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Treitschke, Heinrich von: Deutsche Geschichte im neunzehnten Jahrhundert. Bd. 3: Bis zur Juli-Revolution. Leipzig, 1885.

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III. 5. Die Großmächte und die Trias.
gedämpft klang daneben die Antwort Metternich's, der zwar ebenfalls alle
drei Fragen bejahte, aber mit dem Vorbehalt einer besonderen Verstän-
digung für den Fall thätlicher Hilfe. Noch behutsamer äußerte sich Bern-
storff. Er hatte seine Erwiderung dem Könige vorgelegt, und Friedrich
Wilhelm blieb hier wie vordem in Troppau fest entschlossen, seinem Volke
kein unnöthiges Opfer zuzumuthen. Preußen versprach daher zwar seinen
Gesandten gegebenen Falls abzurufen, auch den französischen Hof im Kriegs-
falle moralisch zu unterstützen; thätliche Hilfe aber könne der König nur
leisten, soweit die Nothwendigkeit seiner Lage und die seinem Königreiche
schuldigen Pflichten ihm dazu die Möglichkeit (la faculte) lassen sollten --
und daß der König diese Möglichkeit schlechterdings nicht zugeben wollte,
war allen Staatsmännern der Ostmächte wohl bekannt. Wellington end-
lich erwiderte mit einer schroffen Ablehnung. War es ein Zufall oder
hatte er den Entwurf der russischen Antwort vorher gelesen -- genug,
seine Denkschrift begann, als wollte sie den Czaren verspotten, ganz mit
denselben Worten wie die russische um dann zu den genau entgegengesetzten
Schlüssen zu gelangen. "Seit dem Monat April 1820, hub er an, hat
die britische Regierung keine Gelegenheit versäumt um den Verbündeten
Sr. Majestät zu empfehlen, daß sie sich jeder Einmischung in die innern
Angelegenheiten Spaniens enthalten möchten." Dann schilderte er, wie
gefährlich, kostspielig und doch fruchtlos ein solcher Versuch sei; er erklärte
kurzab, der Grundsatz der Nichteinmischung bleibe für England die Regel
dem Auslande gegenüber, und verweigerte jede Antwort auf Montmoren-
cy's Fragen, so lange er die Verhandlungen zwischen Spanien und Frank-
reich nicht kenne.

So schneidend hatte England in Troppau und Laibach nicht wider-
sprochen; aus dem Munde des Feldherrn, der nie ein Wort umsonst sprach,
klangen die gewichtigen Sätze nur noch ernster. Alle fühlten, daß Eng-
land bereits den ersten Schritt that um sich von der Allianz zu trennen.
Der Czar aber stürmte vorwärts, er wollte Erfolge sehen, und die deut-
schen Mächte durften, wie lebhaft sie auch den Frieden wünschten, seine
ungestümen Mahnungen nicht gänzlich von der Hand weisen; es galt, den
Schein der Eintracht zu wahren und vor Allem ein Zerwürfniß im Oriente
zu verhindern. Wir mußten endlich, gestand Bernstorff an Ancillon, mit
England jede Verständigung aufgeben und, um mit Rußland nicht zu
brechen, einen Mittelweg einschlagen. Dieser Mittelweg war freilich sehr
abschüssig. Schon in den jüngsten Tagen hatte Bernstorff die Frage er-
wogen, ob es nicht möglich sei, durch eine diplomatische Verwendung in
Madrid eine Aenderung der Verfassung mittelbar herbeizuführen.*) Am
31. Okt. beantragte Metternich sodann gemeinsame Vorstellungen beim spani-

*) Bernstorff, Esquisse über das Verhältniß von Spanien und Frankreich,
22. Oktober 1822.

III. 5. Die Großmächte und die Trias.
gedämpft klang daneben die Antwort Metternich’s, der zwar ebenfalls alle
drei Fragen bejahte, aber mit dem Vorbehalt einer beſonderen Verſtän-
digung für den Fall thätlicher Hilfe. Noch behutſamer äußerte ſich Bern-
ſtorff. Er hatte ſeine Erwiderung dem Könige vorgelegt, und Friedrich
Wilhelm blieb hier wie vordem in Troppau feſt entſchloſſen, ſeinem Volke
kein unnöthiges Opfer zuzumuthen. Preußen verſprach daher zwar ſeinen
Geſandten gegebenen Falls abzurufen, auch den franzöſiſchen Hof im Kriegs-
falle moraliſch zu unterſtützen; thätliche Hilfe aber könne der König nur
leiſten, ſoweit die Nothwendigkeit ſeiner Lage und die ſeinem Königreiche
ſchuldigen Pflichten ihm dazu die Möglichkeit (la faculté) laſſen ſollten —
und daß der König dieſe Möglichkeit ſchlechterdings nicht zugeben wollte,
war allen Staatsmännern der Oſtmächte wohl bekannt. Wellington end-
lich erwiderte mit einer ſchroffen Ablehnung. War es ein Zufall oder
hatte er den Entwurf der ruſſiſchen Antwort vorher geleſen — genug,
ſeine Denkſchrift begann, als wollte ſie den Czaren verſpotten, ganz mit
denſelben Worten wie die ruſſiſche um dann zu den genau entgegengeſetzten
Schlüſſen zu gelangen. „Seit dem Monat April 1820, hub er an, hat
die britiſche Regierung keine Gelegenheit verſäumt um den Verbündeten
Sr. Majeſtät zu empfehlen, daß ſie ſich jeder Einmiſchung in die innern
Angelegenheiten Spaniens enthalten möchten.“ Dann ſchilderte er, wie
gefährlich, koſtſpielig und doch fruchtlos ein ſolcher Verſuch ſei; er erklärte
kurzab, der Grundſatz der Nichteinmiſchung bleibe für England die Regel
dem Auslande gegenüber, und verweigerte jede Antwort auf Montmoren-
cy’s Fragen, ſo lange er die Verhandlungen zwiſchen Spanien und Frank-
reich nicht kenne.

So ſchneidend hatte England in Troppau und Laibach nicht wider-
ſprochen; aus dem Munde des Feldherrn, der nie ein Wort umſonſt ſprach,
klangen die gewichtigen Sätze nur noch ernſter. Alle fühlten, daß Eng-
land bereits den erſten Schritt that um ſich von der Allianz zu trennen.
Der Czar aber ſtürmte vorwärts, er wollte Erfolge ſehen, und die deut-
ſchen Mächte durften, wie lebhaft ſie auch den Frieden wünſchten, ſeine
ungeſtümen Mahnungen nicht gänzlich von der Hand weiſen; es galt, den
Schein der Eintracht zu wahren und vor Allem ein Zerwürfniß im Oriente
zu verhindern. Wir mußten endlich, geſtand Bernſtorff an Ancillon, mit
England jede Verſtändigung aufgeben und, um mit Rußland nicht zu
brechen, einen Mittelweg einſchlagen. Dieſer Mittelweg war freilich ſehr
abſchüſſig. Schon in den jüngſten Tagen hatte Bernſtorff die Frage er-
wogen, ob es nicht möglich ſei, durch eine diplomatiſche Verwendung in
Madrid eine Aenderung der Verfaſſung mittelbar herbeizuführen.*) Am
31. Okt. beantragte Metternich ſodann gemeinſame Vorſtellungen beim ſpani-

*) Bernſtorff, Esquisse über das Verhältniß von Spanien und Frankreich,
22. Oktober 1822.
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[274/0290] III. 5. Die Großmächte und die Trias. gedämpft klang daneben die Antwort Metternich’s, der zwar ebenfalls alle drei Fragen bejahte, aber mit dem Vorbehalt einer beſonderen Verſtän- digung für den Fall thätlicher Hilfe. Noch behutſamer äußerte ſich Bern- ſtorff. Er hatte ſeine Erwiderung dem Könige vorgelegt, und Friedrich Wilhelm blieb hier wie vordem in Troppau feſt entſchloſſen, ſeinem Volke kein unnöthiges Opfer zuzumuthen. Preußen verſprach daher zwar ſeinen Geſandten gegebenen Falls abzurufen, auch den franzöſiſchen Hof im Kriegs- falle moraliſch zu unterſtützen; thätliche Hilfe aber könne der König nur leiſten, ſoweit die Nothwendigkeit ſeiner Lage und die ſeinem Königreiche ſchuldigen Pflichten ihm dazu die Möglichkeit (la faculté) laſſen ſollten — und daß der König dieſe Möglichkeit ſchlechterdings nicht zugeben wollte, war allen Staatsmännern der Oſtmächte wohl bekannt. Wellington end- lich erwiderte mit einer ſchroffen Ablehnung. War es ein Zufall oder hatte er den Entwurf der ruſſiſchen Antwort vorher geleſen — genug, ſeine Denkſchrift begann, als wollte ſie den Czaren verſpotten, ganz mit denſelben Worten wie die ruſſiſche um dann zu den genau entgegengeſetzten Schlüſſen zu gelangen. „Seit dem Monat April 1820, hub er an, hat die britiſche Regierung keine Gelegenheit verſäumt um den Verbündeten Sr. Majeſtät zu empfehlen, daß ſie ſich jeder Einmiſchung in die innern Angelegenheiten Spaniens enthalten möchten.“ Dann ſchilderte er, wie gefährlich, koſtſpielig und doch fruchtlos ein ſolcher Verſuch ſei; er erklärte kurzab, der Grundſatz der Nichteinmiſchung bleibe für England die Regel dem Auslande gegenüber, und verweigerte jede Antwort auf Montmoren- cy’s Fragen, ſo lange er die Verhandlungen zwiſchen Spanien und Frank- reich nicht kenne. So ſchneidend hatte England in Troppau und Laibach nicht wider- ſprochen; aus dem Munde des Feldherrn, der nie ein Wort umſonſt ſprach, klangen die gewichtigen Sätze nur noch ernſter. Alle fühlten, daß Eng- land bereits den erſten Schritt that um ſich von der Allianz zu trennen. Der Czar aber ſtürmte vorwärts, er wollte Erfolge ſehen, und die deut- ſchen Mächte durften, wie lebhaft ſie auch den Frieden wünſchten, ſeine ungeſtümen Mahnungen nicht gänzlich von der Hand weiſen; es galt, den Schein der Eintracht zu wahren und vor Allem ein Zerwürfniß im Oriente zu verhindern. Wir mußten endlich, geſtand Bernſtorff an Ancillon, mit England jede Verſtändigung aufgeben und, um mit Rußland nicht zu brechen, einen Mittelweg einſchlagen. Dieſer Mittelweg war freilich ſehr abſchüſſig. Schon in den jüngſten Tagen hatte Bernſtorff die Frage er- wogen, ob es nicht möglich ſei, durch eine diplomatiſche Verwendung in Madrid eine Aenderung der Verfaſſung mittelbar herbeizuführen. *) Am 31. Okt. beantragte Metternich ſodann gemeinſame Vorſtellungen beim ſpani- *) Bernſtorff, Esquisse über das Verhältniß von Spanien und Frankreich, 22. Oktober 1822.

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Zitationshilfe: Treitschke, Heinrich von: Deutsche Geschichte im neunzehnten Jahrhundert. Bd. 3: Bis zur Juli-Revolution. Leipzig, 1885, S. 274. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/treitschke_geschichte03_1885/290>, abgerufen am 25.11.2024.