Gesetze wider die Majestätsverbrechen, Verbesserung der Erziehung durch Auflösung der Universitäten, endlich strenge Aufsicht über die Presse. Daran war freilich nicht zu denken, daß die Staatsmänner in Verona diesen Grundsätzen förmlich zugestimmt hätten; aber sie alle, Bernstorff nicht ausgenommen, hielten den Verfasser der Denkschrift für den besten der italienischen Fürsten, und keiner von ihnen verfiel auf die Frage, ob eine edle Nation sich auf die Dauer unter das Joch solcher Despoten beugen könne. --
Alles in Allem hatte Metternich wenig Grund sich dieses Fürsten- tages zu freuen, und Gentz bedurfte seiner ganzen stilistischen Meister- schaft um in dem Rundschreiben, das die Ostmächte am Ende des Con- gresses (14. Dec.) wieder an ihre Gesandtschaften ausgehen ließen, das dürftige Ergebniß der Berathung zu verhüllen. Er überhäufte darin die Madrider Regierung mit Beleidigungen, er nannte dies Spanien in seiner gegenwärtigen Zerrüttung den Feind der Grundsätze des europäischen Bun- des, er kündigte an, daß die Gesandten der drei Mächte die Halbinsel verlassen würden. Doch über die weiteren Entschlüsse der Cabinette wußte er nichts zu sagen, sondern begnügte sich mit der geheimnißvollen An- deutung: die Monarchen würden nicht zurückweichen, was immer auch die Folgen ihres Schrittes sein möchten. Am Schlusse der inhaltlosen Er- klärung stand noch eine strenge, fast drohende Ermahnung, die offenbar zunächst den kleinen deutschen Höfen galt. Die Staatsgewalt, hieß es da, sei ein den Obrigkeiten anvertrautes heiliges Pfand, und jede Regierung setze sich einer schweren Verantwortung aus, wenn sie falschen Rathschlägen folge; die drei Monarchen aber hofften in allen Regierungen Verbün- dete, wahre, den Buchstaben und den Geist der europäischen Verträge achtende Verbündete zu finden. Die Presse konnte aus den unklaren Worten nur das Eine errathen, daß eine neue Intervention im Werke sei, und hatte Görres schon die Eröffnung des neuen Fürstentages mit einer unmuthigen, völlig verworrenen Schrift -- "die heilige Allianz und die Völker auf dem Congresse von Verona" -- ironisch begrüßt, so erklang jetzt vollends überall nur eine Stimme des Zornes wider die diktatorische Sprache der europäischen Dreiherrschaft.
Die argen Früchte des Congresses reiften nur zu schnell. Die Ge- sandten der Ostmächte überreichten am 6. Januar 1823 in Madrid ihre drohenden Noten, empfingen von dem Minister San Miguel, wie vor- auszusehen, eine stolze, schroffe Antwort und verließen nach einigen Tagen das Land. Mittelweile maß sich am Tuilerienhofe die Kriegspartei Mont- morency's mit dem behutsameren Villele in einem lange unentschiedenen Kampfe. Ein Vermittlungsvorschlag Englands, welchen der aus Verona heimkehrende Wellington überbrachte, ward abgewiesen, aber zu Weih- nachten mußte Montmorency aus dem Cabinet ausscheiden und einen Augenblick schöpfte die Friedenspartei frische Hoffnung. Nunmehr jedoch
Ergebniſſe des Congreſſes von Verona.
Geſetze wider die Majeſtätsverbrechen, Verbeſſerung der Erziehung durch Auflöſung der Univerſitäten, endlich ſtrenge Aufſicht über die Preſſe. Daran war freilich nicht zu denken, daß die Staatsmänner in Verona dieſen Grundſätzen förmlich zugeſtimmt hätten; aber ſie alle, Bernſtorff nicht ausgenommen, hielten den Verfaſſer der Denkſchrift für den beſten der italieniſchen Fürſten, und keiner von ihnen verfiel auf die Frage, ob eine edle Nation ſich auf die Dauer unter das Joch ſolcher Despoten beugen könne. —
Alles in Allem hatte Metternich wenig Grund ſich dieſes Fürſten- tages zu freuen, und Gentz bedurfte ſeiner ganzen ſtiliſtiſchen Meiſter- ſchaft um in dem Rundſchreiben, das die Oſtmächte am Ende des Con- greſſes (14. Dec.) wieder an ihre Geſandtſchaften ausgehen ließen, das dürftige Ergebniß der Berathung zu verhüllen. Er überhäufte darin die Madrider Regierung mit Beleidigungen, er nannte dies Spanien in ſeiner gegenwärtigen Zerrüttung den Feind der Grundſätze des europäiſchen Bun- des, er kündigte an, daß die Geſandten der drei Mächte die Halbinſel verlaſſen würden. Doch über die weiteren Entſchlüſſe der Cabinette wußte er nichts zu ſagen, ſondern begnügte ſich mit der geheimnißvollen An- deutung: die Monarchen würden nicht zurückweichen, was immer auch die Folgen ihres Schrittes ſein möchten. Am Schluſſe der inhaltloſen Er- klärung ſtand noch eine ſtrenge, faſt drohende Ermahnung, die offenbar zunächſt den kleinen deutſchen Höfen galt. Die Staatsgewalt, hieß es da, ſei ein den Obrigkeiten anvertrautes heiliges Pfand, und jede Regierung ſetze ſich einer ſchweren Verantwortung aus, wenn ſie falſchen Rathſchlägen folge; die drei Monarchen aber hofften in allen Regierungen Verbün- dete, wahre, den Buchſtaben und den Geiſt der europäiſchen Verträge achtende Verbündete zu finden. Die Preſſe konnte aus den unklaren Worten nur das Eine errathen, daß eine neue Intervention im Werke ſei, und hatte Görres ſchon die Eröffnung des neuen Fürſtentages mit einer unmuthigen, völlig verworrenen Schrift — „die heilige Allianz und die Völker auf dem Congreſſe von Verona“ — ironiſch begrüßt, ſo erklang jetzt vollends überall nur eine Stimme des Zornes wider die diktatoriſche Sprache der europäiſchen Dreiherrſchaft.
Die argen Früchte des Congreſſes reiften nur zu ſchnell. Die Ge- ſandten der Oſtmächte überreichten am 6. Januar 1823 in Madrid ihre drohenden Noten, empfingen von dem Miniſter San Miguel, wie vor- auszuſehen, eine ſtolze, ſchroffe Antwort und verließen nach einigen Tagen das Land. Mittelweile maß ſich am Tuilerienhofe die Kriegspartei Mont- morency’s mit dem behutſameren Villele in einem lange unentſchiedenen Kampfe. Ein Vermittlungsvorſchlag Englands, welchen der aus Verona heimkehrende Wellington überbrachte, ward abgewieſen, aber zu Weih- nachten mußte Montmorency aus dem Cabinet ausſcheiden und einen Augenblick ſchöpfte die Friedenspartei friſche Hoffnung. Nunmehr jedoch
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Ergebniſſe des Congreſſes von Verona.
Geſetze wider die Majeſtätsverbrechen, Verbeſſerung der Erziehung durch
Auflöſung der Univerſitäten, endlich ſtrenge Aufſicht über die Preſſe.
Daran war freilich nicht zu denken, daß die Staatsmänner in Verona
dieſen Grundſätzen förmlich zugeſtimmt hätten; aber ſie alle, Bernſtorff
nicht ausgenommen, hielten den Verfaſſer der Denkſchrift für den beſten
der italieniſchen Fürſten, und keiner von ihnen verfiel auf die Frage, ob
eine edle Nation ſich auf die Dauer unter das Joch ſolcher Despoten
beugen könne. —
Alles in Allem hatte Metternich wenig Grund ſich dieſes Fürſten-
tages zu freuen, und Gentz bedurfte ſeiner ganzen ſtiliſtiſchen Meiſter-
ſchaft um in dem Rundſchreiben, das die Oſtmächte am Ende des Con-
greſſes (14. Dec.) wieder an ihre Geſandtſchaften ausgehen ließen, das
dürftige Ergebniß der Berathung zu verhüllen. Er überhäufte darin die
Madrider Regierung mit Beleidigungen, er nannte dies Spanien in ſeiner
gegenwärtigen Zerrüttung den Feind der Grundſätze des europäiſchen Bun-
des, er kündigte an, daß die Geſandten der drei Mächte die Halbinſel
verlaſſen würden. Doch über die weiteren Entſchlüſſe der Cabinette wußte
er nichts zu ſagen, ſondern begnügte ſich mit der geheimnißvollen An-
deutung: die Monarchen würden nicht zurückweichen, was immer auch die
Folgen ihres Schrittes ſein möchten. Am Schluſſe der inhaltloſen Er-
klärung ſtand noch eine ſtrenge, faſt drohende Ermahnung, die offenbar
zunächſt den kleinen deutſchen Höfen galt. Die Staatsgewalt, hieß es da,
ſei ein den Obrigkeiten anvertrautes heiliges Pfand, und jede Regierung
ſetze ſich einer ſchweren Verantwortung aus, wenn ſie falſchen Rathſchlägen
folge; die drei Monarchen aber hofften in allen Regierungen Verbün-
dete, wahre, den Buchſtaben und den Geiſt der europäiſchen Verträge
achtende Verbündete zu finden. Die Preſſe konnte aus den unklaren
Worten nur das Eine errathen, daß eine neue Intervention im Werke
ſei, und hatte Görres ſchon die Eröffnung des neuen Fürſtentages mit
einer unmuthigen, völlig verworrenen Schrift — „die heilige Allianz und
die Völker auf dem Congreſſe von Verona“ — ironiſch begrüßt, ſo erklang
jetzt vollends überall nur eine Stimme des Zornes wider die diktatoriſche
Sprache der europäiſchen Dreiherrſchaft.
Die argen Früchte des Congreſſes reiften nur zu ſchnell. Die Ge-
ſandten der Oſtmächte überreichten am 6. Januar 1823 in Madrid ihre
drohenden Noten, empfingen von dem Miniſter San Miguel, wie vor-
auszuſehen, eine ſtolze, ſchroffe Antwort und verließen nach einigen Tagen
das Land. Mittelweile maß ſich am Tuilerienhofe die Kriegspartei Mont-
morency’s mit dem behutſameren Villele in einem lange unentſchiedenen
Kampfe. Ein Vermittlungsvorſchlag Englands, welchen der aus Verona
heimkehrende Wellington überbrachte, ward abgewieſen, aber zu Weih-
nachten mußte Montmorency aus dem Cabinet ausſcheiden und einen
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Treitschke, Heinrich von: Deutsche Geschichte im neunzehnten Jahrhundert. Bd. 3: Bis zur Juli-Revolution. Leipzig, 1885, S. 281. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/treitschke_geschichte03_1885/297>, abgerufen am 22.11.2024.
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