Treitschke, Heinrich von: Deutsche Geschichte im neunzehnten Jahrhundert. Bd. 3: Bis zur Juli-Revolution. Leipzig, 1885.Ausgang der spanischen Revolution. Sache "die ernsteste Aufmerksamkeit widmen".*) Desgleichen wünschteMetternich, dem französischen Feldherrn militärische Vertreter der großen Mächte beizugeben und die politische Leitung des Krieges der Pariser Ge- sandtenconferenz zu übertragen. Auch diesem Vorschlage widersprach Bern- storff, weil Frankreich eine solche Bevormundung nicht ertragen könne und die Mächte selber nicht einig seien. Auf die Bekämpfung Villele's, der in Metternich's Augen zu gemäßigt war, wollte der preußische Minister sich ebenso wenig einlassen; das heiße Frankreich beleidigen, erwiderte er. Der König billigte Bernstorff's Verfahren ausdrücklich und legte ihm nur ans Herz, sich in Nebenfragen nachgiebig zu zeigen, weil "an dem Einver- ständniß mit den Kaiserhöfen in der jetzigen Zeit Alles gelegen sei."**) Der spanische Feldzug verlief über alle Erwartung leicht; die be- Die wohlwollenden Absichten des Herzogs von Angouleme wurden als- *) Bernstorff's Weisungen an Hatzfeldt, 27. Mai; 3., 16. Juni; König Friedrich Wilhelm an K. Ferdinand v. Neapel, 10. Juni 1823. **) Bernstorff's Weisungen an Hatzfeldt, 15. Juli, 9. Aug.; Bericht an den König, 20. Aug.; Antwort des Königs, 24. Aug. 1823. 23*
Ausgang der ſpaniſchen Revolution. Sache „die ernſteſte Aufmerkſamkeit widmen“.*) Desgleichen wünſchteMetternich, dem franzöſiſchen Feldherrn militäriſche Vertreter der großen Mächte beizugeben und die politiſche Leitung des Krieges der Pariſer Ge- ſandtenconferenz zu übertragen. Auch dieſem Vorſchlage widerſprach Bern- ſtorff, weil Frankreich eine ſolche Bevormundung nicht ertragen könne und die Mächte ſelber nicht einig ſeien. Auf die Bekämpfung Villele’s, der in Metternich’s Augen zu gemäßigt war, wollte der preußiſche Miniſter ſich ebenſo wenig einlaſſen; das heiße Frankreich beleidigen, erwiderte er. Der König billigte Bernſtorff’s Verfahren ausdrücklich und legte ihm nur ans Herz, ſich in Nebenfragen nachgiebig zu zeigen, weil „an dem Einver- ſtändniß mit den Kaiſerhöfen in der jetzigen Zeit Alles gelegen ſei.“**) Der ſpaniſche Feldzug verlief über alle Erwartung leicht; die be- Die wohlwollenden Abſichten des Herzogs von Angouleme wurden als- *) Bernſtorff’s Weiſungen an Hatzfeldt, 27. Mai; 3., 16. Juni; König Friedrich Wilhelm an K. Ferdinand v. Neapel, 10. Juni 1823. **) Bernſtorff’s Weiſungen an Hatzfeldt, 15. Juli, 9. Aug.; Bericht an den König, 20. Aug.; Antwort des Königs, 24. Aug. 1823. 23*
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Ausgang der ſpaniſchen Revolution.
Sache „die ernſteſte Aufmerkſamkeit widmen“. *) Desgleichen wünſchte
Metternich, dem franzöſiſchen Feldherrn militäriſche Vertreter der großen
Mächte beizugeben und die politiſche Leitung des Krieges der Pariſer Ge-
ſandtenconferenz zu übertragen. Auch dieſem Vorſchlage widerſprach Bern-
ſtorff, weil Frankreich eine ſolche Bevormundung nicht ertragen könne und
die Mächte ſelber nicht einig ſeien. Auf die Bekämpfung Villele’s, der
in Metternich’s Augen zu gemäßigt war, wollte der preußiſche Miniſter
ſich ebenſo wenig einlaſſen; das heiße Frankreich beleidigen, erwiderte er.
Der König billigte Bernſtorff’s Verfahren ausdrücklich und legte ihm nur
ans Herz, ſich in Nebenfragen nachgiebig zu zeigen, weil „an dem Einver-
ſtändniß mit den Kaiſerhöfen in der jetzigen Zeit Alles gelegen ſei.“ **)
Der ſpaniſche Feldzug verlief über alle Erwartung leicht; die be-
fürchteten Meutereien im franzöſiſchen Heere blieben aus, da das un-
unterbrochene Kriegsglück die Mannszucht befeſtigte. Schon im Mai zog
der Herzog von Angouleme in Madrid ein, jauchzend begrüßt von dem
wetterwendiſchen Pöbel. Nach der Erſtürmung des Trocadero vor Cadiz,
der einzigen ernſtlichen Waffenthat dieſes militäriſchen Spaziergangs, un-
terwarf ſich das ganze Land, im November fiel Alicante, die letzte Feſte
der Revolution, und mit der ganzen Bilderpracht ſeiner Rhetorik konnte
Chateaubriand in Paris verkünden: ſo habe die weiße Fahne der Bour-
bonen in ſieben Monaten erreicht was der napoleoniſchen Tricolore in ſieben
Jahren nicht gelungen ſei. Noch ſchimpflicher ſogar als in Neapel ging
die Revolution in Spanien zu Grunde. Die nach Cadiz geflüchteten Cortes
beſchloſſen, hier auf der heiligen Stätte ſpaniſchen Ruhmes, noch ihre
eigene Auflöſung, gaben dem Könige ſeine abſolute Gewalt zurück, und der
Urheber der Bewegung, Riego endete unter Henkershand mit dem reuigen
Geſtändniß ſeiner revolutionären Blutſchuld auf den Lippen.
Die wohlwollenden Abſichten des Herzogs von Angouleme wurden als-
bald zu Schanden an dem Radicalismus, der jedem Kriege, zumal dem Bür-
gerkriege natürlich iſt. Sofort nach dem Einzug der Franzoſen erhob ſich
die reaktionäre Partei in raſender Wuth. Schon die Regentſchaft, welche
der Herzog eingeſetzt, verübte Gräuel, denen er vergeblich zu ſteuern ſuchte;
und als nun gar Ferdinand ſelber wieder die Zügel in die Hand nahm,
da wurde die heilig verſprochene Amneſtie nach bourboniſchem Brauche
ſofort zurückgenommen und es begann ein Schreckensregiment, wie es nur
in Spanien möglich war. Mit unbegreiflicher Argloſigkeit hatten die Ge-
ſandten der Oſtmächte, die den Charakter dieſes Bourbonen doch kennen
mußten, Alles aufgeboten um die königliche Gewalt ohne jede Bedingung
*) Bernſtorff’s Weiſungen an Hatzfeldt, 27. Mai; 3., 16. Juni; König Friedrich
Wilhelm an K. Ferdinand v. Neapel, 10. Juni 1823.
**) Bernſtorff’s Weiſungen an Hatzfeldt, 15. Juli, 9. Aug.; Bericht an den König,
20. Aug.; Antwort des Königs, 24. Aug. 1823.
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