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Treitschke, Heinrich von: Deutsche Geschichte im neunzehnten Jahrhundert. Bd. 3: Bis zur Juli-Revolution. Leipzig, 1885.

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III. 5. Die Großmächte und die Trias.
bungen für die griechischen Freischaaren überall untersagt, und Thiersch
durfte seine in der Allgemeinen Zeitung begonnene Fehde gegen Gentz
nicht fortführen.*) Aber dabei blieb es auch; die Geldsammlungen der
Griechen nahmen ungestört ihren Fortgang, und in Preußen selbst drückten
die Behörden ein Auge zu. So lange Alexander noch schwankte vermied
der Berliner Hof behutsam Alles, was die russische Freundschaft irgend
gefährden konnte. Die Einladung nach Hannover schlug Bernstorff aus,
damit die Zusammenkunft nicht den Anschein einer gegen Rußland ge-
richteten europäischen Verschwörung gewänne, und trotz der Bitten Met-
ternich's wollte der König die Friedensarbeit der Hofburg nicht durch
eigenhändige Briefe an seinen kaiserlichen Freund unterstützen.**)

Erleichtert athmete man in Berlin auf, als die Kriegsgefahr im Osten
sich verzog. Kaiser Franz aber vergaß jene geringfügigen Meinungsver-
schiedenheiten gern, da ihm der König von Preußen im Sommer 1822
einen nur allzu unzweideutigen Beweis seiner Anhänglichkeit gab. Der
Gesandte General Krusemark war gestorben, ein Diplomat der alten Schule,
der trotz seiner Verehrung für die Hofburg doch auch die Gebrechen des
Kaiserstaates, die Zerrüttung des Haushalts und des Heerwesens, die un-
haltbaren Zustände in der Lombardei immer mit ehrlichen Soldatenaugen
unbefangen beobachtet hatte. Sofort ließ Metternich alle Minen springen
um einen Nachfolger nach seinem Herzen zu erlangen, und da die Partei
Voß-Buch's eben jetzt im Aufsteigen war, so wurde der König in unglück-
licher Stunde beredet, den Fürsten Hatzfeldt nach Wien zu senden. Mit
den Worten: "wir brauchten einen so reinen Mann wie Sie" empfing Met-
ternich den alten Freund, und Kaiser Franz meinte befriedigt: "so immer
fester verbunden werden wir den revolutionären Geist überall und voll-
ständig besiegen."***) Fürst Hatzfeldt hatte einst nach der Jenaer Schlacht
als Gouverneur von Berlin eine kopflose Schwäche gezeigt, die dem Landes-
verrathe nahe kam und nur darum der verdienten Strafe entging, weil
Napoleon sich drohend für ihn verwendete. Nachher gesellte er sich zu
der kleinen Schaar der Franzosenfreunde, da ihm der napoleonische Des-
potismus immerhin erträglicher schien als die Umsturzgedanken Stein's
und Hardenberg's. Noch im Februar 1813 beschwor er den Imperator
in Paris, den preußischen Hof durch einige kleine Zugeständnisse zu be-
schwichtigen, damit Deutschland vor der Geißel der Revolution bewahrt
bliebe. Nach den Befreiungskriegen, die er nur mit gemischten Empfin-
dungen betrachten konnte, sah er einen "Kampf auf Tod und Leben zwi-
schen Aristokratie und Demokratie" voraus; wie früher Napoleon so war
ihm jetzt Oesterreich der Hort der Autorität. Er lebte und webte in der guten

*) Weisung an Krusemark, 29. Sept., Zastrow's Bericht 26. Okt. 1821.
**) Bernstorff an Krusemark, 25. Dec. 1821, 26. Jan. 1822.
***) Hatzfeldt's Bericht, 6. Juli 1822.

III. 5. Die Großmächte und die Trias.
bungen für die griechiſchen Freiſchaaren überall unterſagt, und Thierſch
durfte ſeine in der Allgemeinen Zeitung begonnene Fehde gegen Gentz
nicht fortführen.*) Aber dabei blieb es auch; die Geldſammlungen der
Griechen nahmen ungeſtört ihren Fortgang, und in Preußen ſelbſt drückten
die Behörden ein Auge zu. So lange Alexander noch ſchwankte vermied
der Berliner Hof behutſam Alles, was die ruſſiſche Freundſchaft irgend
gefährden konnte. Die Einladung nach Hannover ſchlug Bernſtorff aus,
damit die Zuſammenkunft nicht den Anſchein einer gegen Rußland ge-
richteten europäiſchen Verſchwörung gewänne, und trotz der Bitten Met-
ternich’s wollte der König die Friedensarbeit der Hofburg nicht durch
eigenhändige Briefe an ſeinen kaiſerlichen Freund unterſtützen.**)

Erleichtert athmete man in Berlin auf, als die Kriegsgefahr im Oſten
ſich verzog. Kaiſer Franz aber vergaß jene geringfügigen Meinungsver-
ſchiedenheiten gern, da ihm der König von Preußen im Sommer 1822
einen nur allzu unzweideutigen Beweis ſeiner Anhänglichkeit gab. Der
Geſandte General Kruſemark war geſtorben, ein Diplomat der alten Schule,
der trotz ſeiner Verehrung für die Hofburg doch auch die Gebrechen des
Kaiſerſtaates, die Zerrüttung des Haushalts und des Heerweſens, die un-
haltbaren Zuſtände in der Lombardei immer mit ehrlichen Soldatenaugen
unbefangen beobachtet hatte. Sofort ließ Metternich alle Minen ſpringen
um einen Nachfolger nach ſeinem Herzen zu erlangen, und da die Partei
Voß-Buch’s eben jetzt im Aufſteigen war, ſo wurde der König in unglück-
licher Stunde beredet, den Fürſten Hatzfeldt nach Wien zu ſenden. Mit
den Worten: „wir brauchten einen ſo reinen Mann wie Sie“ empfing Met-
ternich den alten Freund, und Kaiſer Franz meinte befriedigt: „ſo immer
feſter verbunden werden wir den revolutionären Geiſt überall und voll-
ſtändig beſiegen.“***) Fürſt Hatzfeldt hatte einſt nach der Jenaer Schlacht
als Gouverneur von Berlin eine kopfloſe Schwäche gezeigt, die dem Landes-
verrathe nahe kam und nur darum der verdienten Strafe entging, weil
Napoleon ſich drohend für ihn verwendete. Nachher geſellte er ſich zu
der kleinen Schaar der Franzoſenfreunde, da ihm der napoleoniſche Des-
potismus immerhin erträglicher ſchien als die Umſturzgedanken Stein’s
und Hardenberg’s. Noch im Februar 1813 beſchwor er den Imperator
in Paris, den preußiſchen Hof durch einige kleine Zugeſtändniſſe zu be-
ſchwichtigen, damit Deutſchland vor der Geißel der Revolution bewahrt
bliebe. Nach den Befreiungskriegen, die er nur mit gemiſchten Empfin-
dungen betrachten konnte, ſah er einen „Kampf auf Tod und Leben zwi-
ſchen Ariſtokratie und Demokratie“ voraus; wie früher Napoleon ſo war
ihm jetzt Oeſterreich der Hort der Autorität. Er lebte und webte in der guten

*) Weiſung an Kruſemark, 29. Sept., Zaſtrow’s Bericht 26. Okt. 1821.
**) Bernſtorff an Kruſemark, 25. Dec. 1821, 26. Jan. 1822.
***) Hatzfeldt’s Bericht, 6. Juli 1822.
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[260/0276] III. 5. Die Großmächte und die Trias. bungen für die griechiſchen Freiſchaaren überall unterſagt, und Thierſch durfte ſeine in der Allgemeinen Zeitung begonnene Fehde gegen Gentz nicht fortführen. *) Aber dabei blieb es auch; die Geldſammlungen der Griechen nahmen ungeſtört ihren Fortgang, und in Preußen ſelbſt drückten die Behörden ein Auge zu. So lange Alexander noch ſchwankte vermied der Berliner Hof behutſam Alles, was die ruſſiſche Freundſchaft irgend gefährden konnte. Die Einladung nach Hannover ſchlug Bernſtorff aus, damit die Zuſammenkunft nicht den Anſchein einer gegen Rußland ge- richteten europäiſchen Verſchwörung gewänne, und trotz der Bitten Met- ternich’s wollte der König die Friedensarbeit der Hofburg nicht durch eigenhändige Briefe an ſeinen kaiſerlichen Freund unterſtützen. **) Erleichtert athmete man in Berlin auf, als die Kriegsgefahr im Oſten ſich verzog. Kaiſer Franz aber vergaß jene geringfügigen Meinungsver- ſchiedenheiten gern, da ihm der König von Preußen im Sommer 1822 einen nur allzu unzweideutigen Beweis ſeiner Anhänglichkeit gab. Der Geſandte General Kruſemark war geſtorben, ein Diplomat der alten Schule, der trotz ſeiner Verehrung für die Hofburg doch auch die Gebrechen des Kaiſerſtaates, die Zerrüttung des Haushalts und des Heerweſens, die un- haltbaren Zuſtände in der Lombardei immer mit ehrlichen Soldatenaugen unbefangen beobachtet hatte. Sofort ließ Metternich alle Minen ſpringen um einen Nachfolger nach ſeinem Herzen zu erlangen, und da die Partei Voß-Buch’s eben jetzt im Aufſteigen war, ſo wurde der König in unglück- licher Stunde beredet, den Fürſten Hatzfeldt nach Wien zu ſenden. Mit den Worten: „wir brauchten einen ſo reinen Mann wie Sie“ empfing Met- ternich den alten Freund, und Kaiſer Franz meinte befriedigt: „ſo immer feſter verbunden werden wir den revolutionären Geiſt überall und voll- ſtändig beſiegen.“ ***) Fürſt Hatzfeldt hatte einſt nach der Jenaer Schlacht als Gouverneur von Berlin eine kopfloſe Schwäche gezeigt, die dem Landes- verrathe nahe kam und nur darum der verdienten Strafe entging, weil Napoleon ſich drohend für ihn verwendete. Nachher geſellte er ſich zu der kleinen Schaar der Franzoſenfreunde, da ihm der napoleoniſche Des- potismus immerhin erträglicher ſchien als die Umſturzgedanken Stein’s und Hardenberg’s. Noch im Februar 1813 beſchwor er den Imperator in Paris, den preußiſchen Hof durch einige kleine Zugeſtändniſſe zu be- ſchwichtigen, damit Deutſchland vor der Geißel der Revolution bewahrt bliebe. Nach den Befreiungskriegen, die er nur mit gemiſchten Empfin- dungen betrachten konnte, ſah er einen „Kampf auf Tod und Leben zwi- ſchen Ariſtokratie und Demokratie“ voraus; wie früher Napoleon ſo war ihm jetzt Oeſterreich der Hort der Autorität. Er lebte und webte in der guten *) Weiſung an Kruſemark, 29. Sept., Zaſtrow’s Bericht 26. Okt. 1821. **) Bernſtorff an Kruſemark, 25. Dec. 1821, 26. Jan. 1822. ***) Hatzfeldt’s Bericht, 6. Juli 1822.

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Zitationshilfe: Treitschke, Heinrich von: Deutsche Geschichte im neunzehnten Jahrhundert. Bd. 3: Bis zur Juli-Revolution. Leipzig, 1885, S. 260. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/treitschke_geschichte03_1885/276>, abgerufen am 25.11.2024.