der von L. Kühne entworfene Bericht, werden die Grundsätze der Finanz- verwaltung bleiben: "Sparsamkeit und Ordnung in den gewöhnlichen Aus- gaben; Bereithaltung der Kräfte, welche der Friede gewährt hat, für die Zeit des ersten Krieges; Aufrechterhaltung des Credits durch Pünktlich- keit; Verwendung eines Theiles der Ueberschüsse als werbendes Capital für die Zukunft für den Gewerbfleiß."*) --
Seitdem war Motz der Achtung des Königs sicher. Bei Hofe be- trachtete man ihn als einen Emporkömmling, da sein altes hessisches Adelsgeschlecht im preußischen Dienste neu war. Die Partei Wittgenstein's witterte bald den Liberalismus des Ministers heraus; Lottum aber und die anderen Anhänger der unbedingten Sparsamkeit tadelten seinen Leicht- sinn, weil er mit den steigenden Einnahmen auch das knappe Ausgaben- Budget allmählich, um etwa 900,000 Thlr., erhöhte. Wagten sich solche Vorwürfe aus dem Dunkel heraus, dann rechtfertigte er sich stets frei- müthig vor dem Könige selbst, denn ohne das Vertrauen des Monarchen könne der Finanzminister als Aufseher der gesammten inneren Verwaltung nicht bestehen.**)
Die Verkehrspolitik lag jetzt ganz in seiner Hand. Das bisher vom Grafen Bülow verwaltete Handelsministerium war seit 1825 aufgehoben, und mit Beuth, dem Chef der neugegründeten Ministerialabtheilung für Handel, Gewerbe und Bauwesen, stand Motz auf dem besten Fuße. Wie fühlte er sich glücklich, mit diesem genialen Techniker zusammenzuarbeiten, der so sicher wußte, daß eine völlig verwandelte Zeit, eine neue Epoche der Entdeckungen und Erfindungen gekommen sei, und so zukunftsfroh auf dem Strome dieses großen Jahrhunderts daherschwamm. "Nicht nach Rittern oder Pfaffen oder Räubern steht mein Sinn: -- schrieb Beuth einmal in seiner lustigen Weise -- nach den Spinnern, nach den Webern, die erfindungsreich erschaffen, im Genuß von Millionen, auf den Hügeln ihres Landes Villen bauen, Künste üben, gastfrei sind." Zu dieser Höhe des Schaffens und des Genießens, die er den Briten be- neidete, wollte er auch sein Deutschland aufsteigen sehen; doch bei aller Bewunderung für die himmelan ragenden "Obelisken" der englischen Fabrikstädte fühlte er sich stolz als Sohn einer menschlicheren, weither- zigeren, geistig freieren Nation und sprach mit überlegener Ironie von der unheilbaren Beschränktheit des Inselvolks. Die prosaische Unschönheit der modernen Großindustrie verletzte ihn kaum weniger als seinen Herzens- freund Schinkel, und als sie selbander 1826 England durchreisten, be- gegneten sich Beide in dem Gedanken: ihr Volk solle dereinst noch lernen den Stoff ebenso vollständig zu beherrschen wie die Briten, aber sich auch die Feinheit des Formensinnes, die Jenen fehlte, erringen.
*) Motz, Verwaltungsbericht des Finanzministeriums f. d. J. 1825--27, mit Begleitschreiben v. 30. Mai 1828.
**) Motz an Lottum, 13. März 1830.
Beſeitigung des Deficits. Beuth.
der von L. Kühne entworfene Bericht, werden die Grundſätze der Finanz- verwaltung bleiben: „Sparſamkeit und Ordnung in den gewöhnlichen Aus- gaben; Bereithaltung der Kräfte, welche der Friede gewährt hat, für die Zeit des erſten Krieges; Aufrechterhaltung des Credits durch Pünktlich- keit; Verwendung eines Theiles der Ueberſchüſſe als werbendes Capital für die Zukunft für den Gewerbfleiß.“*) —
Seitdem war Motz der Achtung des Königs ſicher. Bei Hofe be- trachtete man ihn als einen Emporkömmling, da ſein altes heſſiſches Adelsgeſchlecht im preußiſchen Dienſte neu war. Die Partei Wittgenſtein’s witterte bald den Liberalismus des Miniſters heraus; Lottum aber und die anderen Anhänger der unbedingten Sparſamkeit tadelten ſeinen Leicht- ſinn, weil er mit den ſteigenden Einnahmen auch das knappe Ausgaben- Budget allmählich, um etwa 900,000 Thlr., erhöhte. Wagten ſich ſolche Vorwürfe aus dem Dunkel heraus, dann rechtfertigte er ſich ſtets frei- müthig vor dem Könige ſelbſt, denn ohne das Vertrauen des Monarchen könne der Finanzminiſter als Aufſeher der geſammten inneren Verwaltung nicht beſtehen.**)
Die Verkehrspolitik lag jetzt ganz in ſeiner Hand. Das bisher vom Grafen Bülow verwaltete Handelsminiſterium war ſeit 1825 aufgehoben, und mit Beuth, dem Chef der neugegründeten Miniſterialabtheilung für Handel, Gewerbe und Bauweſen, ſtand Motz auf dem beſten Fuße. Wie fühlte er ſich glücklich, mit dieſem genialen Techniker zuſammenzuarbeiten, der ſo ſicher wußte, daß eine völlig verwandelte Zeit, eine neue Epoche der Entdeckungen und Erfindungen gekommen ſei, und ſo zukunftsfroh auf dem Strome dieſes großen Jahrhunderts daherſchwamm. „Nicht nach Rittern oder Pfaffen oder Räubern ſteht mein Sinn: — ſchrieb Beuth einmal in ſeiner luſtigen Weiſe — nach den Spinnern, nach den Webern, die erfindungsreich erſchaffen, im Genuß von Millionen, auf den Hügeln ihres Landes Villen bauen, Künſte üben, gaſtfrei ſind.“ Zu dieſer Höhe des Schaffens und des Genießens, die er den Briten be- neidete, wollte er auch ſein Deutſchland aufſteigen ſehen; doch bei aller Bewunderung für die himmelan ragenden „Obelisken“ der engliſchen Fabrikſtädte fühlte er ſich ſtolz als Sohn einer menſchlicheren, weither- zigeren, geiſtig freieren Nation und ſprach mit überlegener Ironie von der unheilbaren Beſchränktheit des Inſelvolks. Die proſaiſche Unſchönheit der modernen Großinduſtrie verletzte ihn kaum weniger als ſeinen Herzens- freund Schinkel, und als ſie ſelbander 1826 England durchreiſten, be- gegneten ſich Beide in dem Gedanken: ihr Volk ſolle dereinſt noch lernen den Stoff ebenſo vollſtändig zu beherrſchen wie die Briten, aber ſich auch die Feinheit des Formenſinnes, die Jenen fehlte, erringen.
*) Motz, Verwaltungsbericht des Finanzminiſteriums f. d. J. 1825—27, mit Begleitſchreiben v. 30. Mai 1828.
**) Motz an Lottum, 13. März 1830.
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Beſeitigung des Deficits. Beuth.
der von L. Kühne entworfene Bericht, werden die Grundſätze der Finanz-
verwaltung bleiben: „Sparſamkeit und Ordnung in den gewöhnlichen Aus-
gaben; Bereithaltung der Kräfte, welche der Friede gewährt hat, für die
Zeit des erſten Krieges; Aufrechterhaltung des Credits durch Pünktlich-
keit; Verwendung eines Theiles der Ueberſchüſſe als werbendes Capital
für die Zukunft für den Gewerbfleiß.“ *) —
Seitdem war Motz der Achtung des Königs ſicher. Bei Hofe be-
trachtete man ihn als einen Emporkömmling, da ſein altes heſſiſches
Adelsgeſchlecht im preußiſchen Dienſte neu war. Die Partei Wittgenſtein’s
witterte bald den Liberalismus des Miniſters heraus; Lottum aber und
die anderen Anhänger der unbedingten Sparſamkeit tadelten ſeinen Leicht-
ſinn, weil er mit den ſteigenden Einnahmen auch das knappe Ausgaben-
Budget allmählich, um etwa 900,000 Thlr., erhöhte. Wagten ſich ſolche
Vorwürfe aus dem Dunkel heraus, dann rechtfertigte er ſich ſtets frei-
müthig vor dem Könige ſelbſt, denn ohne das Vertrauen des Monarchen
könne der Finanzminiſter als Aufſeher der geſammten inneren Verwaltung
nicht beſtehen. **)
Die Verkehrspolitik lag jetzt ganz in ſeiner Hand. Das bisher vom
Grafen Bülow verwaltete Handelsminiſterium war ſeit 1825 aufgehoben,
und mit Beuth, dem Chef der neugegründeten Miniſterialabtheilung für
Handel, Gewerbe und Bauweſen, ſtand Motz auf dem beſten Fuße. Wie
fühlte er ſich glücklich, mit dieſem genialen Techniker zuſammenzuarbeiten,
der ſo ſicher wußte, daß eine völlig verwandelte Zeit, eine neue Epoche
der Entdeckungen und Erfindungen gekommen ſei, und ſo zukunftsfroh
auf dem Strome dieſes großen Jahrhunderts daherſchwamm. „Nicht
nach Rittern oder Pfaffen oder Räubern ſteht mein Sinn: — ſchrieb
Beuth einmal in ſeiner luſtigen Weiſe — nach den Spinnern, nach den
Webern, die erfindungsreich erſchaffen, im Genuß von Millionen, auf
den Hügeln ihres Landes Villen bauen, Künſte üben, gaſtfrei ſind.“ Zu
dieſer Höhe des Schaffens und des Genießens, die er den Briten be-
neidete, wollte er auch ſein Deutſchland aufſteigen ſehen; doch bei aller
Bewunderung für die himmelan ragenden „Obelisken“ der engliſchen
Fabrikſtädte fühlte er ſich ſtolz als Sohn einer menſchlicheren, weither-
zigeren, geiſtig freieren Nation und ſprach mit überlegener Ironie von
der unheilbaren Beſchränktheit des Inſelvolks. Die proſaiſche Unſchönheit
der modernen Großinduſtrie verletzte ihn kaum weniger als ſeinen Herzens-
freund Schinkel, und als ſie ſelbander 1826 England durchreiſten, be-
gegneten ſich Beide in dem Gedanken: ihr Volk ſolle dereinſt noch lernen
den Stoff ebenſo vollſtändig zu beherrſchen wie die Briten, aber ſich auch
die Feinheit des Formenſinnes, die Jenen fehlte, erringen.
*) Motz, Verwaltungsbericht des Finanzminiſteriums f. d. J. 1825—27, mit
Begleitſchreiben v. 30. Mai 1828.
**) Motz an Lottum, 13. März 1830.
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Treitschke, Heinrich von: Deutsche Geschichte im neunzehnten Jahrhundert. Bd. 3: Bis zur Juli-Revolution. Leipzig, 1885, S. 463. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/treitschke_geschichte03_1885/479>, abgerufen am 25.11.2024.
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