Köster eine deutsche Nationaltracht aus deutschen Stoffen; schon in der Volksschule müsse den Kindern der patriotische Abscheu vor ausländischen Waaren eingeflößt werden. Die Mannheimer Kaufleute dagegen hofften vornehmlich auf harte Zölle wider den Frankfurter Handel: der Verein solle anderen Plätzen die Vortheile gewähren, welche die stolze Mainstadt ihren ungebührlich großen Capitalien verdanke; den Rheinpreußen müsse er jede Erleichterung versagen, so lange nicht der preußische Staat dem Vereine beitrete und der Mehrheit sich unterwerfe.*)
Leider wurde die allgemeine Unklarheit nur vermehrt durch die Schriften List's und seiner Genossen, die sich allmählich ganz in die Irrthümer des starren Prohibitivsystems verloren. Miller von Immenstadt forderte in einer für die Darmstädter Conferenzen bestimmten Druckschrift (Juli 1821): Verbot aller auswärtigen Waaren, die wir selbst erzeugen oder durch Sur- rogate ersetzen können; mit der Schweiz und Piemont, mit Holland, Han- nover, den Hansestädten und Holstein müsse man sich zu verbinden suchen; der König von Dänemark werde als treuer deutscher Bundesfürst sicherlich geneigt sein, die Schiffe des Vereins mit seinem Danebrog zu decken. Das Alles im Namen deutscher Ehre und mit dem unvermeidlichen pa- triotischen Pathos! Den Regierungen wurden die zudringlichen Mahnungen des List'schen Vereins, der sich auch in Darmstadt wieder durch Send- boten vertreten ließ, bald sehr unbequem. Der badische Bevollmächtigte Nebenius verbot seinem Secretär, mit List zu verkehren, sagte dem Agi- tator ins Gesicht, seine Anwesenheit sei überflüssig, errege schlimme Ge- rüchte. List blieb ohne jeden Einfluß auf den Verlauf der Berathungen, und Berstett hielt für nöthig, seinem Gönner Metternich von vornherein zu betheuern: nur das Gebot der Selbsterhaltung, "nicht die einseitigen, trügerischen, von einer kleinen Schaar eigensüchtiger Fabrikanten ausge- gangenen Declamationen" hätten das Darmstädter Unternehmen hervor- gerufen.**)
Die Cabinette selbst waren mit nichten einiger als die öffentliche Meinung, denn die verbündeten Staaten bildeten nur scheinbar eine geo- graphische Einheit. Sobald man den Geschäften ernsthaft ins Auge sah, zeigte sich die schändliche Lehre des "Manuscripts aus Süddeutschland" alsbald in ihrer Hohlheit. Eine natürliche Gemeinschaft süddeutscher Volks- wirthschaft, dem Norden gegenüber, bestand nicht. Vielmehr trat wieder einmal jene eigenthümliche Stellung des Rheinlandes hervor, das so oft schon in unserer Geschichte die heilsame Rolle des Vermittlers gespielt hat zwischen Nord und Süd. Die kleinen oberrheinischen Staaten waren dem rheinischen Tieflande durch stärkere Interessen verbunden als den
*) Eingabe von E. W. Arnoldi u. Gen. an den Herzog von Gotha (1820), vom landwirthschaftlichen Verein zu Ettenheim an Berstett, 1. Sept. 1820, von Ludw. Basser- mann Frohn in Mannheim, Okt. 1820 u. s. w.
Köſter eine deutſche Nationaltracht aus deutſchen Stoffen; ſchon in der Volksſchule müſſe den Kindern der patriotiſche Abſcheu vor ausländiſchen Waaren eingeflößt werden. Die Mannheimer Kaufleute dagegen hofften vornehmlich auf harte Zölle wider den Frankfurter Handel: der Verein ſolle anderen Plätzen die Vortheile gewähren, welche die ſtolze Mainſtadt ihren ungebührlich großen Capitalien verdanke; den Rheinpreußen müſſe er jede Erleichterung verſagen, ſo lange nicht der preußiſche Staat dem Vereine beitrete und der Mehrheit ſich unterwerfe.*)
Leider wurde die allgemeine Unklarheit nur vermehrt durch die Schriften Liſt’s und ſeiner Genoſſen, die ſich allmählich ganz in die Irrthümer des ſtarren Prohibitivſyſtems verloren. Miller von Immenſtadt forderte in einer für die Darmſtädter Conferenzen beſtimmten Druckſchrift (Juli 1821): Verbot aller auswärtigen Waaren, die wir ſelbſt erzeugen oder durch Sur- rogate erſetzen können; mit der Schweiz und Piemont, mit Holland, Han- nover, den Hanſeſtädten und Holſtein müſſe man ſich zu verbinden ſuchen; der König von Dänemark werde als treuer deutſcher Bundesfürſt ſicherlich geneigt ſein, die Schiffe des Vereins mit ſeinem Danebrog zu decken. Das Alles im Namen deutſcher Ehre und mit dem unvermeidlichen pa- triotiſchen Pathos! Den Regierungen wurden die zudringlichen Mahnungen des Liſt’ſchen Vereins, der ſich auch in Darmſtadt wieder durch Send- boten vertreten ließ, bald ſehr unbequem. Der badiſche Bevollmächtigte Nebenius verbot ſeinem Secretär, mit Liſt zu verkehren, ſagte dem Agi- tator ins Geſicht, ſeine Anweſenheit ſei überflüſſig, errege ſchlimme Ge- rüchte. Liſt blieb ohne jeden Einfluß auf den Verlauf der Berathungen, und Berſtett hielt für nöthig, ſeinem Gönner Metternich von vornherein zu betheuern: nur das Gebot der Selbſterhaltung, „nicht die einſeitigen, trügeriſchen, von einer kleinen Schaar eigenſüchtiger Fabrikanten ausge- gangenen Declamationen“ hätten das Darmſtädter Unternehmen hervor- gerufen.**)
Die Cabinette ſelbſt waren mit nichten einiger als die öffentliche Meinung, denn die verbündeten Staaten bildeten nur ſcheinbar eine geo- graphiſche Einheit. Sobald man den Geſchäften ernſthaft ins Auge ſah, zeigte ſich die ſchändliche Lehre des „Manuſcripts aus Süddeutſchland“ alsbald in ihrer Hohlheit. Eine natürliche Gemeinſchaft ſüddeutſcher Volks- wirthſchaft, dem Norden gegenüber, beſtand nicht. Vielmehr trat wieder einmal jene eigenthümliche Stellung des Rheinlandes hervor, das ſo oft ſchon in unſerer Geſchichte die heilſame Rolle des Vermittlers geſpielt hat zwiſchen Nord und Süd. Die kleinen oberrheiniſchen Staaten waren dem rheiniſchen Tieflande durch ſtärkere Intereſſen verbunden als den
*) Eingabe von E. W. Arnoldi u. Gen. an den Herzog von Gotha (1820), vom landwirthſchaftlichen Verein zu Ettenheim an Berſtett, 1. Sept. 1820, von Ludw. Baſſer- mann Frohn in Mannheim, Okt. 1820 u. ſ. w.
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Die Darmſtädter Zollconferenzen.
Köſter eine deutſche Nationaltracht aus deutſchen Stoffen; ſchon in der
Volksſchule müſſe den Kindern der patriotiſche Abſcheu vor ausländiſchen
Waaren eingeflößt werden. Die Mannheimer Kaufleute dagegen hofften
vornehmlich auf harte Zölle wider den Frankfurter Handel: der Verein
ſolle anderen Plätzen die Vortheile gewähren, welche die ſtolze Mainſtadt
ihren ungebührlich großen Capitalien verdanke; den Rheinpreußen müſſe
er jede Erleichterung verſagen, ſo lange nicht der preußiſche Staat dem
Vereine beitrete und der Mehrheit ſich unterwerfe. *)
Leider wurde die allgemeine Unklarheit nur vermehrt durch die Schriften
Liſt’s und ſeiner Genoſſen, die ſich allmählich ganz in die Irrthümer des
ſtarren Prohibitivſyſtems verloren. Miller von Immenſtadt forderte in
einer für die Darmſtädter Conferenzen beſtimmten Druckſchrift (Juli 1821):
Verbot aller auswärtigen Waaren, die wir ſelbſt erzeugen oder durch Sur-
rogate erſetzen können; mit der Schweiz und Piemont, mit Holland, Han-
nover, den Hanſeſtädten und Holſtein müſſe man ſich zu verbinden ſuchen;
der König von Dänemark werde als treuer deutſcher Bundesfürſt ſicherlich
geneigt ſein, die Schiffe des Vereins mit ſeinem Danebrog zu decken.
Das Alles im Namen deutſcher Ehre und mit dem unvermeidlichen pa-
triotiſchen Pathos! Den Regierungen wurden die zudringlichen Mahnungen
des Liſt’ſchen Vereins, der ſich auch in Darmſtadt wieder durch Send-
boten vertreten ließ, bald ſehr unbequem. Der badiſche Bevollmächtigte
Nebenius verbot ſeinem Secretär, mit Liſt zu verkehren, ſagte dem Agi-
tator ins Geſicht, ſeine Anweſenheit ſei überflüſſig, errege ſchlimme Ge-
rüchte. Liſt blieb ohne jeden Einfluß auf den Verlauf der Berathungen,
und Berſtett hielt für nöthig, ſeinem Gönner Metternich von vornherein
zu betheuern: nur das Gebot der Selbſterhaltung, „nicht die einſeitigen,
trügeriſchen, von einer kleinen Schaar eigenſüchtiger Fabrikanten ausge-
gangenen Declamationen“ hätten das Darmſtädter Unternehmen hervor-
gerufen. **)
Die Cabinette ſelbſt waren mit nichten einiger als die öffentliche
Meinung, denn die verbündeten Staaten bildeten nur ſcheinbar eine geo-
graphiſche Einheit. Sobald man den Geſchäften ernſthaft ins Auge ſah,
zeigte ſich die ſchändliche Lehre des „Manuſcripts aus Süddeutſchland“
alsbald in ihrer Hohlheit. Eine natürliche Gemeinſchaft ſüddeutſcher Volks-
wirthſchaft, dem Norden gegenüber, beſtand nicht. Vielmehr trat wieder
einmal jene eigenthümliche Stellung des Rheinlandes hervor, das ſo oft
ſchon in unſerer Geſchichte die heilſame Rolle des Vermittlers geſpielt
hat zwiſchen Nord und Süd. Die kleinen oberrheiniſchen Staaten waren
dem rheiniſchen Tieflande durch ſtärkere Intereſſen verbunden als den
*) Eingabe von E. W. Arnoldi u. Gen. an den Herzog von Gotha (1820), vom
landwirthſchaftlichen Verein zu Ettenheim an Berſtett, 1. Sept. 1820, von Ludw. Baſſer-
mann Frohn in Mannheim, Okt. 1820 u. ſ. w.
**) Nebenius’ Bericht, Darmſtadt 22. Sept., Berſtett an Metternich, 8. Sept. 1820.
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Treitschke, Heinrich von: Deutsche Geschichte im neunzehnten Jahrhundert. Bd. 3: Bis zur Juli-Revolution. Leipzig, 1885, S. 303. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/treitschke_geschichte03_1885/319>, abgerufen am 25.11.2024.
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