III. 4. Der Ausgang des preußischen Verfassungskampfes.
Mit diesem Bescheide kehrten die enttäuschten Gesandten heim, und die fünf Höfe erkannten bald, daß sie auf den so pomphaft angekündigten Plan einer kirchlichen Magna Charta vorläufig verzichten und sich wie Preußen mit der Vereinbarung einer Circumscriptionsbulle für ihre Bis- thümer begnügen mußten. Im März 1820 trat die Frankfurter Con- ferenz aufs Neue zusammen, um dreiviertel Jahr lang wegen der Einrich- tung der oberrheinischen Kirchenprovinz zu rathschlagen. Ueber die Grenzen der neuen Bisthümer bestand kein Streit; denn jeder der fünf Souve- räne war entschlossen, sich die Freude eines eigenen Landesbischofs zu gönnen, obwohl der Kurfürst von Hessen blos etwa hunderttausend katho- lische Unterthanen besaß und die katholische Bevölkerung von Darmstadt oder Nassau auch nur um die Hälfte stärker war. Aber welcher der fünf Landesbischöfe sollte die Würde des Metropolitans bekleiden? Der Papst wünschte lebhaft die Herstellung des Erzbisthums Mainz, das jahrhunderte- lang im Volksmunde das würdigste unter den rheinischen Hochstiftern ge- heißen hatte. Aber die historische Pietät, welche Preußen durch die Wieder- aufrichtung des Kölner erzbischöflichen Stuhles bewies, war der Bureau- kratie der Rheinbundstaaten völlig fremd. Da die Mainzer Diöcese zu einem winzigen Darmstädter Landesbisthum zusammenschrumpfen sollte, so zeigte sich Württemberg nicht geneigt, seinen königlichen Landesbischof einem so bescheidenen großherzoglichen Metropolitan unterzuordnen. Auch Nassau widersprach lebhaft, und schließlich ließ der Großherzog von Hessen selbst, der sich anfangs eifrig für die Rangerhöhung seines Landesbischofs verwendet hatte, den Gedanken fallen. Unzweifelhaft regte sich am hes- sischen Hofe die Befürchtung, ein neuer Erzbischof von Mainz könne leicht in Versuchung gerathen, als Nachfolger der Reichskanzler in Germanien, der vornehmsten Fürsten des heiligen Reichs aufzutreten und also dem Ansehen des Landesherrn gefährlich werden. Der Zauber des ruhmreichen alten kurmainzischen Namens war in diesen Jahren noch sehr mächtig; vor Kurzem erst hatte der Großherzog selber vergeblich versucht, sich bei den deutschen Großmächten den Titel eines Kurfürsten von Mainz zu erwirken.*)
Genug, der Plan ward aufgegeben, und da die anderen Souveräne der württembergischen Königskrone kein Vorrecht zugestehen wollten, so verfiel man schließlich auf das bequeme Auskunftsmittel der Kopfzahl und beschloß, das badische Landesbisthum als das volkreichste der Kirchenpro- vinz mit dem erzbischöflichen Titel zu schmücken. Die badischen Minister frohlockten, doch sofort erhob sich eine neue Schwierigkeit.**) In Konstanz war Wessenberg erwählter Bisthumsverweser und verwaltete sein Amt seit Jahren, geschützt durch die Regierung, gegen den Willen des Papstes.
*) Note des großh. hess. Gesandten Frh. v. Senden an Hardenberg, 27. Mai 1816.
III. 4. Der Ausgang des preußiſchen Verfaſſungskampfes.
Mit dieſem Beſcheide kehrten die enttäuſchten Geſandten heim, und die fünf Höfe erkannten bald, daß ſie auf den ſo pomphaft angekündigten Plan einer kirchlichen Magna Charta vorläufig verzichten und ſich wie Preußen mit der Vereinbarung einer Circumſcriptionsbulle für ihre Bis- thümer begnügen mußten. Im März 1820 trat die Frankfurter Con- ferenz aufs Neue zuſammen, um dreiviertel Jahr lang wegen der Einrich- tung der oberrheiniſchen Kirchenprovinz zu rathſchlagen. Ueber die Grenzen der neuen Bisthümer beſtand kein Streit; denn jeder der fünf Souve- räne war entſchloſſen, ſich die Freude eines eigenen Landesbiſchofs zu gönnen, obwohl der Kurfürſt von Heſſen blos etwa hunderttauſend katho- liſche Unterthanen beſaß und die katholiſche Bevölkerung von Darmſtadt oder Naſſau auch nur um die Hälfte ſtärker war. Aber welcher der fünf Landesbiſchöfe ſollte die Würde des Metropolitans bekleiden? Der Papſt wünſchte lebhaft die Herſtellung des Erzbisthums Mainz, das jahrhunderte- lang im Volksmunde das würdigſte unter den rheiniſchen Hochſtiftern ge- heißen hatte. Aber die hiſtoriſche Pietät, welche Preußen durch die Wieder- aufrichtung des Kölner erzbiſchöflichen Stuhles bewies, war der Bureau- kratie der Rheinbundſtaaten völlig fremd. Da die Mainzer Diöceſe zu einem winzigen Darmſtädter Landesbisthum zuſammenſchrumpfen ſollte, ſo zeigte ſich Württemberg nicht geneigt, ſeinen königlichen Landesbiſchof einem ſo beſcheidenen großherzoglichen Metropolitan unterzuordnen. Auch Naſſau widerſprach lebhaft, und ſchließlich ließ der Großherzog von Heſſen ſelbſt, der ſich anfangs eifrig für die Rangerhöhung ſeines Landesbiſchofs verwendet hatte, den Gedanken fallen. Unzweifelhaft regte ſich am heſ- ſiſchen Hofe die Befürchtung, ein neuer Erzbiſchof von Mainz könne leicht in Verſuchung gerathen, als Nachfolger der Reichskanzler in Germanien, der vornehmſten Fürſten des heiligen Reichs aufzutreten und alſo dem Anſehen des Landesherrn gefährlich werden. Der Zauber des ruhmreichen alten kurmainziſchen Namens war in dieſen Jahren noch ſehr mächtig; vor Kurzem erſt hatte der Großherzog ſelber vergeblich verſucht, ſich bei den deutſchen Großmächten den Titel eines Kurfürſten von Mainz zu erwirken.*)
Genug, der Plan ward aufgegeben, und da die anderen Souveräne der württembergiſchen Königskrone kein Vorrecht zugeſtehen wollten, ſo verfiel man ſchließlich auf das bequeme Auskunftsmittel der Kopfzahl und beſchloß, das badiſche Landesbisthum als das volkreichſte der Kirchenpro- vinz mit dem erzbiſchöflichen Titel zu ſchmücken. Die badiſchen Miniſter frohlockten, doch ſofort erhob ſich eine neue Schwierigkeit.**) In Konſtanz war Weſſenberg erwählter Bisthumsverweſer und verwaltete ſein Amt ſeit Jahren, geſchützt durch die Regierung, gegen den Willen des Papſtes.
*) Note des großh. heſſ. Geſandten Frh. v. Senden an Hardenberg, 27. Mai 1816.
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Mit dieſem Beſcheide kehrten die enttäuſchten Geſandten heim, und
die fünf Höfe erkannten bald, daß ſie auf den ſo pomphaft angekündigten
Plan einer kirchlichen Magna Charta vorläufig verzichten und ſich wie
Preußen mit der Vereinbarung einer Circumſcriptionsbulle für ihre Bis-
thümer begnügen mußten. Im März 1820 trat die Frankfurter Con-
ferenz aufs Neue zuſammen, um dreiviertel Jahr lang wegen der Einrich-
tung der oberrheiniſchen Kirchenprovinz zu rathſchlagen. Ueber die Grenzen
der neuen Bisthümer beſtand kein Streit; denn jeder der fünf Souve-
räne war entſchloſſen, ſich die Freude eines eigenen Landesbiſchofs zu
gönnen, obwohl der Kurfürſt von Heſſen blos etwa hunderttauſend katho-
liſche Unterthanen beſaß und die katholiſche Bevölkerung von Darmſtadt
oder Naſſau auch nur um die Hälfte ſtärker war. Aber welcher der fünf
Landesbiſchöfe ſollte die Würde des Metropolitans bekleiden? Der Papſt
wünſchte lebhaft die Herſtellung des Erzbisthums Mainz, das jahrhunderte-
lang im Volksmunde das würdigſte unter den rheiniſchen Hochſtiftern ge-
heißen hatte. Aber die hiſtoriſche Pietät, welche Preußen durch die Wieder-
aufrichtung des Kölner erzbiſchöflichen Stuhles bewies, war der Bureau-
kratie der Rheinbundſtaaten völlig fremd. Da die Mainzer Diöceſe zu
einem winzigen Darmſtädter Landesbisthum zuſammenſchrumpfen ſollte,
ſo zeigte ſich Württemberg nicht geneigt, ſeinen königlichen Landesbiſchof
einem ſo beſcheidenen großherzoglichen Metropolitan unterzuordnen. Auch
Naſſau widerſprach lebhaft, und ſchließlich ließ der Großherzog von Heſſen
ſelbſt, der ſich anfangs eifrig für die Rangerhöhung ſeines Landesbiſchofs
verwendet hatte, den Gedanken fallen. Unzweifelhaft regte ſich am heſ-
ſiſchen Hofe die Befürchtung, ein neuer Erzbiſchof von Mainz könne leicht
in Verſuchung gerathen, als Nachfolger der Reichskanzler in Germanien,
der vornehmſten Fürſten des heiligen Reichs aufzutreten und alſo dem
Anſehen des Landesherrn gefährlich werden. Der Zauber des ruhmreichen
alten kurmainziſchen Namens war in dieſen Jahren noch ſehr mächtig;
vor Kurzem erſt hatte der Großherzog ſelber vergeblich verſucht, ſich bei
den deutſchen Großmächten den Titel eines Kurfürſten von Mainz zu
erwirken. *)
Genug, der Plan ward aufgegeben, und da die anderen Souveräne
der württembergiſchen Königskrone kein Vorrecht zugeſtehen wollten, ſo
verfiel man ſchließlich auf das bequeme Auskunftsmittel der Kopfzahl und
beſchloß, das badiſche Landesbisthum als das volkreichſte der Kirchenpro-
vinz mit dem erzbiſchöflichen Titel zu ſchmücken. Die badiſchen Miniſter
frohlockten, doch ſofort erhob ſich eine neue Schwierigkeit. **) In Konſtanz
war Weſſenberg erwählter Bisthumsverweſer und verwaltete ſein Amt ſeit
Jahren, geſchützt durch die Regierung, gegen den Willen des Papſtes.
*) Note des großh. heſſ. Geſandten Frh. v. Senden an Hardenberg, 27. Mai 1816.
**) Blittersdorff’s Berichte, 25. Sept. 1820, 20., 30. Jan., 21. Nov. 1821.
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Treitschke, Heinrich von: Deutsche Geschichte im neunzehnten Jahrhundert. Bd. 3: Bis zur Juli-Revolution. Leipzig, 1885, S. 224. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/treitschke_geschichte03_1885/240>, abgerufen am 24.11.2024.
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