſollte.

Der Schlüſſel zum Verſtändniß dieſer ſegensreichen Wendung unſerer
Geſchicke liegt in dem verkümmerten Stillleben der norddeutſchen Klein-
ſtaaten. —


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[485/0501] Motz’s Zollvereinspläne. Mainlinie zuſammenhingen, ließ ſich eine Erweiterung des Zollſyſtems über die kleinen Enclaven hinaus nicht abſehen. Erſt durch Motz wurde der Bannkreis dieſer norddeutſchen Ideen durch- brochen. Hierin und in der Beſeitigung des Deficits, die eine Handels- politik großen Stiles erſt ermöglichte, liegt ſein bleibendes Verdienſt. Er zuerſt unter den preußiſchen Staatsmännern verfiel auf die Frage: ob nicht in dem wunderlichen Durcheinander unſerer Kleinſtaaterei der Um- weg vielleicht raſcher zum Ziele führe als die gerade Linie? ob man nicht die Nachbarn, die nicht zu überzeugen waren, vielmehr umgehen und um- klammern müſſe? Der kühne Spieler kam mit ſeinen Bauern auf dem Brette nicht vorwärts und ließ darum die Springer vorgehen. Er faßte ſich das Herz, ſobald eine günſtige Stunde kam, über Kurheſſen und die anderen unmittelbaren Nachbarn hinweg den ſüddeutſchen Staaten die Hand zu reichen. In einer Zeit, da die amtliche deutſche Welt den ewigen Bund zwiſchen Oeſterreich und Preußen für ein unverbrüch- liches Geſetz anſah, ging er gradeswegs auf das Ziel los, das geſammte Deutſchland mit Ausſchluß Oeſterreichs durch das unzertrennliche Band wirthſchaftlicher Intereſſen unter der Führung Preußens für immer zu vereinigen und alſo die Befreiung von der Herrſchaft des Hauſes Loth- ringen vorzubereiten. Sobald dieſer Entſchluß feſt ſtand, war das Eis gebrochen. Der ſteile Weg war betreten, der die Handelspolitik Preußens raſch von Erfolg zu Erfolg führen ſollte. Der Schlüſſel zum Verſtändniß dieſer ſegensreichen Wendung unſerer Geſchicke liegt in dem verkümmerten Stillleben der norddeutſchen Klein- ſtaaten. —

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Zitationshilfe: Treitschke, Heinrich von: Deutsche Geschichte im neunzehnten Jahrhundert. Bd. 3: Bis zur Juli-Revolution. Leipzig, 1885, S. 485. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/treitschke_geschichte03_1885/501>, abgerufen am 22.11.2024.