Lepel gerichtet. Durch solche Erwägungen kleinfürstlicher Staatsweisheit kam die letzte Säule der Bundes-Opposition zu Falle.*) Mittlerweile war an die Stelle des verstorbenen Aretin Herr v. Pfeffel getreten, ein Deutsch- franzose, der, wenig vertraut mit der deutschen Sprache und Politik, sich einfach an Rechberg's Weisungen hielt. Hammerstein wurde durch eine scharfe Verwarnung des Grafen Münster zurechtgewiesen, Blittersdorff aber hatte längst seinen Frieden mit der Hofburg geschlossen.**)
Auch Wangenheim's wirthschaftlicher Sonderbund, die Darmstädter Conferenz, lag bereits im Sterben. Am 3. Juli 1823 erklärte du Thil den Austritt seines Großherzogs, weil Hessen außer Stande sei, die Ord- nung seines Zollwesens noch länger zu verschieben. Nassau folgte dem Beispiele. Darauf weigerte sich Baiern, ohne Darmstadt weiter zu ver- handeln; unter lebhaften gegenseitigen Anklagen ging der Congreß aus- einander, nach drei Jahren unerquicklichen Streites. Er scheiterte an der Unmöglichkeit, abweichende Interessen in engem Rahmen zusammenzuhalten. Doch auch die Ränke der Wiener Diplomatie und des preußischen Ge- sandten Otterstedt beschleunigten den Zusammenbruch. Dieser unruhige Pläneschmied schwärmte für Preußens "Präponderanz am Rheinstrome", wünschte lebhaft einen Zollverein zwischen dem preußischen Rheinland und den süddeutschen Staaten, wollte keinenfalls einen Bund der constitutio- nellen Mittelstaaten ohne Preußen dulden. Er ward nicht müde, diese unreifen Gedanken seinem Chef darzulegen. Da er von Eichhorn immer nur die Weisung erhielt, sich ruhig zu halten, so ging er endlich eigen- mächtig vor. Er warnte Marschall, was kaum nöthig war, schrieb an den Gesandten in Wien und stellte ihm vor, welche "Stratageme einer Opposition gegen die Allerhöchsten Monarchen" sich hinter dem Zollverein versteckten. Hatzfeldt schlug sofort in der Hofburg Lärm, und nun er- gingen von Wien aus nach München, Karlsruhe, Bieberich so dringende Warnungen, daß der längst von innen heraus gelockerte Sonderbund un- haltbar wurde und Berstett eingestand: die Darmstädter Conferenzen mußten erfolglos bleiben, "schon der Acteurs wegen und wegen der Neben- pläne, die man darin suchte."***) Lange nachher erst erhielt das Berliner Cabinet Kunde von dem Ungehorsam seines Gesandten. Der eitle Di- plomat hatte sich laut gerühmt, er habe den Darmstädter Bund gesprengt; da befahl der König den Thatbestand zu untersuchen. Otterstedt empfing einen scharfen Verweis und abermals die Mahnung, sich jeder Einmischung in diese Händel zu enthalten: es genüge den kleinen Höfen auszusprechen, daß Preußen bereit sei über die Erweiterung seines Zollsystems zu ver-
*) Metternich an Zichy, 10. April, an Graf Spiegel in Kassel, 31. Mai; Berichte von Blittersdorff, 21. März, von Hatzfeldt, 15. Sept. 1823.
**) Rechberg an Pfeffel, 19. Jan., Blittersdorff's Bericht, 8. April 1823.
***) Berstett an Blittersdorff, 25. Okt. 1824.
Münch-Bellinghauſen. Sprengung der Oppoſition.
Lepel gerichtet. Durch ſolche Erwägungen kleinfürſtlicher Staatsweisheit kam die letzte Säule der Bundes-Oppoſition zu Falle.*) Mittlerweile war an die Stelle des verſtorbenen Aretin Herr v. Pfeffel getreten, ein Deutſch- franzoſe, der, wenig vertraut mit der deutſchen Sprache und Politik, ſich einfach an Rechberg’s Weiſungen hielt. Hammerſtein wurde durch eine ſcharfe Verwarnung des Grafen Münſter zurechtgewieſen, Blittersdorff aber hatte längſt ſeinen Frieden mit der Hofburg geſchloſſen.**)
Auch Wangenheim’s wirthſchaftlicher Sonderbund, die Darmſtädter Conferenz, lag bereits im Sterben. Am 3. Juli 1823 erklärte du Thil den Austritt ſeines Großherzogs, weil Heſſen außer Stande ſei, die Ord- nung ſeines Zollweſens noch länger zu verſchieben. Naſſau folgte dem Beiſpiele. Darauf weigerte ſich Baiern, ohne Darmſtadt weiter zu ver- handeln; unter lebhaften gegenſeitigen Anklagen ging der Congreß aus- einander, nach drei Jahren unerquicklichen Streites. Er ſcheiterte an der Unmöglichkeit, abweichende Intereſſen in engem Rahmen zuſammenzuhalten. Doch auch die Ränke der Wiener Diplomatie und des preußiſchen Ge- ſandten Otterſtedt beſchleunigten den Zuſammenbruch. Dieſer unruhige Pläneſchmied ſchwärmte für Preußens „Präponderanz am Rheinſtrome“, wünſchte lebhaft einen Zollverein zwiſchen dem preußiſchen Rheinland und den ſüddeutſchen Staaten, wollte keinenfalls einen Bund der conſtitutio- nellen Mittelſtaaten ohne Preußen dulden. Er ward nicht müde, dieſe unreifen Gedanken ſeinem Chef darzulegen. Da er von Eichhorn immer nur die Weiſung erhielt, ſich ruhig zu halten, ſo ging er endlich eigen- mächtig vor. Er warnte Marſchall, was kaum nöthig war, ſchrieb an den Geſandten in Wien und ſtellte ihm vor, welche „Stratageme einer Oppoſition gegen die Allerhöchſten Monarchen“ ſich hinter dem Zollverein verſteckten. Hatzfeldt ſchlug ſofort in der Hofburg Lärm, und nun er- gingen von Wien aus nach München, Karlsruhe, Bieberich ſo dringende Warnungen, daß der längſt von innen heraus gelockerte Sonderbund un- haltbar wurde und Berſtett eingeſtand: die Darmſtädter Conferenzen mußten erfolglos bleiben, „ſchon der Acteurs wegen und wegen der Neben- pläne, die man darin ſuchte.“***) Lange nachher erſt erhielt das Berliner Cabinet Kunde von dem Ungehorſam ſeines Geſandten. Der eitle Di- plomat hatte ſich laut gerühmt, er habe den Darmſtädter Bund geſprengt; da befahl der König den Thatbeſtand zu unterſuchen. Otterſtedt empfing einen ſcharfen Verweis und abermals die Mahnung, ſich jeder Einmiſchung in dieſe Händel zu enthalten: es genüge den kleinen Höfen auszuſprechen, daß Preußen bereit ſei über die Erweiterung ſeines Zollſyſtems zu ver-
*) Metternich an Zichy, 10. April, an Graf Spiegel in Kaſſel, 31. Mai; Berichte von Blittersdorff, 21. März, von Hatzfeldt, 15. Sept. 1823.
**) Rechberg an Pfeffel, 19. Jan., Blittersdorff’s Bericht, 8. April 1823.
***) Berſtett an Blittersdorff, 25. Okt. 1824.
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Münch-Bellinghauſen. Sprengung der Oppoſition.
Lepel gerichtet. Durch ſolche Erwägungen kleinfürſtlicher Staatsweisheit
kam die letzte Säule der Bundes-Oppoſition zu Falle. *) Mittlerweile war
an die Stelle des verſtorbenen Aretin Herr v. Pfeffel getreten, ein Deutſch-
franzoſe, der, wenig vertraut mit der deutſchen Sprache und Politik, ſich
einfach an Rechberg’s Weiſungen hielt. Hammerſtein wurde durch eine
ſcharfe Verwarnung des Grafen Münſter zurechtgewieſen, Blittersdorff
aber hatte längſt ſeinen Frieden mit der Hofburg geſchloſſen. **)
Auch Wangenheim’s wirthſchaftlicher Sonderbund, die Darmſtädter
Conferenz, lag bereits im Sterben. Am 3. Juli 1823 erklärte du Thil
den Austritt ſeines Großherzogs, weil Heſſen außer Stande ſei, die Ord-
nung ſeines Zollweſens noch länger zu verſchieben. Naſſau folgte dem
Beiſpiele. Darauf weigerte ſich Baiern, ohne Darmſtadt weiter zu ver-
handeln; unter lebhaften gegenſeitigen Anklagen ging der Congreß aus-
einander, nach drei Jahren unerquicklichen Streites. Er ſcheiterte an der
Unmöglichkeit, abweichende Intereſſen in engem Rahmen zuſammenzuhalten.
Doch auch die Ränke der Wiener Diplomatie und des preußiſchen Ge-
ſandten Otterſtedt beſchleunigten den Zuſammenbruch. Dieſer unruhige
Pläneſchmied ſchwärmte für Preußens „Präponderanz am Rheinſtrome“,
wünſchte lebhaft einen Zollverein zwiſchen dem preußiſchen Rheinland und
den ſüddeutſchen Staaten, wollte keinenfalls einen Bund der conſtitutio-
nellen Mittelſtaaten ohne Preußen dulden. Er ward nicht müde, dieſe
unreifen Gedanken ſeinem Chef darzulegen. Da er von Eichhorn immer
nur die Weiſung erhielt, ſich ruhig zu halten, ſo ging er endlich eigen-
mächtig vor. Er warnte Marſchall, was kaum nöthig war, ſchrieb an
den Geſandten in Wien und ſtellte ihm vor, welche „Stratageme einer
Oppoſition gegen die Allerhöchſten Monarchen“ ſich hinter dem Zollverein
verſteckten. Hatzfeldt ſchlug ſofort in der Hofburg Lärm, und nun er-
gingen von Wien aus nach München, Karlsruhe, Bieberich ſo dringende
Warnungen, daß der längſt von innen heraus gelockerte Sonderbund un-
haltbar wurde und Berſtett eingeſtand: die Darmſtädter Conferenzen
mußten erfolglos bleiben, „ſchon der Acteurs wegen und wegen der Neben-
pläne, die man darin ſuchte.“ ***) Lange nachher erſt erhielt das Berliner
Cabinet Kunde von dem Ungehorſam ſeines Geſandten. Der eitle Di-
plomat hatte ſich laut gerühmt, er habe den Darmſtädter Bund geſprengt;
da befahl der König den Thatbeſtand zu unterſuchen. Otterſtedt empfing
einen ſcharfen Verweis und abermals die Mahnung, ſich jeder Einmiſchung
in dieſe Händel zu enthalten: es genüge den kleinen Höfen auszuſprechen,
daß Preußen bereit ſei über die Erweiterung ſeines Zollſyſtems zu ver-
*) Metternich an Zichy, 10. April, an Graf Spiegel in Kaſſel, 31. Mai; Berichte
von Blittersdorff, 21. März, von Hatzfeldt, 15. Sept. 1823.
**) Rechberg an Pfeffel, 19. Jan., Blittersdorff’s Bericht, 8. April 1823.
***) Berſtett an Blittersdorff, 25. Okt. 1824.
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Treitschke, Heinrich von: Deutsche Geschichte im neunzehnten Jahrhundert. Bd. 3: Bis zur Juli-Revolution. Leipzig, 1885, S. 325. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/treitschke_geschichte03_1885/341>, abgerufen am 22.11.2024.
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